Partner-Post Experteninterview mit Kurt Ris, EveryWare

"KI wirkt wie ein Katalysator für das Thema Souveränität"

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Die Repatriierung von Daten aus globalen Clouds rückt im Zuge wirtschaftlicher und geopolitischer Unsicherheiten in den Fokus von vielen Unternehmen in der Schweiz. EveryWare-CEO Kurt Ris erklärt im Interview, warum souveräne Clouds an Bedeutung gewinnen und wie sie neue Spielräume für Sicherheit, Innovation und vertrauenswürdige KI schaffen können.

Kurt Ris, CEO und Mitgründer, EveryWare « Regulierung sollte klare ­Rahmenbedingungen schaffen, ohne neue Ideen zu bremsen. »
Kurt Ris, CEO und Mitgründer, EveryWare « Regulierung sollte klare ­Rahmenbedingungen schaffen, ohne neue Ideen zu bremsen. »

Warum gewinnt das Thema Datenrepatriierung in der Schweiz aktuell an Bedeutung – und wo liegen dabei die Herausforderungen beziehungsweise die Chancen?

Kurt Ris: Viele Entscheider merken, dass globale Public Clouds ihre Versprechen nur teilweise halten. Immer mehr setzen sich deshalb mit ihren Abhängigkeiten auseinander. Spätestens seit der Trump’schen «America first»-Politik wurde deutlich, wie verwundbar man ist, wenn kritische Systeme ausserhalb des eigenen Wirtschafts- und Rechtsraums liegen. Dazu kommen unvorhersehbare Preisentwicklungen und strategische Abhängigkeiten von Anbietern, die nicht immer im eigenen Interesse handeln. Datenrepatriierung ist Ausdruck des wachsenden Wunsches nach Kontrolle und Stabilität. Die Chance liegt darin, wieder selbst über Daten, Verträge und Betriebsmodelle zu bestimmen – ohne auf die Vorteile der globalen Clouds zu verzichten. Die Herausforderung besteht darin, diesen Schritt gut zu planen und souveräne Alternativen zu wählen oder zu kombinieren, die technologische Offenheit mit Compliance und Leistung verbinden. Dabei geht es nicht um Abschottung, sondern um eine sinnvolle Balance.

 

Wie würde eine Swiss Sovereign Cloud das Verhältnis zwischen Schweizer Cloud-Anwenderunternehmen und internationalen Hyperscalern verändern?

Dazu muss man sagen, dass es nicht «DIE» Swiss Sovereign Cloud gibt, sondern Anbieter, die entsprechend aufgestellt sind. Eine Swiss Sovereign Cloud schafft eine Alternative – kein Entweder-oder, sondern ein Sowohl-als-auch. Ein Beispiel: Ein Schweizer Energieversorger betreibt kritische Produktionsdaten in einer Sovereign Cloud, während weniger sensible Workloads in internationalen Clouds laufen. So behält er die Kontrolle, nutzt aber trotzdem globale Services. Hyperscaler bleiben Technologiepartner, aber die Spielregeln ändern sich: Unternehmen wollen wissen, wer Zugriff hat, unter welchem Recht und mit welcher Verlässlichkeit. Eine souveräne Cloud verschiebt die Balance hin zu mehr Kontrolle, Partnerschaft und Fairness.

 

Welche konkreten Kosten- und Risikoüberlegungen sprechen für eine souveräne Cloud-Infrastruktur in der Schweiz?

Viele gehen immer noch davon aus, dass Sovereign Clouds teurer sind – das stimmt so aber nicht. Vergleichbare Services kosten meist gleich viel. Der Unterschied liegt in den Risiken: keine plötzlichen Preisanpassungen, kein Cloud Act, keine Abhängigkeit von globalen Servicebedingungen. Das schafft langfristig mehr Planungssicherheit. Am Ende ist eine souveräne Cloud keine reine Kostenfrage, sondern eine Entscheidung für Stabilität, Kontrolle und Verbindlichkeit.

 

Wie wichtig ist es für Schweizer Firmen, mit lokalen Ansprechpartnern und Betreibern zusammenzuarbeiten – auch abseits der klassischen Compliance-Argumente?

Lokale Nähe schafft nicht nur Verbindlichkeit, sondern auch Geschwindigkeit. Ich denke dabei an ein Unternehmen, das nachts auf einen Notfall im Produktionssystem reagierte. Der lokale Support war sofort erreichbar, Entscheidungen konnten in Echtzeit getroffen werden. Wenn Architektur, Betrieb und Support in der Schweiz liegen, sind Entscheidungswege kurz und Verantwortlichkeiten klar. Probleme lassen sich schneller lösen, Abläufe laufen reibungsloser. Das ist für geschäftskritische Infrastrukturen ein klarer Vorteil. Nicht nur bei Compliance, sondern auch bei Performance und Innovation zahlt sich lokale Nähe aus.

 

Welche Rolle spielt eine souveräne Cloud für den Aufbau vertrauenswürdiger KI- und Datenräume in der Schweiz?

KI wirkt wie ein Katalysator für das Thema Souveränität. Denn hier geht es um hochsensible, datenintensive Anwendungen – oft mit geschäftskritischen oder vertraulichen Informationen. Wer solche Daten ausserhalb der Schweiz verarbeitet, bewegt sich automatisch in einem anderen Rechtsraum. Fremde Behörden können im Zweifel auf Daten zugreifen, selbst wenn sie auf europäischen Servern liegen. Vertrauenswürdige KI-Anwendungen brauchen deshalb eine Umgebung, die man wirklich kontrolliert – technisch wie rechtlich. Eine Swiss-Sovereign-Cloud-Umgebung stellt sicher, dass Training, Inferenz und Speicherung vollständig unter Schweizer Recht bleiben. Damit haben Unternehmen ihre Daten unter eigener Kontrolle – rechtlich und technisch abgesichert.

 

Wie lassen sich Machine-Learning-Modelle sicher und nachvollziehbar in einer souveränen Umgebung trainieren und betreiben?

Mit einer dedizierten, lokal betriebenen Infrastruktur. Kunden behalten die volle Kontrolle über Daten, Modelle und Workflows. Es gibt keinen externen Zugriff und dies sorgt für Transparenz. Ein KMU im Gesundheitswesen kann zum Beispiel ein Modell für Patientenrisiken komplett lokal trainieren, ohne dass Daten in externe Clouds wandern. So entsteht eine sichere und leistungsfähige Umgebung für den gesamten KI-Lifecycle. Durch die Kombination aus lokaler Datenhaltung, Open-Source-Frameworks und souveränem Betrieb behalten Unternehmen jederzeit die Kontrolle und Nachvollziehbarkeit ihrer KI-Anwendungen.

 

Wie könnten Schweizer IT-Anbieter im Sinne einer «Coopetition» gemeinsam eine souveräne Cloud-Ökonomie aufbauen?

Wettbewerb ist wichtig – er sorgt dafür, dass die Qualität der Services hoch bleibt. Gleichzeitig können Anbieter zusammenarbeiten, um Standards zu setzen, statt isolierte Silos auf­zubauen. Eine souveräne Cloud-Ökonomie entsteht, wenn Plattformen interoperabel sind, Sicherheits- und Compliance-Frameworks gemeinsam genutzt werden und offene Schnittstellen bestehen. So bleibt jeder Anbieter eigenständig, und Kunden erhalten sichere, kompatible und verlässliche ­Lösungen.

 

Wie lassen sich Vorgaben des Regulators als ­Chance für eine souveräne und sichere Cloud-Nutzung verstehen statt als regulatorische Hürden?

Regulatorische Anforderungen und die Einhaltung von Datenschutzbestimmungen sind kein Hindernis, sondern ein Zeichen von Qualität. Wer diese Vorgaben in die Architektur integriert, gewinnt Vertrauen und kann sich so vom Wettbewerb abheben. In Swiss-Sovereign-Cloud-Umgebungen sehen wir Compliance als Teil unseres Selbstverständnisses. Sie sorgt dafür, dass Kunden uns langfristig vertrauen können – weil alles transparent und nachvollziehbar ist.

 

Wie kann eine Swiss Sovereign Cloud Innovation fördern, ohne durch Regulierung oder Protektionismus an Dynamik zu verlieren – oder anders gefragt: Wie müsste eine solche Regulierung aus­sehen, dass sie nicht als Hürde wahrgenommen würde?

Regulierung sollte klare Rahmenbedingungen schaffen, ohne neue Ideen zu bremsen. Wenn Transparenz und Nachvollziehbarkeit von Anfang an Teil der Architektur sind, entsteht Vertrauen – und genau das braucht es, damit Innovation funktioniert. Viele Branchen zeigen, dass nationale Vorschriften und internationale Wettbewerbsfähigkeit kein Widerspruch sein müssen. Wie im Silicon Valley zählt nicht nur die Technik, sondern auch die Art, wie Ressourcen verfügbar sind: flexibel, schnell und zuverlässig. So entsteht ein Umfeld, in dem Unternehmen Neues ausprobieren und gleichzeitig regulatorische Anforderungen einhalten können – echte Innovation, die funk­tioniert, nicht nur eine Marketingstory.

 

Welche Branchen sind besonders für die Nutzung einer Swiss Sovereign Cloud prädestiniert – und ­warum?

Neben der öffentlichen Verwaltung und dem Gesundheitswesen ist vor allem der nationale Finanzsektor ein Treiber. Dort ist der Druck am grössten: hohe Regulierung, sensible Daten und gleichzeitig der Anspruch, schnell Innovationen umzusetzen. Da will man genau wissen, wo die Daten liegen – und wer im Notfall Zugriff hat. Aber auch Industrie, Energieversorger und Technologieunternehmen ziehen nach. Überall dort, wo Vertrauen, Nachvollziehbarkeit und Stabilität entscheidend sind, wird eine souveräne Infrastruktur zu einem echten Erfolgsfaktor für langfristige, eigenständige Entwicklung.

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