Carte Blanche

Digitale Nomaden

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von Mitglied der Geschäftsleitung der Colygon AG

Kann ein iPhone 6 Plus einen Laptop ersetzen? Fast, wenn man nicht allzu komplexe Arbeiten verrichten muss. Doch es gibt einige Hürden zu überwinden.

Patrick Püntener, Mitgründer und Mitglied der Geschäftsleitung der Colygon AG
Patrick Püntener, Mitgründer und Mitglied der Geschäftsleitung der Colygon AG

Als sich vor drei Monaten mein altgedientes iPhone 4 aus seinem doch immerhin vierjährigen Dasein in Raten zu verabschieden begann, stellte sich für mich eine Grundsatzfrage. Liess ich mich bisher immer für möglichst kleine Geräte erwärmen – was für mich als Mikrotechnik-Ingenieur nicht weiter erstaunlich ist – sah ich mit dem erstmaligen Erscheinen grösserer Apple- Phones die Chance zu einem Experiment gekommen, das in der Vergangenheit schon andere gewagt hatten – zumindest mit Tablets. Die Gefahr, mich einer Reihe von Journalisten anzuschliessen, die über ihre Erfahrungen mit einem neuen Schreibwerkzeug berichten, besteht in diesem Fall nicht, bin ich doch kein Journalist.

Meine Anforderungen würde ich als "mittel" bezeichnen: Neben dem Verfassen von E-Mails und längeren Dokumenten muss ich Präsentationen erstellen und vortragen, Webseiten editieren, meinen auf Sharepoint basierenden digitalen Arbeitsplatz bedienen, über Lync, Webex und Go-To-Meeting kommunizieren, Termine inklusive Web Conferencing aufsetzen, Screencasts aufnehmen und editieren, Spesen abrechnen und Budgets erstellen und über VPN auf unser ERP zugreifen können. Nun ja, vielleicht sind das doch eher höhere Anforderungen an ein Smartphone. Mit dieser Erkenntnis beschloss ich, zuerst einmal eine Hülle zu erstehen.

Das Portemonnaie loswerden

Meine ursprüngliche Idee, diese auch gleich als Stütze einzusetzen, verwarf ich bereits nach den ersten Recherchen wieder. Zwar gibt es derartige Kombis, doch sind die meisten an Hässlichkeit kaum zu überbieten. Ausserdem machen sie das an sich schon grosse Gerät noch unhandlicher – genauso gut könnte man sich einen getrockneten Kuhfladen ans Ohr halten. Dafür reifte ein anderer Gedanke: das Portemonnaie loszuwerden. Nicht etwa durch den Kauf vieler teurer iPhone-Add-ons, sondern mit einer Hülle, die Platz für Kreditkarten und ein paar Nötli bietet. Denn wenn man schon etwas mit sich herumtragen muss, das nicht mehr im Hosensack Platz hat, dann doch mit dem schönen Nebeneffekt, wieder einen flachen Hintern zu haben. Und so kam es, dass ich meine minimalistische Brieftasche von Pok durch eine ansprechend designte Leder-Filz- Kombination von Hard Graft ersetzte. Vom schlichten Classic Case bis zum Mighty Wallet mit Platz für acht Karten werden verschiedene Ausführungen geboten. Quittungen erfasse ich seither mit einer App und werfe sie weg.

Das iPhone bürotauglich machen

Nächster Schritt: Das iPhone bürotauglich machen. Das Angenehme an einem Schreibtisch ist nicht, dass man beim Telefonieren seine Füsse hochlegen kann, sondern dass Tastatur und Bildschirm eine anständige Grösse haben. Das kann man in diesem Zusammenhang selbst von einem iPhone 6 Plus nicht behaupten. An den externen Bildschirm lässt sich das Phone am einfachsten über einen AV-Adapter anschliessen. Der ist klein, funktioniert immer – und im Gegensatz zu Apple-TV verzögerungsfrei. Unterwegs kann ich mich damit auch noch gleich an einen Beamer anhängen, wenn ich etwas präsentieren muss. Einziger Schönheitsfehler: Um sowohl VGA wie auch HDMI zu unterstützen, braucht man zwei verschiedene Adapter.

Auch bei der Tastatur wird man im Prinzip schnell fündig, lassen sich doch die meisten Bluetooth-Modelle benutzen. Jedoch sollte die Tastatur nicht nur einen guten Anschlag haben, sondern auch klein und mobil sein, damit ich unterwegs genauso schnell schreiben kann. Und sie muss, zumindest in meinem Fall, kleiner als 26 x 15 Zentimeter sein, denn ich habe bei Hard Graft im Vorbeigehen auch noch das neue Phone Pack abgestaubt. Das hat zwar meinen Bürokollegen Jürg in seiner Meinung bestärkt, das 6 Plus sei ein Frauenmodell, weil ohne Handtasche nicht einsetzbar, doch ich hoffe natürlich auch auf den Neidfaktor, ist damit mein Büro schliesslich auf ein Format kleiner als A4 geschrumpft. An namhaften Tastaturherstellern kommen für mich somit nur noch zwei infrage: Microsoft und Logitech – alle anderen führen keine derart kompakten Produkte. Zum einen ist da die Wedge-Tastatur, die mit Ach und Krach gerade so knapp reinpassen würde, zum anderen die brandneue Keys-to-go, die trotz extrem kompakter Masse (nur 242 x 137 x 6 Millimeter!) einen guten Anschlag verspricht und zudem auch noch wasserdicht ist. Letztere wird es werden, so sie denn erhältlich ist. Zumindest vorbestellt habe ich sie schon.

Erkenntnisse für die Softwareentwicklung?

Um also richtig loslegen zu können, fehlt mindestens noch die Tastatur, doch dann steht dem Experiment nichts mehr im Wege. Nicht zuletzt erhoffe ich mir davon auch neue Erkenntnisse, die in die Softwareentwicklung einfliessen können. Denn noch sind viele Fragen offen: vom ganz einfachen Problem, über den Browser ein Dokument aus dem Intranet zu öffnen, zu editieren und wieder zu speichern, ohne einen Handstand machen zu müssen, bis hin zur Situation, in der ich über Lync einen Call mache und plötzlich klingelt das Telefon. Davon mehr in einer anderen Ausgabe.