Bezahlen mit dem Smartphone

Bezahlen mit NFC: Jetzt sind die Anbieter dran

Uhr | Aktualisiert
von Rodolphe Koller

Auch Schweizer Anbieter testen kontaktlose Zahlungssysteme über Smartphones und mit der NFC-Technologie (Near Field Communication) ausgestatteten SIM-Karten. Ihr Erfolg hängt unter anderem davon ab, wie schnell sich die Anbieter auf gemeinsame Lösungen einigen können.

Nachdem Smartphones bereits das Telefon, den Walkman, den Terminplaner, den Fotoapparat, das Notepad und den Reiseführer ersetzt haben, dürften sie bald auch als Portemonnaie dienen. Damit würden sie dafür sorgen, dass eines der letzten analogen Überbleibsel, das Hosen- und Handtaschen verstopft, bald der Vergangenheit angehört.

Dank der Near-Field-Communication-Technologie (NFC) sollte es schon bald möglich sein, Zahlungen auszuführen, indem man einfach sein Smartphone bei der Kasse hinhält – sofern beide Geräte mit der nötigen Technologie ausgestattet sind. Das Versprechen ist nicht neu, konnte aber mangels entsprechenden NFC-Geräten und vor allem aufgrund der manchmal gegensätzlichen Interessen der verschiedenen Beteiligten nicht so rasch erfüllt werden.

Inzwischen kommt aber Bewegung in die Sache. In vielen Ländern wurden Pilotprojekte gestartet, und einige Lösungen sind sogar schon betriebsbereit. Glaubt man den Anbietern, sollten in der Schweiz die ersten Produkte für die NFC-Zahlung im Laufe des Jahres 2013 auf den Markt kommen.

Mosaiksteine: Die Smartphones ...

Damit die kontaktlose Zahlung über ein Telefon möglich wird, sind zahlreiche Elemente, primär in der Infrastruktur, nötig. Zunächst müssen Smartphones die NFC-Kommunikation unterstützen, entweder über den Handychip oder – im von den Anbietern bevorzugten Modell – über eine SIM-Karte, die mit einer Antenne ausgestattet ist.

Nur wenige Modelle verfügen schon heute über diese Funktion. Allerdings kündigen alle Hersteller ausser Apple NFC-fähige Geräte an. Das Marktforschungsunternehmen IMS Research geht davon aus, dass dieses Jahr 80 Millionen solcher Geräte gegenüber 35 Millionen im Jahre 2011 verkauft werden dürften, und Juniper Research schätzt, dass 2014 schon jedes fünfte Smartphone mit NFC ausgestattet sein wird.

... und die Verkaufstellen

Natürlich müssen auch die Verkaufsstellen über NFC-Terminals verfügen. In der Schweiz verfügen einige Handelsketten (K-Kiosk, McDonald’s) bereits über solche Geräte für die kontaktlose Zahlung von Beträgen unter 40 Franken per Kreditkarte (Visa Paywave oder Mastercard Paypass).

Zudem haben die meisten Terminal-Hersteller NFC-Modelle in ihr Sortiment aufgenommen, darunter auch die Aduno-Gruppe, Miteigentümerin von Viseca, die an einem Pilotprojekt von Swisscom teilnimmt. Oliver Taylor, Country Manager Schweiz beim Terminal-Hersteller Ingenico, glaubt, dass der Handel 2013 allmählich auf NFC-Terminals umstellen wird. ABI Research sagt voraus, dass bis 2016 weltweit 85 Prozent aller Zahlungsterminals NFC-Transaktionen zulassen werden.

Ein komplexes Zusammenspiel

Vorhandene NFC-Geräte auf Verkäufer- und Verbraucherseite allein reichen für die Schaffung eines echten Angebots an kontaktlosen Zahlungssystemen allerdings nicht aus. Es fehlen noch weitere technische Elemente wie Portemonnaie-Apps (M-Wallet), die Übernahme des Zahlungsverfahrens im Hintergrund oder die Identifizierung des Anwenders.

Diese Elemente sind stark abhängig von unterschiedlichen Beteiligten wie Telkos, Finanzinstituten, Standardorganisationen, Kreditkartenanbietern oder Internetfirmen. Die Umsetzung der mobilen Zahlung hängt von den Partnerschaften innerhalb dieses komplexen Ökosystems ab, wie Jordi Guaus, zuständig für mobile Zahlungen bei der spanischen Bank La Caixa, erklärt:

"Der Markt hat noch viel zu tun, bis die NFC-Zahlung ihr Potenzial ausschöpfen kann. Es gibt viele Implementierungsmodelle, zwischen denen man wählen muss, und die Akteure müssen heute wichtige Entscheidungen über ein aufkommendes und sich rasch entwickelndes Geschäftsfeld treffen."

Google bringt den Status quo ins Wanken

Wie auch in anderen Sektoren sind es die Webakteure, in diesem Fall Google, die den Status quo ins Wanken bringen. Das digitale Portfolio Google Wallet kam offiziell im September letzten Jahres in den USA auf den Markt. Es basiert auf dem NFC-Chip des Google-Nexus-Handys und ermöglicht die Zahlung über Kreditkarte (Mastercard und demnächst Visa und American Express) oder eine Prepaid-Karte.

"Unser Ziel ist es, dass alle Ihre Bankkarten bei Google Wallet einsetzen und sich damit von Ihren herkömmlichen, dicken Brieftaschen verabschieden können", erläutert in diesem Zusammenhang Osama Bedier, zuständig für Zahlungslösungen bei Google.

Das System wird denjenigen Telkos nicht gefallen, die Gefahr laufen, dass ihnen erneut netzbasierte Dienste, wertvolle Daten und Einkünfte durch die Lappen gehen könnten. Der amerikanische Betreiber Sprint ist der einzige, der Google Wallet unterstützt. Verizon hat die Installation der App durch seine User aus "technischen und sicherheitsrelevanten Gründen" blockiert.

"Ein erster Schachzug in einem möglicherweise sehr langen Krieg um das mobile Portemonnaie", meint Carl Howe, Analyst bei der Yankee Group. Denn Verizon entwickelt gerade eine konkurrierende NFC-Zahlungslösung namens Isis, zusammen mit AT&T und T-Mobile. Der Dienst soll im ersten Halbjahr 2012 in zwei Pilotstädten zur Verfügung stehen.

Anbieter-Bündnisse in Europa

Ähnlich wie bei der Zusammenarbeit um Isis schliessen sich Telkobetreiber in vielen europäischen Ländern über Joint-Ventures und andere Pilotprojekte im Bereich der kontaktlosen Zahlung zusammen. Sie setzen dabei vorzugsweise SIM-Karten als Identifizierungs- und Kommunikationstool ein. Ziel dieser Kooperationen ist es, eine gemeinsame Lösung zu entwickeln, ähnlich dem Dienst von Google, der den Vorteil hat, nicht von konkurrierenden Telekommunikationsnetzen abhängig zu sein.

In Frankreich haben Orange, SFR, Bouygues Télécom und NRJ Mobile 2010 das Cityzi-Projekt zuerst in Nizza gestartet und eine Ausdehnung auf weitere Städte geplant. Die von der Regierung unterstützte Initiative beruht auf Partnerschaften mit Banken und Kreditkartenanbietern (Visa, Mastercard). In Dänemark haben vier Anbieter letzten Sommer ihre Zusammenarbeit im Bereich M-Wallet angekündigt. In Grossbritannien wollen Everything Everywhere (das heisst Orange und T-Mobile), O2 und Vodafone ein Joint-Venture schaffen, um einen NFC-Zahlungsdienst für die Olympischen Sommerspiele einzurichten.

Sie haben erklärt, dass sie "den Wettbewerb beleben wollen, indem sie eine glaubwürdige Alternative zu den etablierten Online-Zahlungs- und Werbeplattformen der grossen amerikanischen Akteure anbieten". Ein Wettlauf gegen die Zeit, denn Google steht schon in den Startlöchern, um seinen Dienst in England bis zu den Olympischen Spielen auf den Markt zu bringen. Damit würde dieser erstmals ausserhalb der Vereinigten Staaten eingesetzt.

Testpiloten in der Schweiz

In der Schweiz haben Swisscom und mehrere Partner, darunter Selecta, Credit Suisse, Postfinance und Six Multipay, das erste Pilotprojekt für die NFC-Zahlung im Herbst 2008 durchgeführt. Auch wenn die Tests Anwender und Kassenpersonal mehr als zufriedenstellten, hob Swisscom in ihren Schlussfolgerungen die Wichtigkeit der Zusammenarbeit zwischen Telekommunikationsakteuren und anderen Geldgebern hervor, damit die Kunden an so vielen Orten wie möglich mit ihrem Telefon bezahlen können.

Die drei grössten Schweizer Mobilfunkanbieter haben letztes Jahr tatsächlich eine Arbeitsgruppe gebildet, die sich der NFC-Zahlung in der Schweiz und ihrer Standardisierung widmet. Gleichzeitig leiten Swisscom und Sunrise unabhängig voneinander grundlegende technische Pilotprojekte, um ihre Kenntnisse in diesem Bereich auszubauen.

Die Projektleiterin bei Sunrise, Mariateresa Vacalli, schätzt, dass die ersten Lösungen 2013 auf dem Schweizer Markt erhältlich sein werden. Eine Aussicht, die sich mit den Ergebnissen einer weltweiten Umfrage von KPMG aus dem Jahre 2011 deckt, derzufolge drei Viertel der befragten Unternehmen der Meinung waren, die mobile Zahlung werde sich in zwei bis vier Jahren allgemein durchsetzen.

Komfort und Wagnis

Derselben Studie von KPMG zufolge hängt die Akzeptanz der kontaktlosen Zahlung im Wesentlichen von ihrem Komfort ab. Über 80 Prozent der Unternehmen sind der Ansicht, dass diese Lösungen genauso praktisch wie die uns bekannte physische Bezahlung sein müssen. Die Studie zeigt auch, welche entscheidende Rolle die Sicherheit spielt. Sie muss gewährleistet sein, ansonsten dürfte die Entwicklung der mobilen Zahlung ausgebremst werden.

Viele Analysten sind übrigens der Ansicht, dass sich die Akzeptanz der NFC-Zahlung dank anderer, zusätzlicher Services erhöhen wird. Man denke nur an die Einkaufsgutscheine und die Treuekarten, die unsere Brieftaschen überschwemmen. Was die Zahlung selbst betrifft, gehören Kreditkarten heute zu allen Vorstössen dazu. Es gibt aber auch andere Möglichkeiten, wie zum Beispiel die Zahlung über die Telefonrechnung, zumindest für kleinere Beträge. Ausserdem, so erklärt Vacalli, spricht technisch nichts dagegen, dass wir über mehrere konkurrierende Apps auf unserem Smartphone verfügen, beispielsweise M-Wallet von Google und das Angebot eines Telkoanbieters.

Angesichts so vieler Optionen, externer Faktoren und Unbekannten liegt die Gefahr für die Anbieter darin, sich auf Pilotprojekte zu beschränken und zu warten, bis sich eine Lösung durchsetzt. Dieser abwartenden Haltung schliessen sich aber nicht alle Webakteure an. Unternehmen wie Google sind es gewohnt, neue Dienste auf den Markt zu bringen, um Reaktionen zu beobachten und ihr Angebot gemäss dem Trial-and-Error-Prinzip fortlaufend zu verbessern. Denn im Bereich der kontaktlosen Zahlung lacht das Glück nur den Wagemutigsten.