Interview mit dem Gründer von Deindeal.ch

"Online-Couponing ist ein Marketingkanal, der da ist, um zu bleiben"

Uhr | Aktualisiert
von Simon Zaugg

Im März 2010 gestartet, verkaufte Deindeal.ch bereits im vergangenen Juni 60 Prozent der Anteile an Ringier. Geschäftsführer und Gründer Amir Suissa will das Unternehmen weiterhin nachhaltig ausbauen, wie er im Gespräch mit der Netzwoche erläutert.

Amir Suissa setzt mit Deindeal.ch voll auf die Swissness-Karte. (Quelle: ADRIANBRETSCHER/HANGARPICTURES)
Amir Suissa setzt mit Deindeal.ch voll auf die Swissness-Karte. (Quelle: ADRIANBRETSCHER/HANGARPICTURES)

Herr Suissa, was beschäftigt Sie im Moment am meisten im Zusammenhang mit dem starken Wachstum von Deindeal.ch?

Sehr wichtig ist das Wachstumsmanagement ...

... Sie haben sehr viele Stellen ausgeschrieben.

Ja, derzeit sind es zwischen 20 bis 24 (Stand 27. September, Red.). Beim Wachstumsmanagement geht es darum, Strukturen und Prozesse ständig anzupassen. Ein Beispiel: Wir beschäftigen viele Praktikanten. Das heisst, dass die Fluktuation hoch ist, weil deren Anstellung zeitlich limitiert ist. Die Übertragung des Wissens auf neue Mitarbeiter ist also enorm wichtig. Dann müssen wir die Prozesse aufgrund des Wachstums insofern anpassen, als dass wir diese stärker strukturieren und standardisieren.

Wir können uns beispielsweise nicht mehr über die Tische hinweg zurufen, wenn es etwas zu sagen gibt, und doch müssen wir sicherstellen, dass der Informationsfluss funktioniert. Natürlich beschäftigen uns auch weitere Wachstumskanäle wie Facebook und Google, die sich ständig wandeln und immer wieder neue Optionen bieten. Oder wir fragen uns, wie wir unsere Nutzer­basis mithilfe anderer Kanäle wie TV, Radio oder Print weiter ausbauen können.

Da dürfte der Deal mit Ringier sicher nützlich sein. Hat sich denn seit dem Einstieg im Juni etwas Markantes geändert, zum Beispiel in der Unternehmenskultur?

Nein, wir sind weiterhin ein Start-up und bestimmen selbst, wie wir unser Unternehmen führen, wie wir Projekte oder unsere Nutzerbasis managen. Wir haben eine Roadmap, die eine klare Entwicklung bis Ende 2014 vorsieht – die Strukturen passen wir den Bedürfnissen an. Ziel dieser Roadmap ist es, Deindeal.ch als strategischen E-Commerce-Player aufzubauen. Was danach kommt, ist noch offen, doch die geplanten Szenarien sind auch für uns unternehmerisch sehr interessant.

Sie haben das Know-how-Management angesprochen. Ich nehme an, dass es bei der grossen Anzahl offener Stellen nicht so einfach ist, geeignetes Personal zu finden?

Wenn wir keine Schweizer finden, besetzen wir die Stellen mit Personen aus dem Ausland, die entweder schon da sind oder die wir gezielt im Ausland suchen. Es geht vor allem um IT-Fachkräfte, Produktmanager oder Onlinemarketing-Spezialisten. Besonders im Produktmanagement sind Spezialisten rar, die sich mit dem Webbusiness auskennen und auch Erfahrungen in Start-ups haben. Personen, die diese drei Kriterien erfüllen, sind nicht so einfach zu finden.

Rekrutieren Sie auch direkt an Hochschulen?

Ja, einerseits halten wir an Hochschulen Ausschau, andererseits auch an Start-up-Hotspots wie Berlin oder Barcelona.

Wie attraktiv finden Sie denn die Rahmenbedingungen für Start-ups in der Schweiz?

Einerseits ist die Schweiz bezüglich Fachkräfte, Lebenskosten sowie Löhne wenig attraktiv. Mit Berlin oder London können wir nicht ansatzweise mithalten. Andererseits haben wir mit der ETH Zürich eine renommierte Ausbildungsstätte vor Ort. Hier stehen wir aber in Konkurrenz mit Firmen wie Google, IBM oder den Grossbanken, die ihren Sitz in der Region haben und die besten Kandidaten umwerben.

Kommen wir zurück zur Plattform. Was waren die wichtigsten Entwicklungsschritte auf der Angebotsseite?

Am Anfang waren es vor allem Dienstleistungsanbieter aus den Branchen Beauty, Wellness, Gastronomie, Kultur und Events. Dann kamen Hotels und Reiseanbieter dazu. Zuletzt waren es ganz normale Consumer-Produkte. Es gibt fast nichts, was man nicht über unsere Plattform verkaufen könnte; ein Wochenende in Zermatt, eine Massage im Fitnesscenter oder auch ein Designersofa für zuhause. Damit bewegen wir uns im Rahmen der weltweiten Trends.

Dann sind es nach den Dienstleistungen im Moment vor allem Produkte, die boomen?

Ja, alle möglichen Produkte, die der Mensch im Alltag braucht – seien es Möbel, Kleider oder Vitaminpräparate.

Im Unterschied zu anderen Märkten sollen in der Schweiz vor allem hochpreisige Angebote erfolgreich sein. Können Sie das bestätigen?

Das ist sicher so. Das zeigt sich allgemein im Schweizer E-Commerce-Markt, in dem der durchschnittliche Wert der Warenkörbe markant höher ist als im Ausland. Das ist genau das, was den Schweizer Markt auch interessant macht, um nicht zu sagen: rettet. Würden die Schweizer gleiche Einkaufsmuster zeigen wie die Deutschen, wäre unser Markt viel weniger attraktiv. Zusätzlich tendieren Viel-Nutzer dazu, hochpreisige Angebote zu kaufen, weil sie gesehen haben, dass es funktioniert.

Warum ist gerade Deindeal.ch im Schweizer Markt so erfolgreich? Hat das damit zu tun, dass der internationale Marktführer Groupon die Schweiz anfänglich links liegengelassen hat?

Groupon ist ja auch nur knapp einen Monat nach uns gestartet (Deindeal.ch startete im März 2010, Red.). Trotzdem sind sie heute, gemessen am Umsatz pro Monat, hierzulande ungefähr drei bis fünf Mal kleiner als wir.

Was ist Ihr Erfolgsrezept?

Unsere Devise lautet, dass wir Schweizer Produkte von Schweizer Partnern für Schweizer Kunden anbieten. Wir sind sehr gut vernetzt im Schweizer Markt, man vertraut uns mehr als einem ausländischen Player.

Dann zählen also vor allem Swissness und die kulturelle Nähe?

Ja, wir zeigen das ja auch im Logo. Wir wissen besser als ein deutsches oder amerikanisches Unternehmen, was die Schweizer wollen. Das stellen wir auch immer wieder in unseren Messungen fest.

Beobachten Sie das Phänomen auch in anderen Ländern, dass ein lokaler Anbieter gegenüber internationalen Playern aufgrund der besseren Kenntnis der lokalen Gepflogenheiten im Vorteil ist?

In gewissen Ländern sicher. Doch viele Länder sind in dem Sinne ähnlich, dass es vor allem um die sogenannten Schnäppchen und um Billigangebote geht, da spielen die lokalen Kenntnisse weniger einer Rolle. Dagegen ist der durchschnittliche Coupon-Preis in der Schweiz deutlich höher als in den meisten anderen Ländern. Die User stellen hohe Ansprüche an Produkte und Dienstleistungen, und die Nachfrage nach qualitativen Deals ist entsprechend sehr hoch.

Wie stark spüren Sie denn Groupon?

Groupon ist ein Mitbewerber. Aber wir fokussieren uns nicht auf die Mitbewerber, sondern auf unsere Arbeit. Wir bieten gute Deals von guten Partnern an. Andererseits haben wir ein stark ausgebautes Netz an Affiliate-Websites, die unsere Deals promoten. Das ist etwas, was viele Konkurrenzplattformen nicht haben.

Was sind denn konkret Ihre Massnahmen zur Partnerbindung? Was ist entscheidend dafür, dass ein Anbieter wieder zu Ihnen kommt?

Wir setzen in jedem Fall auf nachhaltige Deals. Denn wenn der Partner zufrieden ist, dann funktioniert das Ökosystem und er kommt wieder. Nehmen wir ein Beispiel (schaut auf dem iPhone nach): 219 statt 438 Franken für eine Übernachtung zu zweit im modern-alpinen Design-Doppelzimmer im 4-Sterne-Europe-Hotel & Spa, Zermatt. Es sind jetzt gerade noch 42 Gutscheine verfügbar. Diese sind einlösbar bis zum 2. Dezember. Mit der terminlichen Befristung kann das Hotel die Auslastung genau planen und kassiert 70 Prozent seines Geldes dafür erst noch im Voraus. Zudem hat der Hotelier keine Zusatzkosten, weil das Hotel ja sowieso geöffnet ist und die Grundkosten da sind. Zusammengefasst heisst dies für den Anbieter: Kein Risiko, Geld im Voraus und – nicht zu vernachlässigen – der Werbeeffekt von hunderttausenden Impressions. Tausender-Kontakt-Preise in diesen Dimensionen wären für die meisten gar nicht bezahlbar.

Haben Sie auch ein Beispiel eines Deals, der gar nicht funktionierte?

Ja, vor ein paar Monaten war «Dä Bär» im Angebot, ein Partyunterhalter im Plüschbär-­Kostüm. Er tritt an Kindergeburtstagen, Firmen-­Anlässen oder Polterabenden auf. Für diesen Deal hatten wir leider kaum eine Nachfrage.

Unterscheidet sich Deindeal.ch technisch von anderen Couponing-Anbietern?

Wir sagen: Content is Core. Den Unterschied machen wir nicht mit der Technik, sondern mit dem Inhalt, der Qualität und Art der Deals, über das Angebot oder den Preis. Technisch setzen wir auf ein Open-Source-CMS. Natürlich bauen wir konstant neue Features ein oder lancieren neue Kanäle. Auch dadurch verschaffen wir uns einen Vorteil gegenüber unseren Mitbewerbern.

In welchem Umfang werden denn neue Features integriert?

Das kann man nicht so einfach in Zahlen ausdrücken. Es ist ein konstanter Prozess. Wir entwickeln bisherige weiter und arbeiten gleichzeitig an neuen Features, zum Beispiel neue Optionen für unsere Partner, im Back-End oder im Tracking-System. Oder wir arbeiten an unserem CMS, was letztlich den Konsumenten zugute kommt.

Entwickelt Deindeal.ch für besonders gute Partner spezielle Features?

Nein, das machen wir nicht. Bei der grossen Anzahl an Deals und den vielen verschiedenen Anbietern lohnt es sich nicht, für einen einzelnen Anbieter etwas zu entwickeln.

Wie schätzen Sie das Potenzial von Couponing für den B2B-Markt ein?

Es gibt einige Anbieter in den USA. Dagegen sehe ich in der Schweiz momentan nicht wirklich viel Potenzial, auch wegen der Grösse des Marktes.

Welche Entwicklungen im Onlinemarketing finden Sie besonders interessant, wenn Sie über den Bereich Couponing hinausschauen?

Google und Facebook sind heute primäre Kanäle für Onlinemarketing. Sehr interessant ist der Bereich Mobile mit den Möglichkeiten des App-to-App-Marketing oder dem MobileWeb-to-App-Marketing. Das Retargeting wird sehr wichtig, bei dem Besucher einer Website markiert und anschliessend anderswo mit gezielter Werbung wieder angesprochen werden. Dazu kommt das Realtime-Marketing, bei dem man zu einem bestimmten Zeitpunkt bestimmte Ads schaltet für Deals, die zu jenem Zeitpunkt live sind.

Das heisst, Sie müssen sehr vieles genau messen.

Es gibt die Weisheit: «What you can’t measure, you can’t manage.» Wir werten mittels End-­to-End-Tracking den Verlauf vom Ad-Text über den registrierten Nutzer bis hin zum Käufer und analysieren diesen am Ende. Dann analysieren wir die Kohorten der verschiedenen Quellen der User wie Google Brand, Google Display, Google Adwords, Facebook, Affiliates sowie weitere Kanäle und sehen haargenau, wo wir welche Deckungsbeiträge erreichen. Man bekommt damit insgesamt ein sehr gutes Gefühl dafür, wo man den Hebel ansetzen muss.

Sie haben von der Roadmap mit Ringier bis 2014 gesprochen. Wie geht es in nächster Zeit weiter?

Es ist sehr schwierig zu sagen, wo wir in einem oder zwei Jahren stehen werden. Es geht uns prinzipiell darum, unsere Firma nachhaltig aufzubauen. Solange die operative Führung bei uns liegt, wird sich daran nichts ändern. Die Kooperation mit Ringier eröffnet uns neue, spannende Optionen. Wir können unseren Partnern mehr Reichweite und bessere Konditionen anbieten. Wir haben zudem mehr Möglichkeiten im Brand-Marketing und sind letztlich auch finanziell besser aufgestellt. Wir stehen erst am Anfang dieser Online-Couponing-Modelle und es wird noch viele weitere evolutionäre Stufen geben. Ich bin überzeugt, dass dies ein Onlinemarketing-Kanal ist, der da ist, um zu bleiben.