Update: Behörden beschlagnahmen nach Encrochat-Hack 740 Millionen Euro
2020 haben französische und niederländische Polizeien das verschlüsselte Telefonsystem Encrochat ausgehoben, das bei kriminellen Netzwerken sehr beliebt war. Europol zieht nun eine Zwischenbilanz: 740 Millionen Euro Bargeld wurden beschlagnahmt, dazu tonnenweise Drogen sowie Waffen. 6558 Verdächtige wurden festgenommen.
Update vom 28. Juni 2023: Europol hat drei Jahre nach der Entschlüsselung von Enchrochat eine Schlüsselbilanz gezogen. Die Behörden habe es seitdem geschafft, mehr als 115 Millionen "kriminelle Unterredungen" von über 60’000 Nutzern abzufangen, berichtet "Heise". Man habe dabei sogenannte "Nutzer-Hotspots" ausgemacht, vorzugsweise "in Herkunfts- und Zielländern" des illegalen Drogenhandels sowie in Geldwäschezentren.
Zusammen mit den beteiligten Behörden in Frankreich und den Niederlanden seien insgesamt 6558 verdächtige Personen festgenommen worden, die mit der Plattform in Verbindung stehen sollen, heisst es wieter. 197 davon seien hochrangige Kriminelle. Verschiedene Gerichte sollen Haftstrafen von insgesamt 7134 Jahren verordnet haben.
Die Behörden hätten ausserdem Bargeld im Wert von 739,7 Millionen Euro beschlagnahmt, ausserdem 154,1 Millionen Euro in Form von Vermögen oder Bankkonten. Dazu kommen laut "Heise" 163,4 Tonnen Cannabis, 103,5 Tonnen Kokain und 3,3 Tonnen Heroin, 972 Fahrzeuge, 271 Grundstücke oder Häuser, 83 Boote und 40 Flugzeuge, 923 Waffen sowie 21.750 Schuss Munition und 68 Sprengstoffe.
Das Ende von Enchrochat "trug dazu bei, gewalttätige Übergriffe, Mordversuche, Korruption und groß angelegte Drogentransporte zu verhindern sowie groß angelegte Informationen über die organisierte Kriminalität zu beschaffen", wird Europol zitiert. Strafverteidiger kritisieren jedoch laut "Heise" das Vorgehen der Behörden bei der Erhebung und Verwertung der Daten - die Rechte der Beschuldigten seien dabei missachtet worden.
Originalmeldung vom 3. Juli 2020:
Polizei knackt die verschlüsselte Chatplattform Encrochat
Europol und die Polizei in Frankreich und den Niederlanden präsentierten die Ergebnisse einer mehrjährigen Untersuchung zur Entschlüsselung von EncroChat, einem verschlüsselten Telefonsystem, das von Mitgliedern der organisierten Kriminalität weit verbreitet ist. Mehrere Monate lang ermöglichte das Abfangen der über das Netzwerk ausgetauschten Nachrichten den Strafverfolgungsbehörden, gewalttätige Angriffe, Korruption, Mordversuche und Drogenhandel zu verhindern, erklärt Europol.
Kriminelle angezapft
Alles begann 2017. Die französische Gendarmerie findet bei ihren Einsätzen gegen das organisierte Verbrechen regelmäßig Telefone, die EncroChat verwenden. Nach der Entdeckung, dass das System von Servern in Frankreich aus operiert, gelingt es der Polizei, ein technisches Gerät zu platzieren, um die Verschlüsselung zu passieren. Dies verschaffte ihr Zugriff auf die ausgetauschten Nachrichten.
Das Lesen und Analysieren dieser Botschaften, manchmal in Echtzeit, wird es ermöglichen, mehrere kriminelle Operationen in Frankreich, aber auch in den Niederlanden mit der technischen Unterstützung von Europol zu unterminieren. In Frankreich überwacht eine aus mehr als 60 Gendarmerieoffizieren bestehende Task Force die Gespräche von Tausenden von Kriminellen, die zur Einleitung zahlreicher Verfahren geführt haben. Nach der Zusammenarbeit mit Frankreich hören auch die niederländischen Strafverfolgungsbehörden tausende von Mitteilungen ab, die zur Festnahme von rund 100 Verdächtigen, zur Beschlagnahme von 8000 Kilo Kokain und zur Zerschlagung von rund 20 Produktionslabors für synthetische Drogen geführt haben. Die Abhöraktionen führten auch zu Verhaftungen im Zusammenhang mit Drogenhandel und Gewaltverbrechen in anderen Ländern, wie dem Vereinigten Königreich, Schweden und Norwegen. Die Geschichte endete am 13. Juni dieses Jahres, als die Betreiber von EncroChat entdecken, dass sich die Behörden in ihr System gehackt haben, und allen Nutzern rieten, ihre Telefone wegzuwerfen. "Die Auswirkungen der Operation werden noch viele Jahre lang in kriminellen Kreisen zu spüren sein, da die Informationen in Hunderte von laufenden Ermittlungen eingeflossen sind und gleichzeitig eine große Zahl neuer strafrechtlicher Ermittlungen gegen die organisierte Kriminalität auf dem europäischen Kontinent und darüber hinaus auslösen", kommentiert Europol.
Verbrechenssichere Telefone
Anfang 2020 war EncroChat laut Europol einer der größten Anbieter von verschlüsselter digitaler Kommunikation mit einem sehr hohen Anteil an Nutzern, die wahrscheinlich in kriminelle Aktivitäten verwickelt sind, insbesondere in den Herkunfts- und Zielländern des Drogenhandels. EncroChat bot seinen Kunden Telefone für 1000 Euro und eine globale Netzwerkabdeckung für 1500 Euro pro Halbjahr, einschließlich Support. Ausgestattet mit einem dualen Betriebssystem, verfügten die Krypto-Telefone über alle Funktionen für diejenigen, die ihre Gespräche geheim halten wollen: keine Verbindung zwischen Gerät, SIM-Karte und Client; ein verschlüsseltes Interface, das im zweiten Betriebssystem versteckt ist; Entfernung von Kamera, Mikrofon, GPS und USB-Anschluss. Spezielle Softwarefunktionen waren ebenfalls verfügbar, um alle Daten vom Gerät zu löschen, auch aus der Ferne oder bei wiederholter Eingabe falscher Passwörter.