"Ich habe als Erstes damit begonnen, das Bild der IT im Unternehmen zu verändern"
Simon Marshall leitet die Informatik von Selecta. Im Interview erklärt er, wie er die Standardisierung innerhalb der Gruppe vorantreibt, und verrät, wie der Selecta-Automat der Zukunft aussehen wird.

Der 41-jährige Brite Simon Marshall arbeitet seit 2011 für Selecta. Er hatte im Unternehmen zunächst die Funktion des Head of Infrastructure inne und übernahm im Frühjahr 2013 die Leitung der Informatik. Davor arbeitete Marshall knapp drei Jahre als Head of Europaen ERP Development and Implementation beim Vermieter von Berufskleidung Alsco. Weitere Stationen umfassen Siemens, wo Marshall als IT Infrastructure Project Manager amtete, und Unilever, wo er zwischen 2001 und 2007 die Funktionen des Projektmanagers und des Senior Wintel Project Engineer innehatte.
Herr Marshall, die IT von Selecta soll die kommenden Jahre zentralisiert und standardisiert werden. Was haben Sie genau vor?
Ich habe die Position des CIO im April 2013 übernommen. Zu diesem Zeitpunkt existierte noch keine klar definierte IT-Strategie, die mit dem CEO Remo Brunschwiler und dem Führungsgremium abgestimmt gewesen wäre. Unser erstes Ziel war es also, eine Strategie für die IT zu entwickeln. Wir zogen dabei drei verschiedene Wege in Betracht und entschieden uns letztlich für die Zentralisierung und Standardisierung der IT. Der Vorstand bewilligte die IT-Strategie Ende Januar dieses Jahres. Bis Ende August planen wir ihre Umsetzung. Gegenwärtig laufen schon gewisse Prozesse, aber die technische Umsetzung der Strategie und der neue Betriebsmodus stehen für 2015 an. Voraussichtlich sollten wir bis Ende 2017 unser IT-Transformationsprogramm umgesetzt haben. Die neue Strategie umfasst eine Reorganisation der Infrastruktur und der Anwendungen. Dabei wollen wir so weit wie möglich alle Infrastrukturelemente und Kernapplikationen zentralisieren und standardisieren. Das übergeordnete Ziel der Strategie ist es aber, die IT zum internen Dienstleister des Business aufzubauen. Bisher hatte die IT einen etwas schlechten Ruf, im Sinne von «wir haben die IT, damit sie unsere PCs neu startet». Dass die IT auch eine Wertsteigerung im Kerngeschäft des Business erbringen kann, wurde nicht gesehen. Ich habe also als Erstes damit begonnen, das Bild der IT im Unternehmen zu verändern. Mein Ziel war es, dass die Mitarbeiter bei Selecta im Falle eines Problems nicht mehr glauben, dass sowieso nichts passiert, sondern das Gefühl haben, dass ihnen geholfen wird. Zwischenzeitlich konnten wir das Bild der IT revidieren, aber wir wollen uns noch zusätzlich verbessern. Dazu müssen die IT-Mitarbeiter wissen, was von ihnen erwartet wird, und auch ihr Dienstleistungsverständnis überdenken. Es ist jedoch einfacher, Prozesse und Systeme aufzubauen, als die Einstellungen eines Menschen zu ändern.
Was hat Sie dazu bewogen, eine Zentralisierung der IT in Angriff zu nehmen?
Selecta beschäftigt zirka 65 IT-Mitarbeiter, die auf 6 von insgesamt 21 Standorten verteilt sind. In der Schweiz befindet sich das Team, das für die zentrale Region, also Deutschland, Österreich, Ungarn, Tschechien, Slowakei, zuständig ist. Dann haben wir Mitarbeiter in Paris, die die IT des französischen Standorts betreuen, und Fachleute in Stockholm für die Standorte in Skandinavien und in den baltischen Ländern. Schliesslich haben wir noch IT-Mitarbeiter in Grossbritannien. Nun ist es so, dass jede dieser Regionen die IT bisher für sich selbst betrieb. Das führte dazu, dass jeweils drei oder vier Personen innerhalb der Gruppe an genau den gleichen Problemen arbeiteten und diese auf drei oder vier verschiedene Arten lösten. Diese Organisationsform ist unserer Ansicht nach ineffizient und erfordert mehr Ressourcen als eigentlich erforderlich wären. Die Zentralisierung der IT, die uns nun vorschwebt, wird aber nicht zwingend geografischer Art sein. Zur Diskussion steht unter anderem ein virtuelles Team, das über die geografischen Grenzen hinweg operieren würde. Es wird bestimmt an einem Standort ein Kernteam geben, wo, steht aber noch nicht fest. Wichtig ist, dass alle den gleichen Prozessen folgen. Das ist im Moment leider noch nicht der Fall, und bereitet mir am meisten Kopfzerbrechen. Manchmal ist es so, dass es den IT-Mitarbeitern nicht einmal bewusst ist, dass sie einem bestimmten Prozess folgen. Sie machen einfach das, was sie schon immer gemacht haben oder von dem sie glauben, dass es richtig sei. Auch in diesem Bereich muss sich die Einstellung ändern. Man kann nämlich nur dort Prozesse einführen, wo die Mitarbeiter verstehen, wieso es Prozesse gibt und warum man sie optimieren muss.
Wie wollen Sie die Prozesse standardisieren?
Wir müssen die Prozesse von Grund auf definieren, denn wir haben bisher keine Prozesse dokumentiert. Im Moment beschäftigt uns vor allem die Festlegung der Prozesse bei neuen Projekten. Bisher war es so, dass die Projektleiter bei der Realisierung eines Projekts keinem einheitlichen Prozess folgten. Das hatte auch Auswirkungen auf die Zusammenarbeit mit dem Business. In der Regel wurde die IT bei neuen Projekten sehr kurzfristig vom Business ins Boot geholt. Da die IT in diesen Fällen die Ressourcen nicht zum gewünschten Zeitpunkt bereitstellen konnte, wurde sie als «Showstopper » wahrgenommen. Ich versuche nun, dass die IT vom Business viel früher in Projekte eingebunden wird.
Wie sieht die Situation im Bereich der Applikationen aus?
Selecta ist seit 1957 durch Mergers und Acquisitions gewachsen. Das zeigt sich nicht zuletzt auch in unserer Applikationslandschaft. Wir haben gegenwärtig 15 verschiedene ERP-Systeme im Einsatz. Im Moment sind wir dabei, die unterschiedlichen Applikationen und ihre Funktionen in den Unternehmensprozessen in einer Applikationslandkarte zu erfassen. Anschliessend möchten wir ihre künftige Bedeutung evaluieren. Unser Ziel ist es, in den nächsten fünf Jahren ein und dasselbe ERP an allen Standorten einzusetzen. Ein wichtiger Grund für unser Standardisierungsvorhaben ist, dass die meisten ERPs, die gegenwärtig an den verschiedenen Standorten im Einsatz sind, von den Herstellern nicht mehr weiterentwickelt werden. Um neuen Anforderungen gerecht werden zu können, sind wir momentan noch gezwungen, unsere ERPs von Partnern weiterentwickeln zu lassen. Bei der diesjährigen Einführung der Single Euro Payments Area (SEPA) mussten wir verschiedene ERPs umbauen, weil sie nicht über die Funktionalität verfügten. Das war eine ziemlich umständliche und kostspielige Angelegenheit. Bei Systemen wie Movex oder Navision von Microsoft mussten wir einfach auf eine neuere Version migrieren oder einen Patch einspielen, und schon hatten wir die Funktion.
Wie ist Selecta hinsichtlich Datenspeicherung aufgestellt?
Im Moment betreiben wir für die 21 Standorte noch vier Rechenzentren. Vor zwei Jahren waren es noch sieben. In Zukunft möchten wir nur noch zwei haben, ein zentral gelegenes in Zürich und eines für Desaster Recovery in Paris. In diesen Rechenzentren sollen alle Applikationenserver untergebracht werden, während die Fileserver lokal bleiben. Das Rechenzentrum in Zürich haben wir erst kürzlich aufgebaut. Es ist nahezu komplett virtualisiert und besitzt den neuesten Flash-Speicher von IBM. Mein Head of Infrastructure freut sich sehr darüber, denn dieser Flash-Storage ist schon «State of the Art». Auch in anderen Bereichen wollen wir in Zukunft auf die neuesten Technologien setzen und nicht wie bisher fünf Jahre Verspätung haben. Das heisst aber nicht, dass wir die Infrastruktur alle sechs Monate ersetzen werden, auch wenn dass unsere Techniker gerne sehen würden.
Wie unterstützt Selecta die neuen Businessziele?
Die meisten Businessziele basieren auf IT. Wir arbeiten also an vielen Businessprojekten mit. Wir stellen die für Projekte benötigten Informationen zur Verfügung oder automatisieren oder optimieren bestehende Prozesse. Im Bereich der Automatisierung haben wir zum Beispiel einige unserer Automaten mit einer Onlineverbindung ausgestattet. Früher musste jeweils jemand telefonisch der Zentrale mitteilen, wenn ein Automat ausser Betrieb war oder bestimmte Produkte nachgefüllt werden mussten. Heute teilt der Automat diese Informationen der Zentrale mit. Im Bereich der Prozessoptimierung unterstützen wir die Aussendienstmitarbeiter mit der Berechnung der effizientesten Routen. Sie können die Standorte der Automaten eingeben und unser Programm berechnet dann, in welcher Reihenfolge sie am besten die Automaten aufsuchen. Auch haben wir die Aussendienstmitarbeiter vor drei Jahren mit einem neuen Handgerät ausgestattet, das unter Windows Mobile läuft. Für diese Geräte haben wir eine Lösung entwickelt, mit denen die Mitarbeiter die Automaten scannen können. Auf diese Weise können sie die vorhandene Geldmenge und die Verkaufsdaten erfassen und später via eine Schnittstelle in das ERP einspeisen. Gegenwärtig sind wir ausserdem dabei, die nächste Gerätegeneration für die Aussendienstmitarbeiter zu evaluieren. Diese wird wahrscheinlich auf Tablets basieren und zusätzliche Funktionen umfassen, damit die Mitarbeiter auch E-Mails und technische Dokumentationen ansehen können.
Wie sieht der Selecta-Automat der Zukunft aus?
Die Konsumenten werden in den Genuss neuer Verkaufsautomaten kommen, die sich visuell und in Bezug auf ihre Bedienung von der jetzigen Generation unterscheiden werden. Die neuen Automaten werden ein attraktives Design haben und hinter einer durchsichtigen Glasscheibe eine grössere Auswahl von Produkten zur Schau stellen. In Bezug auf die Bedienung wird ein neuer Standard auf der Grundlage von digitalen und Onlinetechnologien den Kaufprozess bestimmen: Digitale Bildschirme, Echtzeit-Kostenerstattungen, Verbindungen zu My-Selecta-Apps, kontaktloses Bezahlen zusätzlich zu den traditionellen Methoden und andere Funktionalitäten werden zu einer einmaligen Kundenerfahrung beitragen. Diese neue Erfahrung wird durch ergonomische Verbesserungen zusätzlich verstärkt werden. Die Automatenklappe wird sich automatisch öffnen und die Produkte auf einer bequemen Höhe von einem Meter freigeben. Damit wird das mühsame Bücken, um das Wechselgeld zu holen, und das einhändige Öffnen der Klappe der Vergangenheit angehören. Die neue Generation von interaktiven Automaten wird sich damit stärker an der digitalen Verhaltensweise der Kunden ausrichten. Nicht zuletzt werden die Automaten mit dem besten Sicherheitssystem, das auf dem Markt verfügbar ist, funktionieren. Dieses System reduziert die Vandalismusschäden und stellt sicher, dass die Konsumenten einen funktionierenden Automaten vorfinden, wann auch immer sie sich nach einem Snack oder einem Getränk sehnen.
Zur Firma
Der Schweizer Anbieter von Verpflegungsautomaten, Selecta, wurde 1957 von Joseph Jeger gegründet. Seit Juli 2007 ist die Selecta-Gruppe ein Unternehmen der Allianz Capital Partners. Selecta ist heute in 21 Ländern in Europa präsent und betreibt insgesamt rund 140 000 Verkaufspunkte, davon entfallen 27 000 auf die Schweiz. Der jährliche Unternehmensumsatz beträgt mehr als 740 Millionen Euro (rund 900 Millionen Franken). Europaweit beschäftigt die Gruppe über 4500 Mitarbeiter an den 250 Zweigstellen von Selecta.

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