Kolumne: Digitale Transformation der IT

Digitale Souveränität – schaut die Schweiz bloss zu?

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(Source: Pascal - stock.adobe.com)
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Die digitale Disruption ist längst zur Grundarchitektur unserer Welt geworden. Wer digitale Infrastrukturen kontrolliert, bestimmt Datenströme, Narrative und Handlungsspielräume. Während Europa – sichtbar auch am kürzlich in Berlin veranstalteten Summit zur digitalen Souveränität – eigene Modelle zwischen US-Hyperscalern und chinesischen Plattformen entwickelt, hält die Schweiz an der Hoffnung fest, der Markt regle alles. Dabei wird übersehen, dass dieser Markt längst global politisiert ist.

Wenn eine Gesellschaft ihre Kernprozesse (Energieversorgung, Gesundheit, Forschung, Mobilität, Finanzmarkt und weitere kritische Infrastrukturen) konsequent in fremde Technologie- und Datenökosysteme auslagert, entsteht ein neues Systemrisiko. Nicht nur "too big to fail", sondern "too foreign to control". Die Verbindung aus generativer KI, globalen Clouds und proprietären Plattformen schafft Abhängigkeiten, die sich demokratisch kaum noch steuern lassen. Kurzfristige Effizienz wird teuer erkauft mit dem Verlust langfristiger Optionen.

Die zentrale Frage lautet: Wer kontrolliert in zehn Jahren die digitalen Lebensadern unseres Landes? Wenn Kernsysteme und sensible Daten über ausländische Clouds oder proprietäre KI laufen, bestimmen externe Akteure, welche Dienste verfügbar sind und was im Krisenfall geschieht. So verliert die Schweiz schleichend Wertschöpfung, Know-how und Gestaltungsmacht. Digitale Souveränität wird damit zur technischen Anforderung. Ohne Kontrolle über Architektur, Datenräume und Betrieb gibt es keine echte Steuerungsfähigkeit.

Souveränität ist dabei keine Isolation, sondern die Fähigkeit, sicher und wertschonend zu teilen. Darum müssen wir fragen: Wer baut und betreibt unsere Infrastrukturen? Wer entwickelt die Datenräume, in denen vertikale KI für Energie, Gesundheit oder Finanzen skalieren kann? Wer setzt die Governance? Wenn wir es nicht tun, tut es jemand anderes. Entscheidend ist, wie Daten fliessen können, ohne dass Wert verloren geht. Vertrauen ist der Schlüssel – Vertrauen bringt Skalierung.

Digitale Souveränität muss verbindlich in Beschaffung und Architektur verankert werden: Datenlokalität, Exit-Strategien, offene Schnittstellen und auditierbare KI. Gleichzeitig müssen Staat und Wirtschaft wieder eigene Kompetenzen aufbauen, statt sich vollständig auf Managed Services zu verlassen.

Digitale Souveränität ist nicht die Verweigerung der Globalisierung, sondern ihre erwachsene Form. Die eigentliche Frage ist nicht, ob die Schweiz sich digital transformiert – das passiert ohnehin. Die Frage ist, ob sie dabei Subjekt bleibt oder Objekt fremder Strategien. Wer diese Frage vertagt, hat sie in Wahrheit bereits beantwortet. Für 2026 wünsche ich mir, dass die Schweiz den Mut findet, als aktiver Partner die Rahmenbedingungen für digitale Souveränität mitzugestalten.

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