Netzneutralität

Das Internet für alle steht auf dem Spiel

Uhr | Aktualisiert
von Lukas Mettler

Derzeit wird in der Schweiz eine gesetzliche Verankerung der Netzneutralität diskutiert, um eine Basis für Verordnungen zu schaffen. Vor allem kleinere Inhaltsanbieter unterstützen diese Pläne, während Internetanbieter wie Swisscom und UPC Cablecom sich für eine Selbstregulierung aussprechen.

Netzneutralität ist in der Schweiz ein vieldiskutiertes Thema. Es geht dabei um die neutrale Übertragung von Daten im Internet und um die Frage, wie viel Einfluss die Internetanbieter auf diese Datenübertragung nehmen dürfen.

Doch nicht nur für Internetanbieter und Netzbetreiber stellen sich Fragen rund um das Thema. Auch auf dem politischen Parkett birgt es einiges an Diskussionsstoff. Der Zürcher Nationalrat (Grüne) Balthasar Glättli beispielsweise engagiert sich im Rahmen einer Motion für eine gesetzliche Verankerung der Netzneutralität.

Seiner Meinung nach wird diese in der Schweiz vor allem im Mobilfunkbereich verletzt. "Die Telkos dürfen ihre Macht als Monopolist über die letzte Meile nicht missbrauchen", so Glättli. Als Beispiel nennt er ein Mobilabo, das in Kombination mit Spotify angeboten wird. Der Datenverbrauch von Spotify wird dabei nicht vom Datenvolumen abgezogen. Dies bevorteile Spotify gegenüber anderen Musik-Streaming-Diensten und verzerre den Wettbewerb, erklärt der Nationalrat. "Gefährlich dabei ist, dass Telkos es sehr oft schaffen, dies als Mehrwert zu verkaufen und nicht als Diskriminierung von anderen", erklärt Glättli. Sie sagten einfach, es würden alle gleich behandelt und die Kunden erhielten noch etwas gratis dazu.

Regulierung oder Selbstregulierung?

Die grössten Schweizer Netzbetreiber, Swisscom, Sunrise, UPC Cablecom, Orange und der Verband Swisscable, vertreten - verständlicherweise – eine etwas andere Ansicht. Alle Nutzer könnten Inhalte, Dienste, Anwendungen, Hard- und Software nach ihrer Wahl benützen, schreiben die fünf Anbieter in einer gemeinsamen Stellungnahme. Keine Dienste oder Anwendungen würden gesperrt und die Informations- und Meinungsäusserungsfreiheit werde nicht eingeschränkt.

Ausserdem unterschrieben die fünf Unternehmen gemeinsame Richtlinien zur Handhabung eines offenen Internets. Diese verspricht Transparenz gegenüber den Kunden was die Kapazität der Internetdienste betrifft. Ausserdem wollen die Anbieter keine Dienste blockieren und für den Streitfall eine unabhängige Schlichtungsstelle einführen. Die Idee dieser selbstauferlegten Richtlinien der Internetanbieter wird zwar begrüsst, das konkrete Ergebnis erntet jedoch wenig Beifall. Glättli spricht von einem Etikettenschwindel, der die unterschiedliche Behandlung von Daten im Internet weiterhin explizit zulasse. Auch für Walter Zollinger, CEO der TV-Streaming-Plattform Teleboy, greifen die Richtlinien zu kurz (siehe Interview).

Der Bund indes erachtet zwar ein Selbstregulierungsmodell als durchaus interessant. Dies könne jedoch nur eine Regulierung verhindern, wenn sich dabei sämtliche Internetanbieter der Schweiz beteiligten, sagt René Dönni, Vizedirektor vom Bundesamt für Kommunikation (Bakom). Dies sei aber bisher nicht der Fall.

Gespaltene Meinungen in der Politik

"Im Oktober 2014 veröffentlichte das Bakom einen Bericht, um der Politik darzulegen, um was es beim Thema Netzneutralität überhaupt geht", erklärt Dönni. Der Bericht gebe aber keine konkreten Empfehlungen, sondern lege lediglich die Standpunkte der verschiedenen Stakeholder dar und ermögliche so eine gemeinsame Diskussionsgrundlage, so Dönni. Die Motion von Glättli zur gesetzlichen Verankerung der Netzneutralität wurde jedoch bereits zuvor vom Nationalrat gutgeheissen und wird in der kommenden Frühlingssession vom Ständerat bearbeitet. Zudem hat der Bundesrat im dritten Fernmeldebericht zur Revision des Fernmeldegesetzes Mitte November 2014 auf zwingende Transparenz plädiert. Allerdings hat er dem Thema Netzneutralität ansonsten keine Priorität gegeben.

Auch im Ständerat dürfte es für die Motion nicht einfach haben, sich durchzusetzen: Wie aus einer Umfrage unter den Parteien hervorgeht, sprechen sich SP, die Grünen, die Grünliberalen und die SVP für eine gesetzlich verankerte Netzneutralität aus. Die CVP gibt sich gegen aussen unentschlossen. Grundsätzlich spreche man sich für Netzneutralität aus, eine gesetzliche Regelung müsse aber noch diskutiert werden, heisst es. Allerdings hatten bei der Abstimmung im Nationalrat 89 Prozent der CVP-Nationalräte die Motion abgelehnt. Auch die BDP lehnte das Anliegen mehrheitlich ab, die FDP stellt sich gar geschlossen dagegen. "Technisch notwendige oder ökonomisch sinnvolle Differenzierungsmöglichkeiten sollten bei den angebotenen Fernmeldediensten grundsätzlich möglich sein", schreibt die wirtschaftsliberale Partei. Im von CVP und FDP geprägten Ständerat stehen die Chancen auf eine Annahme von Glättlis Motion demnach schlecht.

Expertendiskussion oder breite Masse

Doch nicht nur in der Schweiz, auch in der internationalen Politik ist das Thema präsent. In den USA und auch in der EU wird in hitzigen Debatten nach einer Lösung gesucht. Chile hat indessen 2014 als erstes Land die Netzneutralität gesetzlich garantiert. In Norwegen wurde bereits 2009 eine Branchenvereinbarung zur Netzneutralität abgeschlossen.

Trotz der elementaren Wichtigkeit der Netzneutralität für die Zukunft des Internets wird das Thema bisher aber vor allem von Experten diskutiert und hat die breite Masse noch nicht erreicht. Falls die Politiker, Unternehmen und Experten sich nach Schweizer Manier aufeinander zubewegen und eine Kompromisslösung finden, bleibt dies wohl auch so. In diesem Fall könnte das Thema branchenintern behandelt werden und würde für Unternehmen auch kein grosses Problem darstellen. Denn eine strikte Regulierung wird politisch kaum durchzusetzen sein. Im Falle von gröberen Verletzungen der Netzneutralität in der Schweiz wäre es aber vermutlich möglich, die Konsumenten politisch zu mobilisieren.

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