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Das digitale Portemonnaie auf dem Weg aus der Nische

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von Claude Settele

Um das Bezahlen per Handy gibt es seit Jahren einen Hype, doch Kunden greifen meist noch zu Bargeld und Karten. Nun bringen sich neue globale und nationale Player in Stellung, um dem digitalen Portemonnaie zum Durchbruch zu verhelfen.

Claude Settele, Freischaffender Journalist und Webdesigner. (Quelle: Claude Settele)
Claude Settele, Freischaffender Journalist und Webdesigner. (Quelle: Claude Settele)

Ohne Portemonnaie und Smartphone geht der moderne Mensch heute nicht aus dem Haus. Künftig soll das Handy reichen, sind die Anbieter von mobilen Payment-Lösungen überzeugt. Technisch hat das Smartphone das Zeug dazu, den Geldbeutel zu ersetzen, doch die angekündigte Revolution an der Kasse lässt auf sich warten.

In der Schweiz ist der Erfolg des mobilen Bezahlens noch bescheiden. Die Studie "Total Retail Switzerland 2015" von Price Waterhouse Coopers (PWC) zeigt, dass zwar gut 95 Prozent aller Erwachsenen ein Smartphone oder Tablet besitzen, dieses aber vor allem für Kaufvorbereitungen nutzen und nicht zum Zahlen. Als Gründe nennt PWC unbefriedigende Apps und Bedenken bezüglich der Privatsphäre.

Player aus vielen Branchen

Viele der bisherigen Lösungen waren an einen Handy-­Typ, eine Bank, einen Netzprovider oder eine Händlerkette gebunden. Ausser den Finanzdienstleistern versuchen auch Telkos, Handyhersteller, Detailhändler und Internet­riesen wie Facebook oder Paypal an der digitalen Wertschöpfungskette mitzuverdienen.

Nachdem einige Projekte gescheitert sind, streben nun mehrere Anbieter in einer zweiten Welle mit neuen Payment-Lösungen den Durchbruch an. Unter ihnen sind die IT-Schwergewichte Apple und Google, die globale Ambitionen haben. Apple Pay, das 2014 in den USA an den Start ging und auch in Grossbritannien lanciert ist, räumen Experten gute Erfolgschancen ein, ebenso wie dem kürzlich von Google lancierten Android Pay. Ebenfalls auf Android setzt das neu lancierte Payment-System Samsung Pay des grössten Handyherstellers.

Es ist nur eine Frage der Zeit, bis die IT-Riesen ihre Zahlungslösungen in weiteren Ländern einführen. Nun versuchen einheimische Player das Terrain vorher zu besetzen. Das Szenario dürfte ihnen nicht gefallen, künftig von globalen Playern abhängig zu sein. Was dies bedeuten kann, hat Swisscom erfahren. Sie stellt die 2014 lancierte Zahlungslösung Tapit mangels Erfolg ein. Als folgenreiches Handycap erwies sich Apples Entscheid, die NFC-Funktion der neuen iPhones für Apps von Dritten zu sperren. In der Schweiz bringen sich neue Promotoren der mobilen Geldbörse in Stellung, darunter zwei mit potenten Partnern. Die Lösung Paymit wurde Ende April vom Finanzdienstleister Six, der UBS und der Zürcher Kantonalbank gestartet, inzwischen unterstützen weitere Banken und Swisscom das Projekt. Zurzeit eignet sich die App aber nur für Geldüberweisungen unter Bekannten (P2P), die Initianten sollen aber das Bezahlen an der Ladenkasse anvisieren.

Bezahlen mit Mehrwert

Das zweite Projekt stammt von Twint, einer Tochter von Postfinance. Die M-Payment-Lösung ist im Rahmen einer Pre-Launch-Phase bei ersten Shops in Betrieb und wird Ende Oktober landesweit starten, unter anderem mit Coop, den SBB und Banken als Partnern. Twint setzt auf Bluetooth statt NFC und richtet sich damit auch an iPhone-Benutzer. Die digitale Geldbörse ist als offenes System konzipiert und bietet auch erweiterte Funktionen wie das Hinterlegen von Kundenkarten an. Solche Marketing- und Kundenbindungsfunktionen werden auch von den Grossverteilern Migros und Coop in hauseigenen Bezahl-Apps eingesetzt.

Auch Schweizer Start-ups versuchen ihr Glück mit Payment-Apps: mit der QR-Codes auswertende Lösung Muume und mit dem Payment-System Mobino. Experten gehen davon aus, dass sich mehrere Player durchsetzen werden. Im Rennen bleiben werden jene Lösungen, denen die Verbindung von Komfort, Mehrwert, Sicherheit und Präsenz an der Kasse am besten gelingt.

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