Neo Forum 2014

Schweizer Unternehmen erfinden sich mit IT neu

Uhr | Aktualisiert

Am Neo Forum diskutierten Unternehmer und Forscher, wie sich mit IT neue Geschäftsfelder erschliessen lassen. Es zeigte sich, dass vor allem Kreativität und etwas Mut gefragt sind.

Vergangenen Donnerstag hat am Departement für Wirtschaft der Hochschule Luzern das Neo Forum zum Thema IT-Driven Innovation getagt. Die Initianten, die Projektleiterin Christine Larbig und der Professor Marco Menna, stellten zu Beginn der Veranstaltung das Neo Forum vor. Dieses findet einmal jährlich statt und versammelt Manager, Innovationsforscher sowie forschungsnahe Berater. Auf dem Programm standen dieses Mal zwei Case Studies, drei Workshops sowie die Podiumsdiskussion "Information: Kommerzialisierung ohne Grenzen?".

Das diesjährige Forum war der Frage nach der Bedeutung der IT für Innovationen im Unternehmensumfeld gewidmet. Wie Menna und Larbig erklärten, setzen immer mehr Unternehmer IT ein, um ihr Geschäft zu erneuern. Die beiden Forumsleiter machten dann auch gleich die Probe aufs Exempel und fragten die anwesenden Unternehmer, wer die letzten zwei Jahre Produkte oder Prozesse ohne Informationstechnologie entwickelt habe. Wie sich herausstellte, spielte die IT bei fast allen Befragten eine massgebende Rolle.

Mehrwertdienste mit IT entwickeln

Ulrich Kaiser, Director Technology beim Anbieter von Messgeräten Endress Hauser, stellte im ersten der beiden Case Studies ein Geschäftsmodell zur besseren Verwertung von bestehenden Produkteinformationen. Wie Kaiser erklärte, hat Endress + Hauser weltweit über 20 Millionen Messgeräte im Einsatz. Da es sich dabei um äusserst langlebige Produkte mit einer Nutzungsdauer von bis zu 15 Jahren handelt, überlegte sich das Unternehmen, aus der Produktdokumentation einen Mehrwertdienst zu entwickeln, das so genannte Asset Information Management oder die Verwaltung der Geräteinformationen.

Im Zentrum des Projekts stand Kaiser zufolge der Zeitverlust beim Suchen von Information. Das Ziel war demnach ein neues Datenbanksystem, dass die verschiedenen Handbücher, Zertifikate und Produktbeschreibungen besser zugänglich als bisher machen würde. Dabei ginge es also darum, dem Kunden Produktdaten noch mal zum Kauf anzubieten, erklärte Kaiser augenzwinkernd.

Gemäss Kaiser verzeichnet die Plattform inzwischen intern 90'000 Suchanfragen pro Monat. Die externe Nutzung sei mit 15'000 Suchanfragen pro Monat oder 2300 bezahlten Zugriffslizenzen etwas bescheidener. Dennoch spricht der Director Technology von Erfolg. Zwar stelle die Plattform rein rechnerisch ein Verlustgeschäft dar, aber das Unternehmen habe damit eine zusätzliche Kundenbindung erzielen können.

Als Folgeprojekt will nun Endress + Hauser eine neue Datenbank mit Daten aus bestehenden Servicefällen entwickeln. Dabei werde ein Computer bei einer Kundenanfrage nach technischen Präzedenzfällen suchen, erklärte Kaiser das Vorhaben. Die Herausforderung sei dabei, das in riesigen Mengen an unstrukturierten Daten enthaltene Erfahrungswissen zu destillieren und nutzbar zu machen.

Vom physischen zum virtuellen Lift

Die zweite Case Studies des Neo Forums präsentierte der Dozent der Hochschule Luzern Kilian Schuster in Vertretung von Paul Friedli, Leiter New Business beim Lifthersteller Schindler. Am Beispiel einer Schraube illustrierte Schuster, wie heute nebst materiellen Produkten auch virtuelle Produkte hergestellt und genutzt werden. Im Gegensatz zu den erstgenannten würden virtuelle Produkte eine Reihe von Vorteilen haben. Sie benötigten kein Rohmaterial, bräuchten keine Logistik und würden keine Mengenabhängigkeit kennen. Wie Schuster ausführte, würden aber virtuelle Produkte früher oder später mit dem Problem der Inflation des Downloads konfrontiert werden. Jedes Mal, wenn das Produkt herunter geladen würde, sinke die Bereitschaft der Nutzer, dafür zu bezahlen. Bisher hätten vor allem die Musik- und die Filmindustrie diese schmerzhafte Erfahrung machen müssen.

Gemäss Schuster hat Schindler die letzten Jahre auch ein solches virtuelles Produkt hervorgebracht. Mit der Entwicklung der so genannten Port Technology habe sich Schindler vom reinen Maschinenbauer zum Reiseunternehmer gewandelt. Dabei handelt es sich gemäss dem Referenten um eine Technologie, die die unterschiedlichen Reiseziele der Liftpassagiere so kombiniert, dass ein idealer Fahrplan entstehe. Im Gegensatz zur SBB, bei welchen die Fahrpläne fix seien, würde Schindler aber mit der Port Technology ständig neue Fahrpläne machen, so Schuster. Dazu sei ein äusserst komplexer Planungsalgorithmus erforderlich gewesen.

Insgesamt benötigte Schindler Schuster zufolge zehn Jahre für die Entwicklung der Technologie und viel Leidenschaft, denn es habe drei Produktgenerationen gebraucht, bis das System ausgereift gewesen sei. Mit der Schaffung der Port Technology habe Schindler aber nicht nur eine neue Marke geschaffen, sondern auch einen neuen Kundenkreis erschlosssen. Heute würden nämlich auch Investoren und Städteentwickler solche Dienstleistungen in Anspruch nehmen