BoSW 2013: Aufsteiger des Jahres

"Markenführung findet immer mehr im digitalen Raum statt"

Uhr | Aktualisiert
von Simon Zaugg

Hinderling Volkart hat es in der ewigen Bestenliste des Best of Swiss Web Award 2001 bis 2013 in nur vier Jahren auf den 4. Platz geschafft. Die Netzwoche hat die Mitgründer Michael Hinderling und Michael Volkart zum Interview getroffen.

Michael Volkart und Michael Hinderling haben am diesjährigen Best of Swiss Web Award je zwei Silber- und Bronze-Auszeichnungen gewonnen. (Quelle: Hinderling Volkart)
Michael Volkart und Michael Hinderling haben am diesjährigen Best of Swiss Web Award je zwei Silber- und Bronze-Auszeichnungen gewonnen. (Quelle: Hinderling Volkart)

Herr Hinderling, Herr Volkart, die IT-Branche jammert wegen des Fachkräftemangels. Wie sieht es bei Ihnen aus?

Michael Hinderling: Die Personalbeschaffung ist eine unserer grössten Herausforderungen. Seit einiger Zeit sind die Kundenanfragen stark gestiegen. In verschiedenen Bereichen waren und sind wir auf der Suche nach Verstärkung, die unseren Qualitätsansprüchen genügt. Im Kreationsbereich ist dies momentan in der Schweiz sehr schwierig. Bei den Entwicklern sieht es dagegen etwas entspannter aus.

Michael Volkart: Eine Herausforderung ist es auch, die Mitarbeiter zu halten. Es ist uns wichtig, dass sie sich hier wohlfühlen und sich mit der Agentur identifizieren. Eine transparente interne Kommunikation und eine flache Hierarchie sind uns wichtig. Wir investieren viel in die Unternehmenskultur.

Wenn Sie von Investieren sprechen - heisst das auch, dass Sie mehr bezahlen als die Konkurrenz?

Volkart: Wir wollen uns nicht durch einen hohen Lohn von der Konkurrenz abheben. Wir setzen auf ein flexibles Modell, das Mitarbeiter am Gewinn beteiligt. Sie haben zudem zum Beispiel fünf Wochen Ferien im Jahr und geniessen einige weitere kleinere und grössere Goodies. Ich schätze, dass es überwiegend Softfaktoren sind, dank derer die Mitarbeiter bei uns bleiben.

Welche Trümpfe haben rückblicken am besten gestochen, damit das Wachstum überhaupt erst möglich wurde?

Volkart: Für uns hatte es nie oberste Priorität, möglichst rasch viel Geld zu verdienen. Wir wollten von Anfang an Projekte realisieren, die Kunden und Nutzer begeistern. Hatten wir für ein Projekt einen Mehraufwand, war es uns zu Beginn wichtiger, dieses nach unseren Qualitätsmassstäben abzuschliessen, als dem Kunden alles verrechnen zu können. Mit der Zeit haben immer mehr Kunden gemerkt, dass es sich lohnt, in Qualität zu investieren. Davon können wir heute profitieren.

Wie hat sich denn Ihre Kundenstruktur entwickelt?

Hinderling: Am Anfang waren es viele kleinere Unternehmen, dann kamen allmählich KMUs dazu. Mittlerweile sind auch viele Grossunternehmen darunter. Als vor rund drei Jahren der Social-Media-Boom ausbrach, haben wir auch häufig Aufträge von traditionellen Werbeagenturen erhalten, die die Webkompetenz nicht im Haus hatten. Das hat sich dann aber relativ rasch geändert. Unterdessen kommen die Unternehmen direkt zu uns.

Was sind aus Ihrer Sicht die wichtigsten Entwicklungen der letzten Jahre bezüglich Webprojekten?

Volkart: Vor fünf Jahren ging es noch ausschliesslich um reine Websites. Die entscheidende Frage war: HTML oder Flash? Heute bestimmt Online den Takt für die Gesamtkommunikation und nicht mehr nur eine Ergänzung einer konventionellen Kampagne. Die Projekte sind somit komplexer geworden. Es gibt viel mehr Umsetzungsmöglichkeiten. Man interessiert sich stärker für die Konsumenten und die Nutzer der Plattform. Jeder kann ein Sender sein.

Hinderling: Nach der Social-Media-Welle sind wir heute in einer Phase, in der wir nicht genau wissen, wie es weitergeht. Es gibt viel mehr Kanäle, die man nutzen kann. Jeder wird gebraucht und getestet. Im Prinzip geht es heute darum, bei Kampagnen eine übergeordnete Zielsetzung und Strategie zu definieren. Man muss Inhalte generieren und Dialoge mit allen möglichen Stakeholdern ermöglichen.

Wie ziehen denn Ihre Kunden bei dieser Entwicklung mit?

Volkart: Wir stellen ein Umdenken fest. Seit rund einem Jahr bekommen wir vermehrt Anfragen für die gesamten Marketing- und Kommunikationsbudgets von Unternehmen, bei denen wir zum Teil gegen klassische Agenturen pitchen. Dahingehend haben wir uns Anfang des Jahres mit Fernando Perez und Livio Dainese personell verstärkt. Sie bringen sehr viel Erfahrung in der klassischen Werbung mit und haben in ihrer Laufbahn auch viele Onlineprojekte geleitet. Auf Kundenseite behandelte man das Web früher zudem primär auf traditioneller Projektbasis. Die Unternehmen hatten ein Budget für eine Website, die dann einige Jahre herhalten musste. Unterdessen haben die meisten Kunden ein laufendes Onlinebudget. Zudem beobachten wir auf Kundenseite Umstrukturierungen, indem vermehrt Fachkräfte mit breiter Onlineerfahrung die Marketingleitung übernehmen. Dies unterstreicht den Shift in der Kommunkationsbranche: Markenführung findet immer mehr im digitalen Raum statt.

Hinderling: Ein weiterer Trend ist, dass die Kunden sich verstärkt darum kümmern, was sie eigentlich wollen. Sie absolvieren Weiterbildungen und kommen mit einem erstaunlich hohen Wissensstand zur Agentur. Das war früher eher weniger der Fall.

Nützt Ihnen dieser hohe Wissensstand – oder schränkt es Sie eher in der Umsetzung ein, wenn die Kunden zu viel mitreden wollen?

Hinderling: Das Know-how auf Kundenseite ermöglicht einen Dialog auf einem sehr hohen Niveau, was eine grosse Chance für uns ist. Es steigt auch die Bereitschaft für innovative und mutige Lösungen. Gleichzeitig haben die Kunden auch höhere Erwartungen und wissen, nach welchen Messgrössen sie Onlinekampagnen beurteilen.

Volkart: Wenn der Kunde weiss, wo er hinwill und gleichzeitig offen ist für den Dialog, dann ist das eine sehr fruchtbare Basis für eine Zusammenarbeit.

Die Branche ist sehr dynamisch. Wie verhindern Sie, dass Sie nicht bald von einem noch dynamischeren Konkurrenten rechts überholt werden?

Hinderling: Dieses Risiko besteht immer. Nach sechs Jahren im Markt haben wir jedoch viel Erfahrung und Know-how gesammelt. Wir haben immer darauf geachtet, dass wir organisch wachsen und haben nicht auf einen Schlag zehn Mitarbeiter eingestellt, wenn wir ein Grossprojekt gewonnen haben.

Volkart: Das Schöne an unserem Markt ist, dass er derzeit wächst und dies wohl auch noch eine Weile tun wird. Das heisst, es hat Platz für viele gute Agenturen. Wenn Konkurrenten coole Projekte realisieren, freut uns das auch, weil dann die Qualität insgesamt steigt. Zudem zeigt dies den Kunden immer wieder von Neuem, was in diesen Kanälen alles möglich ist. Das ist dann auch für unser Geschäft gut. Ich stelle zudem fest, dass es unter den Agenturen eine freundschaftliche Kultur gibt.

Schauen Sie über die Landesgrenzen hinaus?

Hinderling: Ja, sehr intensiv. Wir beobachten die Trends sehr genau und lassen uns auch inspirieren. Unsere Kreativen sehen Dinge, die sie bei uns auch umsetzen wollen. Wir wurden auch schon oft gefragt, wieso wir nicht stärker international auftreten wollen. Wir überlegen uns schon, ob das für unsere Agentur Sinn ergibt.

Volkart: Auf der anderen Seite konnten wir auch Projekte realisieren, die über die Landesgrenzen hinaus wahrgenommen wurden.

Hinderling: Wir erhalten ausserdem viele Bewerbungen aus dem Ausland. Zu einem richtig grossen Projekt für einen ausländischen Kunden ist es bisher jedoch noch nicht gekommen. Diesbezüglich sind wir offen.

AUFSTEIGER DES JAHRES

Michael Volkart und Michael Hinderling haben sich 1999 an der F+F Schule für Kunst und Mediendesign kennengelernt, an der sie in den folgenden Jahren den Lehrgang für Grafik- und Mediendesign absolvierten. 2007 gründeten die beiden die Agentur Hinderling Volkart. Seit der Gründung wuchs die Agentur rasch und legte jährlich durchschnittlich um 4 auf heute 25 Mitarbeiter zu.

Michael Bischof (Leiter Backend und Partner seit Gründung) sowie Severin Klaus (Leiter Interaction Development und Partner) sind für die technischen Belange verantwortlich. Anfang 2013 stiessen zudem Fernando Perez und Livio Dainese, die zuvor Kreativdirektoren und Geschäftsleitungsmitglieder von Jung von Matt/Limmat waren, als neue Partner dazu. So soll der Schritt zur modernen Full-Service-Agentur vollzogen werden.

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