Editorial

Macht E-Gov, nicht Blockchain!

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Christoph Grau, stv. Chefredaktor, Netzwoche. (Source: Netzmedien)
Christoph Grau, stv. Chefredaktor, Netzwoche. (Source: Netzmedien)

Mitte Mai hat der Kanton Zürich seine neue ICT-Strategie vorgestellt. Sie ist auf fünf Jahre angelegt und ersetzt die Vorgänger-Strategie, die noch aus dem Jahr 2008 (!) stammt. Der Kanton verspricht darin, mehr E-Government-Dienste für Bürger und Unternehmen bereitzustellen, um sie zu entlasten.

In der neuen ICT-Strategie finden sich auch einige Zukunftsvisionen. So will der Kanton etwas mit Blockchain und künstlicher Intelligenz machen. Was genau, schreibt er nicht. Vermutlich sind diese Begriffe nur aufgeführt, weil momentan alle darüber sprechen. Ich plädiere hingegen dafür, diese Themen erst einmal ruhen zu lassen und lieber ein richtiges ­E-Government umzusetzen. Denn davon ist der Kanton noch weit entfernt, wie ich regelmässig feststellen muss.

Der viel gepriesene E-Umzug funktionierte für mich, als Aus­länder, nur teilweise digital. Am Ende musste ich doch noch einen ­Bescheid ausgedruckt einschicken, den mir irgendein Zürcher Amt vor Jahren ausgestellt hatte. Warum kann die Behörde nicht einfach ­da­rauf zugreifen? Er liegt einem Amt doch bereits in digitaler Fassung vor ...

Bei der Veranlagung meiner Quellensteuer muss ich jedes
Jahr aufs Neue 30 Seiten umfassende Unterlagen per Post einreichen. Vom Lohnauszug über die Bestätigungen der Säule 3a bis hin zu den Zinsabschlüssen der Konten muss alles kopiert und der Antrag vollständig ausgedruckt und eingeschickt werden – anstatt die Dokumente einfach digital auf eine Server hochladen zu können. Denn die Erklärung erfasse ich ja zunächst digital, auf dem Steuerportal des Kantons Zürich. Vermutlich wird anschliessend der ganze Papierstapel bei einem Dienstleister des Kantons wieder eingescannt ...

Auch die Verlängerung meiner Aufenthaltsbewilligung verlief nicht anders. Ich musste wieder diverse Dokumente kopieren und ausgedruckt ein­reichen. Stossend war dies für mich beim Betreibungsauszug. Wo bestellt man den? Natürlich online auf der Web­site des Kreisbüros! Warum kann die Behörde den Auszug nicht selbst herunterladen und dies mir einfach in Rechnung stellen? Bei anderen Geschäften haben Behörden ja auch digital Zugriff, warum nicht hier?

Des Weiteren wollte die Ausländerbehörde eine Bestätigung von der Sozialbehörde, dass ich kein Sozialfall bin. Auch hier gibt es keinen Informationsfluss zwischen den Ämtern. Zumindest konnte ich die Bestätigung per E-Mail beantragen. Ich bekam sie, sogar kostenlos, später per A-Post zugeschickt. Ein PDF wäre schneller und günstiger gewesen. Idealerweise hätte ich das PDF gleich an die Ausländerbehörde per E-Mail weitergeschickt oder gemeinsam mit meinem Antrag digital übermittelt. Aber so weit sind wir, zumindest im Kanton Zürich, noch nicht.

Durch die unzähligen Medienbrüche verdient es der Prozess nicht, E-Government genannt zu werden. Im Bereich E-Government geht schon viel mehr, wie man etwa in Estland sehen kann. Die Behörden sollten sich endlich darum kümmern, die Medienbrüche zu beseitigen und Informationen untereinander digital auszutauschen. Auch vonseiten des Gesetzgebers gibt es hier noch viel zu tun, damit der Bürger entlastet wird. Wenn dies dann alles endlich funktioniert, dann kann sich der Kanton gerne um Blockchain, künstliche Intelligenz oder meinetwegen auch um den E-Franken kümmern! Doch davor gibt es noch viele, dringendere Hausaufgaben zu machen!

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