"Wir haben die Gastfreundschaft der Schule in unseren Support integriert"
Die Hotelfachschule von Lausanne hat grosse Wachstumsambitionen. Um diese zu unterstützen, arbeitet Isidore Chirichiello, CIO der Schule, seit zwei Jahren daran, seine Informatikabteilung von Grund auf zu überdenken.

Herr Chirichiello, was zeichnet die Informatik der Hotelfachschule aus?
Ich kam zur Lausanner Hotelfachschule im Juli 2012, nachdem ich den grössten Teil meiner Laufbahn in der Industrie gearbeitet hatte. Etwas, was ich gleich zu Beginn feststellte und mich zwang, anders über Prozesse nachzudenken, war der Fokus auf Innovation. Die IT in der Industriebranche ist ziemlich durchstrukturiert: man konzentriert sich auf die Kostenreduktion, auf die Zentralisierung, auf das Offshore-Outsourcing, aber die Kreativität hat relativ wenig Platz. Bei der Hotelfachschule können wir hingegen Sachen ausprobieren. Wir haben zwar auch Budgetrestriktionen, aber wir reinvestieren alles in den IT-Betrieb. Abgesehen von den internen Diensten müssen wir den speziellen Ansprüchen der akademischen Welt im Bereich der Studienverwaltung, der Onlinedienste und des Supports gerecht werden.
Ich habe viele Studenten mit Mobilgeräten gesehen. Wie verwalten Sie all diese Geräte?
Tatsächlich nutzen die Studenten seit einigen Jahren immer mehr ihre eigenen Geräte. Den Zugangszahlen unserer 300 Hostpots zufolge hat jeder Student im Durchschnitt zwei bis drei Geräte, vom Smartphone bis zum tragbaren Computer. Aufgrund dieser Entwicklung haben wir die Kapazität der Hostspots in Bezug auf die Zahl der Zugänge und auch hinsichtlich des Datendurchsatzes erhöht. Auch werden wir die nächsten Monate eine Lösung für Single-Sign-on anbieten.
Zu welchen Dienstleistungen haben die Studenten von ihren Geräten aus Zugang?
Einerseits können sie eine Vielzahl von Studieninformationen via unser Intranet beziehen oder über unsere E-Learning-Plattform "Moodle", wo sie unter anderem ihre Kursunterlagen, ihre Programme, ihre Bewertungen für die Gruppenarbeiten und ein Quiz finden. Eine weitere Plattform stellt die Beziehung zwischen den Studenten und der Geschäftswelt mit Jobangeboten und Praktikaausschreibungen sicher. Wir arbeiten ausserdem an einem Projekt zur Vereinheitlichung unserer digitalen Plattformen und zur Entwicklung eines gemeinsamen CMS für die öffentliche Website, die Alumni-Website und das Intranet. Andererseits müssen die Studenten gewisse Applikationen mit ihrem Notebook nutzen können. Wir unterstützen den Einsatz virtueller Maschinen, damit sie eine Hotelverwaltungssoftware von ihrem Mac aus verwenden können. Schliesslich können die Studenten mit der Lösung Lync chatten oder Videokonferenzen von ihren Geräten aus durchführen. Aufseiten der Mitarbeiter nutzen wir diese Kommunikationslösung mit Office 365 bereits, auch für das Telefonieren.
Wie ist der technische Support für die Studenten organisiert?
Das ist eines der Projekte, das wir die letzten Jahre mit einem neuen Ticketing-Werkzeug erfolgreich abgeschlossen haben. Zuvor konnten die Studenten all ihre Anfragen an einen zentralen Schalter richten. Das System war chaotisch und die Wartezeiten waren lang. Wir haben das alte System nun mit vier Schaltern reorganisiert: einen für die Druckaufträge, zwei für schnelle Supportanfragen und einen weiteren für komplexere Anfragen nach Vereinbarung. Im Supportzentrum weisen sich die Studenten mit ihrer Karte an einer Identifikationsstation aus und wählen den Dienst, den sie benötigen. Sie erhalten ein Ticket mit ihrem Namen und der voraussichtlichen Wartezeit. Diese erscheint ebenfalls auf Bildschirmen ausserhalb des Zentrums. Dank dieser Massnahmen konnten wir die Wartezeit von 20 Minuten auf weniger als 3 Minuten reduzieren. Die Zufriedenheit der Nutzer wiederum stieg von 3,2 auf 4,2 von 5 Punkten. Um den Support zu verbessern, möchten wir zusätzlich ein kleines Programm auf den Geräten der Studenten installieren. Damit können wir einzelne Informationen und die Konfiguration nachverfolgen und die Geräte zu Supportzwecken auch fernsteuern. Auf diese Weise haben wir die Gastfreundschaft,
die unsere Schule auszeichnet, in unseren Support integriert.
2012 haben Sie die IT der Hotelfachschule Lausanne übernommen. Was waren damals die grössten Herausforderungen?
Es gab zahlreiche Herausforderungen. Die IT musste von verschiedenen Gesichtspunkten aus neu aufgebaut werden: im Hinblick auf ihre Organisation und ihre Steuerbarkeit, aber auch in Bezug auf die internen Kunden, die Architektur und das Sourcing. Nachdem die gesamte IT intern bewirtschaftet worden war, war man dazu übergegangen, alles externen Dienstleistern anzuvertrauen. Auf diese Weise war die IT nicht mehr in der Lage, den spezifischen Businessanforderungen gerecht zu werden. Wir mussten also gewisse Elemente wieder insourcen und bestimmte Kompetenzen wieder aufbauen. Auch haben wir wieder Projektleiter und Analysten eingestellt, zum einen, um die Verbindung zwischen Bedürfnissen und Lösungen sicherzustellen, zum anderen, um Ansprechpartner für unsere Dienstleister zu haben.
Was änderte sich bei der Architektur?
Als ich meine Arbeit begann, beruhte die IT auf drei Pfeilern: das System zur Studienverwaltung, das ERP und das CRM. Das Problem war, dass sich jeder dieser Pfeiler unabhängig von den anderen entwickelt hatte. Auf diese Weise waren Silos entstanden, die weder vollständig integriert noch je nach Lösung integrierbar waren. Gewisse Prozesse, wie die Zulassungen, wurden auf dem CRM Salesforce.com entwickelt. Wir mussten die Daten erst herunterladen, um sie danach in andere Systeme überführen zu können. Wir mussten also das ganze Konstrukt, an das sich kaum noch jemand heranwagte, erst zerschlagen, um den Datenaustausch automatisieren und vereinfachen zu können. Die Initiative für eine neue Unternehmensarchitektur wurde 2012 gestartet. Bei der Umsetzung der Strategie stützten wir uns auf eine Methodologie des MIT für Hochschulen und begannen, eine Analyse der geschäftlichen Zielsetzungen, der Businessprozesse, der Anwendungen und der Infrastruktur zu machen. Das ermöglichte uns, eine Karte der Prozesse und der Applikationen zu zeichnen, die die Prozesse unterstützen. Danach konnten wir eine Roadmap erstellen und eine Vereinfachung der Systeme auf der Grundlage von SOA in Angriff nehmen. Bei dieser kommt ein Katalog von Webdienstleistungen zum Einsatz, die auch im Intranet und auf mobilen Apps verwendet werden können. Diese Massnahmen haben uns ermöglicht, an Flexibilität und Kontrolle zu gewinnen und Anwendungen auszuliefern, die davor unvorstellbar erschienen.
Wo befinden Sie sich in diesem Transformationsprozess?
Ich würde sagen, dass 70 Prozent der Arbeit erledigt ist. Wir konnten 26 verschiedene Projekte fertigstellen, die von Unified Communications bis zum CMS reichen. Wir haben noch einige Arbeit im Zusammenhang mit unserem CRM zu erledigen. Danach werden wir erst in der Lage sein, gewisse Schlüsselprozesse zu anderen Applikationen zu verschieben. Wir überarbeiteten auch die Infrastruktur und verfügen nun über Server, die zu 90 Prozent virtualisiert sind, über ein revidiertes Netz und über neue, vollautomatisierte Storage- und Backup-Lösungen. Wir modernisierten ebenfalls die Verwaltung des PC-Bestands und die Distribution der Anwendungen. Darüber hinaus haben wir die Funktionsweise der IT massgeblich überdacht. Wir sind dabei zur Automatisierung der meisten operationellen Aufgaben und zur Implementierung der ITIL-Prozesse übergegangen. Wir planen auch eine Art Dashboard, das es erlauben soll, sowohl die Systeme als auch den Fortschritt der Projekte zu überwachen.
Welche grossen Projekte müssen noch realisiert werden?
Die bevorstehenden Projekte betreffen dieses Jahr das ERP, aber auch die digitalen Medien und den akademischen Bereich. Die Hotelfachschule wird sich verändern, und die Organisation und die Systeme müssen dieser Entwicklung folgen. Die Frage stellt sich auch im Falle der Integration unseres ERP Dynamics AX mit dem Programm Micros, das die Waren, die Restaurants und die Verkaufsstellen verwaltet. Gegenwärtig existiert keine Verbindung zwischen diesen Anwendungen, sodass der CFO jetzt noch gezwungen ist, Excel-Files zu importieren und zu exportieren. Um die Applikationen zu integrieren, werden wir einen Konnektor entwickeln oder Micros durch eine gleichwertige Lösung ersetzen müssen, die mit AX funktioniert. Parallel dazu werden wir Dynamics AX 2009 auf die Version 2012 migrieren. Dies wird eine komplette Neuorganisation der Businessprozesse erforderlich machen. Abgesehen vom ERP werden wir neue öffentliche Websites und das Intranet mit unserem neuen CMS in Betrieb nehmen. Verschiedene Laborprojekte sind ausserdem im Bereich des technischen Supports für den Unterricht vorgesehen. Schliesslich wirft der Umstand, dass wir Prozesse, die nicht wirklich mit der Kundenbeziehung zusammenhängen, auf andere Anwendungen transferieren, die Frage nach der Zukunft unseres CRMs auf. Wir könnten uns vermutlich für eine weniger kostspielige Lösung entscheiden. Schliesslich wollen wir unsere Business-Intelligence-Lösungen weiterentwickeln. Dank einer zentralen Datenstelle, die wir eingerichtet haben, können wir eine umfassende Herangehensweise und echte Steuerungswerkzeuge entwickeln.
Wie viel hat diese Transformation die Hotelfachschule von Lausanne gekostet?
Wir mussten das Budget 2013 deutlich erhöhen, um Investitionen tätigen, die Modernisierung der Systeme finanzieren und neue Mitarbeiter anstellen zu können. Unsere Kostenbasis ist allerdings nicht signifikant gestiegen. Vor allem sind wir viel effizienter geworden. Wir liefern die Projekte aus und erfüllen die Businessanforderungen. Unsere Architektur und unsere Prozesse erlauben uns ausserdem, die künftigen Entwicklungen der Hotelfachschule von Lausanne zu unterstützen. Bis 2020 wird die Schule über einen neuen Campus verfügen und fast doppelt so viele Studenten haben. Auch könnten andere Schulen übernommen werden, was eine Multi-Campus-IT zur Folge hätte. Wir treffen nun Vorbereitungen, um bestmöglich auf diese Entwicklung reagieren zu können.
Sie haben die Bedeutung der Innovation angesprochen. Können Sie Beispiele nennen?
Die Innovation betrifft besonders Anwendungen für die Studenten und die Unterrichtsmethoden. Wir testen zum Bespiel Tageslichtprojektoren, die den Dozenten erlauben, Anmerkungen auf den projizierten Bildern anzubringen und sie abzuspeichern. Wir haben ausserdem Anwendungen mit Touchfunktion auf interaktiven Samsung-Bildschirmen mit 1,5 Meter Durchmesser getestet. Wir stehen mit Apple in Cupertino in Kontakt. Zahlreiche grosse Anbieter sind daran interessiert, ihre Laborkonzepte mit anerkannten Schulen zu teilen, da diese ihnen später als Produktschaufenster dienen. Sie stellen uns ihre Technologien gratis zur Verfügung. Viele Fachhochschulen und Universitäten besuchen uns, um zu sehen, was wir eingerichtet haben.
Zur Person: Isidore Chirichiello
Isidore Chirichiello leitet seit Juli 2012 die IT der Hotelfachschule Lausanne. Er verfügt über mehr als zehn Jahre Erfahrung im Projektmanagement und in der Leitung von Informatikabteilungen auf internationaler Stufe. Von 2005 bis 2012 hat Chirichiello für die Schweizer Firmenich gearbeitet, zunächst als Verantwortlicher der globalen Operationen und des Outsourcings, dann als IT-Leiter für die EMEA-Region mit einem Team von mehr als 50 Mitarbeitern zur Betreuung von 3800 Nutzern.
Von 2003 bis 2005 leitete Chirichiello die IT-Abteilung der Laborgruppe Unilabs, die zum damaligen Zeitpunkt rund 1800 Mitarbeiter in gut 30 europäischen Ländern zählte. Davor arbeitete er mehr als zehn Jahre für Givaudan, unter anderem als Verantwortlicher für strategische Projekte auf globaler Stufe und für den Zulieferer Compaq/HP.
Chirichiello hat sich im Verlauf seiner Karriere beständig weitergebildet. Der diplomierte IT-Ingenieur FH absolvierte einen Executive MBA 2011 sowie davor ein Nachdiplomstudium in Management.
Hotelfachschule Lausanne
An der renommierten Hotelfachschule von Lausanne sind seit ihrer Gründung 1893 mehr als 25 000 Studenten ausgebildet worden. Heute zählt die Lausanner Hotelfachschule mehr als 2000 Studenten aus knapp 90 Ländern und beschäftigt mehr als 300 Mitarbeiter. Die Schule bietet drei Studienprogramme auf universitärer Stufe für Studenten an, die Spitzenkarrieren in der Hotellerie anstreben, sowie verschiedene Berufe des Gastgewerbes. Die Schule hat 2011 über einen strategischen Plan bis 2020 befunden, der unter anderem eine deutliche Erhöhung der Studentenzahl und eine Erweiterung des Campus vorsieht.

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