Kanton Bern möchte Einheits-KIS für alle Spitäler – und sorgt für Stirnrunzeln
Mit einer Gesetzesrevision will der Kanton Bern eine digitale Gesundheitsplattform für Spitäler einführen. Doch während die Regierung das Vorhaben als Motor der Transformation anpreist, warnt der Verband Digitale Gesundheit vor einem Epic-Zwang und plädiert für einen Kurswechsel.

"Es ist ein Motor der Transformation für digital vernetzte, patientenzentrierte und zukunftsorientierte Gesundheitsversorgung." Mit diesen Worten begründet die Regierung des Kantons Bern ihr Vorhaben, eine digitale Gesundheitsplattform für den Kanton zu bestimmen und einzuführen. Die rechtlichen Grundlagen will sie mit einer Teilrevision des Berner Spitalversorgungsgesetzes (SpVG). Die Vorlage war im Sommer 2025 in der Vernehmlassung.
Kosten und Nutzen
Das revidierte Gesetz würde den Berner Regierungsrat ermächtigen, "eine solche Gesundheitsplattform zu bezeichnen und ein Klinikinformationssystem für diese Gesundheitsplattform festzulegen", wie es im Vortrag zum der Vernehmlassung heisst. Damit solle die Zusammenarbeit zwischen den (Listen-)Spitälern erleichtert, Synergien genutzt und letztlich die Effizienz gesteigert werden. Oder: "Konnektivität bietet die Chance, die fragmentierte Struktur des Gesundheitswesens zu überwinden, alle Akteure miteinander zu vernetzen und einen reibungslosen Datenaustausch zu gewährleisten."
Verpflichtend sei die Nutzung der Plattform nicht – oder zumindest nicht für alle, wie der Regierungsrat schreibt. Doch mit dem Gesetz erhielte er zumindest die Kompetenz, "Spitäler mit Mehrheitsbeteiligung des Kantons zum Anschluss zu verpflichten, um das Potenzial für eine versorgungsübergreifende Systemplattform im Kanton Bern auszuschöpfen". Andere Spitäler könne der Kanton finanziell bei der Migration unterstützen.
Die Kosten für den Aufbau der Gesundheitsplattform schätzt der Regierungsrat auf 11 Millionen Franken. "Die Kosten für die Migration der einzelnen Spitäler sind ebenfalls beachtlich", fügt der Kanton hinzu. Ausserdem müssten die Spitäler mit im Vergleich zu heute höheren Betriebskosten rechnen, denen aber wiederum ein Nutzen gegenüber stehe. So könnten etwa "durch Automatisierung und digitale Prozesse administrative und operative Kosten reduziert werden".
Epic für alle
Welches Klinikinformationssystem (KIS) der Berner Regierungsrat einführen möchte, scheint auch schon klar: Es wäre das Produkt des US-amerikanischen Anbieters Epic. Die Insel-Gruppe, die unter anderem Berns grösstes Spital betreibt, führte das System 2024 erfolgreich ein, wie Sie im Interview mit Tech-Chef Pascal Schär lesen können. Tatsächlich führte Bern das Projekt "Digitale Gesundheitsplattform" ehemals unter dem Namen "Epic as a Service". Man wolle nun die Möglichkeit schaffen, "das KIS der Insel Gruppe AG auf andere Spitäler auszurollen", schreibt der Regierungsrat im Vortrag.
Es gebe auch in anderen Kantonen Bestrebungen zur Einführung eines einheitlichen KIS, heisst es weiter. Namentlich verweist Bern auf den Kanton Luzern, dessen Kantonsspital Epic 2019 einführte und damit nachweisbare Effizienzsteigerungen verzeichnete. Das Waadtländer Unispital wiederum habe ebenfalls ein KIS ausgeschrieben, welches explizit alle öffentlichen Krankenhäuser umfasse. Allerdings ist gegen diese Ausschreibung eine Beschwerde vor Bundesgericht hängig.
Vendor-Lock-in und Kosten
Wie dem Vortrag zur Vernehmlassung zu entnehmen ist, führte der Kanton Bern parallel zum vorliegenden Vernehmlassungsverfahren eine Marktanalyse durch. Dies, um die Vorgaben des öffentlichen Beschaffungsrechtes einzuhalten. Nach Erhalt der Marktanalyse werde "das korrekte Vorgehen festgelegt und der Vortrag entsprechend überarbeitet".
Das Vorhaben des Kantons Bern kommt nicht überall gut an. In einer Mitteilung stellt sich der Schweizerische Verband Digitale Gesundheit (SVDG) dagegen: Die Vorlage drohe, zentrale Prinzipien von Wettbewerb, Transparenz und Beschaffungsrecht auszuhebeln und den Kanton in eine riskante Abhängigkeit von einem einzigen Anbieter zu führen, schreibt der Verband. "Dass das Gesetz verabschiedet werden soll, bevor eine unabhängige Marktanalyse vorliegt, ist aus Sicht des SVDG nicht akzeptabel und widerspricht den Grundsätzen einer fairen und nachhaltigen Digitalisierung im Gesundheitswesen."
Durch die Wahl des KIS-Anbieters Epic sieht der Verband ferner besonders gravierende Risiken für Datenschutz und Souveränität: Er verweist auf den US Cloud Act, durch den die sensibelsten Gesundheitsdaten der Bevölkerung "dem Zugriff von US-Behörden ausgesetzt" seien.
Ausserdem, argumentiert der SVDG, schwäche die Vorlage das kantonale IT-Ökosystem und stehe im Widerspruch zu nationalen Initiativen wie dem Elektronischen Patientendossier (EPD) und dem Programm DigiSanté.
Kritisches Feedback kam auch aus der Stadt Biel. Deren Gemeinderat warnt vor den steigenden IT-Betriebskosten, wie der "Blick" berichtet. Er fordert den Kanton auf, sich auch an diesen Kosten zu beteiligen.
Lieber offene Schnittstellen
Für einen grundlegenden Kurswechsel spricht sich der SVDG aus: Er fordert den Kanton auf, verbindliche, offene Standards für Datenformate und Schnittstellen festzulegen. So entstehe eine "digitale Datenautobahn", auf der die Spitäler das für sie passende KIS wählen können. Verbandspräsident Jürg Lindenmann kommentiert: "Die Antwort des Regierungsrats heute auf die Herausforderungen der Zukunft ist unhaltbar: Ein Monopol ist immer der falsche Weg. Echte Innovation entsteht, wo man bei Standards kooperiert, aber bei Produkten konkurriert. Der "Berner Weg" bietet die Chance, nicht nur einen unkalkulierbaren Fehler zu vermeiden, sondern den Kanton Bern als Vorreiter für eine moderne, bürgernahe und souveräne digitale Gesundheitsversorgung zu positionieren."
Derweil ist KIS-Anbieter Epic auch in anderen Kantonen umstritten. Wie die Luzerner Regierung das System verteidigt, lesen Sie hier. Und mehr zum Epic-Zuschlag des Zürcher Unispitals erfahren Sie hier.

Ein Vierteljahrhundert zwischen Hype und Disruption

Vom Pilotprojekt zur alltäglichen Hilfe – wie KI Verwaltungen wirklich entlastet

Digitale Identität in der Schweiz

So gelingt der Wechsel von VMware zu Proxmox

Studie stellt Wirksamkeit von Anti-Phishing-Schulungen in Frage

Aufs Auge gedruckt

Swiss Post Cybersecurity – Schweizer Präzision für digitale Sicherheit

Ein Klick, eine "Unterschrift"

Der bargeldlose Zahlungsverkehr wird fit für SCION
