Customer Experience

Mit neuen Technologien zum Kundendienst der Zukunft

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von Lukas Hebeisen, Head of Technology & Digital Transformation, Swiss Post Solutions

Bei Banken oder Versicherungen ist das operative Tagesgeschäft oftmals noch von Medien­brüchen gekennzeichnet. Besonders im Backoffice. Aber es scheint spannender zu sein, die ­Customer ­Experience digital zu transformieren, als sich mit dem Backoffice auseinanderzu­setzen, wo sich der Effizienzgewinn wohl mehr auszahlen würde.

Der Kundendienst stellt eine wichtige Schnittstelle zwischen Unternehmen und ihrem Kundenkreis dar, die seit geraumer Zeit von digitalen Technologien geprägt ist. Dank des Internets können Kundinnen und Kunden heutzutage via E-Mail, Live-Chat oder über die sozialen Medien mit Unternehmen in Kontakt treten. Das Aufkommen neuer Kontaktkanäle und digitaler Technologien stellt Unternehmen allerdings auch vor neue Herausforderungen. Wie sollen die neuen Kontaktkanäle mit den bestehenden vernetzt werden, und wie können Unternehmen mit den neuen Datenformaten, die sie erreichen, umgehen und dabei eine nahtlose Customer Experience sicherstellen?

 

Operatives Geschäft versus digitale Kontaktkanäle

Die Digitalisierung ist in aller Munde. Im Zuge der digitalen Transformation investieren viele Unternehmen gezielt in innovative Technologien. Eine hohe Priorität haben dabei digitale Kontaktkanäle wie Apps, ansprechende Websites und Chatbots, die zum einen die End User Experience verbessern sollen und zum anderen die Unternehmen in das Licht eines digitalen und innovativen Unternehmens rücken. Währendem sich Firmen auf Investitionen in digitale Touchpoints konzentrieren, bleibt das Digitalisierungspotenzial im Backoffice oftmals unbeachtet. Wenig verwunderlich ist es also, dass gemäss dem Ernst & Young Bankenbarometer 2017 eine klare Mehrheit der Bankenchefs nach wie vor der Ansicht ist, dass ihr Geschäft im Kern bestehen bleibt und die Digitalisierung in erster Linie einen zusätzlichen Vertriebskanal darstellt.

Einen Gegenpol zu den vielen neuen und digitalen Vertriebskanälen bilden die Kernsysteme von Unternehmen wie Banken oder Versicherungen, die nach wie vor auf alten Architekturen der 70er- oder 80er-Jahre beruhen. Um Investitionen in Legacy-Systeme im Zaum zu halten, werden Applikationen, Kundeninterfaces oder Datenbanken gebaut, die in Altsystemen fehlende Funktionalitäten übernehmen, erweiterten Compliance-Regelungen gerecht werden oder neuen Produktregeln genügen.

Der Unterhalt dieser Altsysteme ist nicht nur teuer, sondern kann ein Unternehmen auch daran hindern, in der heutigen dynamischen Welt nachhaltig zu wachsen und sich vom Wettbewerb zu differenzieren. So kann die Einführung eines neuen Produkts oder eine 360-Grad-Sicht des Kunden ein Unternehmen schnell auf die Probe stellen. Denn mit zusätzlichen Systemen steigt die Komplexität der Abläufe. Die Lücke zwischen den Applikationen rund um die Kernsysteme schliessen manuelle Prozesse, die das Mithalten mit den durchgängig digitalen Angeboten von Playern wie Google oder Amazon massgeblich erschweren.

 

Backoffice: der von Papier und manuellen Prozessen geprägte Hinterhof der Unternehmen

Doch was unterscheidet diese Internetgiganten oder digital entstandene Unternehmen von traditionellen Firmen? Einer der Vorteile, den digitale Unternehmen mit sich bringen, ist die Unterstützung ihres operativen Geschäfts mit neuen Technologien. Facebook etwa setzt künstliche Intelligenz (KI) ein, um Daten richtig zu verknüpfen und zu analysieren und kann daraus Schlussfolgerungen über Vorlieben seiner Userinnen und User ziehen. So schafft es Facebook, seinen Benutzerkreis erfolgreich zu monetarisieren. Auch Netflix setzt KI ein. Mit dem Einsatz von "Meson" gelingt es Netflix vorherzusagen, was seine Abonnentinnen und Abonnenten schauen werden, bevor sie dies tun.

Bei Banken oder Versicherungen ist das operative Tagesgeschäft oftmals noch von Medienbrüchen gekennzeichnet. Obwohl Kunden, die per App ein Bankkonto eröffnen, sich per E-Mail beschweren oder online eine Hypothek abschliessen, heutzutage zur Tagesordnung gehören, wird nach wie vor viel online Versprochenes offline geboten.

Gemäss einer Studie von Namics erfolgt die Online-Kontoeröffnung bei traditionellen Instituten hauptsächlich noch offline und erfordert ergo x manuelle Eingriffe. Die online gestartete Customer Journey landet folglich als physischer Vorgang in einem Backoffice des Unternehmens. Der manuelle Bearbeitungsprozess verursacht erhebliche Wartezeiten durch Weiterleitungen an die korrekten Sachbearbeiter und deren Bearbeitung. Manuelle Prozesse sind zudem anfällig für Fehler, die auf falsch ausgefüllten Formularen oder fehlenden Unterlagen basieren. Inneffiziente Prozesse widerspiegeln somit unzureichende Serviceleistungen, negative Kundenerfahrungen und im ungünstigsten Falle, den Abbruch von Geschäftsbeziehungen.

Diese operationelle Ineffizienz schreit förmlich nach digi­talisierten Geschäftsprozessen. Doch welche Technologien sollen eingesetzt werden? Und mit welchen Prozessen sollte man ­starten?

 

Digitale Transformation von Geschäftsprozessen

Kundinnen und Kunden erwarten eine durchgängige Customer Experience, egal welchen Kontaktkanal sie nutzen. Personalisierte und zeitnahe Antworten sowie ein ausgezeichnetes Preis-Leistungs-Verhältnis gehören zu den Erwartungen. Dies erfordert die nahtlose Betrachtung der Geschäftsprozesse zum einen, die volle Transparenz über die Interaktionen an den einzelnen Kontaktpunkten und die Wahl der passenden Technologien. In diese Kategorie fallen die künstliche Intelligenz und Robotik. Gerade im Kundendienst, wo Sachbearbeiterinnen und Sachbearbeiter frei formulierte Texte von Kundinnen und Kunden bearbeiten, die über verschiedene Kontaktkanäle wie E-Mail, Nachrichten in sozialen Netzwerken oder Live-Chats erreichen, ist der Einsatz dieser Technologien unerlässlich.

Unternehmen, welche die digitale Transformation entschlossen vorantreiben, nutzen ausser den digitalen Kontaktkanälen erfolgreich auch den Automatisierungshebel. Frei formulierte Beschwerdebriefe oder Anfragen über Messenger-Anwendungen, in der Computerlinguistik als unstrukturierte Daten bezeichnet, werden von KI verstanden und kategorisiert. Anstelle von Schlüsselwörtern werden Muster erkannt, sodass Bedeutungskontexte, Intention und Sentiment und damit auch komplexe Anliegen verstanden werden. Aus unstrukturierten Daten werden also strukturierte Daten, die identifiziert werden können.

Die strukturierten Daten werden an Softwareroboter (auch Robotic Process Automation oder robotergesteuerte Prozessautomatisierung) weitergegeben, die auf "Wenn-dann-Funktionen" basieren. Sie arbeiten in einer vergleichbaren Art und Weise auf dem User Interface wie es ein Mensch tun würde und können etwa Informationen aus einem Formular kopieren und in eine SAP-Maske auf dem Bildschirm übertragen.

Nicht nur die Kundenzufriedenheit wird damit gesteigert, Unternehmen eröffnen sich durch den Einsatz von digitalen Technologien im Backoffice auch ganz neue Möglichkeiten. Technologien wie Robotic Process Automation und künstliche Intelligenz sind in der Lage, Prozesse zu durchleuchten, bieten Transparenz und eine solide Grundlage für eine gewinnbringende Datenanalyse. Effizientere Prozesse und damit eine verbesserte Marktpositionierung sind weitere mögliche Vorteile von KI und RPA.

Wieso also nicht zuerst die internen Geschäftsprozesse verbessern, bevor man in die digitalen Kontaktkanäle investiert? Die Customer Experience zu transformieren, indem man digitale Technologien anwendet, scheint spannender zu sein, als sich mit dem Backoffice auseinanderzusetzen. Allzu leicht verpassen Unternehmen dadurch die potenziell grössere Chance, ihre Backoffice-Prozesse zu automatisieren.

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