Neues Schlüsselprojekt und neues Gesetz

So digitalisiert der Bund die Sozialversicherungen

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von René Jaun und shu

Für 120 Millionen Franken will der Bund die zentrale Ausgleichsstelle modernisieren. Die neue Lösung soll mehr Automatisierung und neue Funktionen ermöglichen. Damit Bürger künftig ihre AHV- und IV-Daten digital einsehen können, schlägt der Bundesrat ein neues Gesetz vor.

(Source: b1-foto / Pixabay.com)
(Source: b1-foto / Pixabay.com)

Der Bund schickt die Sozialversicherungen in die digitale Transformation. Im September 2025 kündigten Bundesrat und Bundesverwaltung gleich mehrere entsprechende Vorhaben an. Mit 120 Millionen Franken ist die Modernisierung der zentralen Ausgleichsstelle das teuerste Projekt. Das Programm, welches von 2026 bis 2032 laufen soll, ist das neueste von insgesamt 21 Schlüsselprojekten der digitalen Transformation und Informatik. Als solches wird es von der Eidgenössischen Finanzkontrolle (EFK) regelmässig kontrolliert, wie der Bund mitteilt.

Mehr Automatisierung und neue Funktionen

Wie der Bund erklärt, führt die zentrale Ausgleichsstelle (ZAS) die Zentralregister der 1. Säule und zahlt monatlich AHV/IV-Renten an mehr als eine Million Empfängerinnen und Empfänger im Ausland aus. Diese Auszahlungen erfolgen über die Schweizerische Ausgleichskasse (SAK) und die IV-Stelle für Versicherte im Ausland (IVSTA).

Im Rahmen des Digitalisierungsprogramms will der Bund die aktuelle Informatikinfrastruktur durch eine einheitliche, modulare Lösung ersetzen. Diese soll die automatisierte Datenübernahme in die Informationssysteme, eine verstärkte Automatisierung der Verarbeitung sowie den Datenaustausch mit den Partnerinstitutionen und den Versicherten ermöglichen. Mit neuen Fachanwendungen werde digitale Leistungsverwaltung modernisiert. Dies erleichtere den Austausch und die Koordination der Meldungen mit den Kantonen und internationalen Partnern sowie die Unterstützung bei der Prüfung von Leistungsansprüchen, heisst es in der Mitteilung. Für einen sicheren und medienbruchfreien Datenaustausch sorge derweil die Integration moderner Schnittstellenstandards.

Vom Programm sollen nicht nur die Versicherungen selber, sondern auch deren Kundschaft profitieren. Dank der Modernisierung würden die Bearbeitungszeiten verkürzt und die administrativen Abläufe vereinfacht, sagt der Bund. Die ZAS könne "wirksam auf das Bevölkerungswachstum, die zunehmende Mobilität der Menschen und die steigende Zahl internationaler Austauschvorgänge" reagieren. Dank der Automatisierung und Digitalisierung werde die Servicequalität verbessert, während die Kosten überschaubar blieben.

E-Plattform für schnelle Auskünfte

Als weiteres Vorhaben will der Bundesrat Bürgerinnen und Bürgern ermöglichen, schnell und sicher Zugriff auf ihre Daten aus AHV und IV zu haben. Wer heute seine Daten überprüfen wolle, könne dies oft nur "mit einem erheblichen administrativen Aufwand und einer mehrwöchigen Wartezeit", schreibt der Bundesrat. Der Datenaustausch in den Sozialversicherungen der 1. Säule sei nämlich nicht automatisiert und die Kommunikation mit den Versicherten erfolge oft noch mittels PDF-Dokumenten oder in Papierform.

Abhilfe schaffen will der Bundesrat mit einem neuen Portal. Die "E-Plattform 1. Säule". Soll es Versicherten dereinst ermöglichen, sich sicher einzuloggen und ihre Daten einzusehen. So sollen sie etwa kontrollieren können, ob alle ihre Arbeitgeber die AHV-Beiträge bezahlt haben und ob Beitragslücken bestehen. Ebenso könnten sie eine automatisierte provisorische Berechnung ihrer AHV-Rente vornehmen, skizziert der Bundesrat weiter. Auf Papierverkehr könnte verzichtet und Entscheide – etwa über eine IV-Rente – digital übermittelt werden. Für Bürgerinnen und Bürger soll die Plattform freiwillig sein, während die Versicherungen jedoch zwingend elektronisch miteinander kommunizieren müssten.

Um eine solche Plattform einführen zu können, braucht es zunächst eine gesetzliche Grundlage. Ende 2023 bereits schickte der Bundesrat das entsprechende Bundesgesetz über Informationssysteme in den Sozialversicherungen (BISS) in die Vernehmlassung. Basierend auf den Rückmeldungen aus der Vernehmlassung und zwei parlamentarischen Vorstössen, passte er den Vorschlag an. Er weitete die Verpflichtung zur elektronischen Kommunikation über die 1. Säule hinaus auf weitere Sozialversicherungen aus, unter anderem auf die Kranken- und Unfallversicherer. Dagegen hält die Exekutive daran fest, dass die neue Plattform nur die 1. Säule umfassen soll. Die Entwicklung einer Plattform für alle Sozialversicherungen wäre mit erheblichen Risiken und Kosten verbunden, argumentiert die Regierung.

Parlament muss entscheiden

Die Investitionskosten für die E-Plattform und die integrierten digitalen Dienstleistungen beziffert der Bund mit 15 Millionen Franken. Die Kosten würden von den Ausgleichsfonds der AHV, der IV und der EO übernommen und belasteten somit das Budget des Bundes nicht, heisst es weiter. Längerfristig dürfte die Plattform Kosten sparen. Heute bezahlen die Ausgleichsfonds alleine Posttaxen im Umfang von jährlich 25 Millionen Franken. Zudem erhalten die Ausgleichskassen für Dienstleistungen wie zum Beispiel Rentenvorausberechnungen Verwaltungskostenzuschüsse aus dem AHV-Fonds von jährlich rund 10 Millionen Franken, wie der Bund anmerkt.

Die E-Plattform 1. Säule soll mit Inkrafttreten des Gesetzes und der Verordnungen für die Versicherten zur Verfügung stehen, frühestens 2028.

Noch ist das Gesetz nicht beschlossen. Die Botschaft zum Gesetz schickte der Bundesrat ans Parlament, welches darüber befinden muss.

Auch das Grossprojekt zur digitalen Transformation der zentralen Ausgleichsstelle muss das Parlament noch absegnen. Dem beantragte der Bundesrat einen Verpflichtungskredit von 66,1 Millionen Franken.

 

Deutlich über die ursprünglichen Kosten hinaus schoss ein E-Gov-Projekt von sieben kantonalen IV-Stellen. 2015 ging man hier noch von 10 Millionen Franken aus. Bis 2024 kamen weitere 26 Millionen Franken dazu, wie Sie hier lesen können.

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