Ghosting, Zombie-ing, Parallel Dating und Co.

Die Digitalisierung verändert das Liebesleben in der Schweiz massiv

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von Werbewoche-Redaktion

46 Prozent der Schweizer, deren Partnerschaft innerhalb der letzten zwei Jahre entstanden ist, haben ihren Partner online kennengelernt. Dabei haben sie auch Erfahrungen mit Beziehungsphänomenen wie Ghosting oder Zombie-ing gemacht. Dabei handelt es sich aber nicht um spezifische Phänomene des Onlinedatings. Das zeigt eine umfassende Studie von Parship.ch.

(Source: Duri from Mocup / Unsplash)
(Source: Duri from Mocup / Unsplash)

Als die Onlinepartnersuche vor über 15 Jahren in der Schweiz aufgekommen ist, galt sie als etwas, das man eher heimlich nutzte und kaum darüber sprach. Mittlerweile ist diese Art der Partnersuche fest im Alltag verankert und liegt auf Platz eins auf dem Weg zur Liebe: 46 Prozent jener, die mit ihrem Partner innerhalb der letzten zwei Jahre zusammengekommen sind, haben diesen online kennengelernt. Dies zeigt die neuste Studie der Onlinepartnervermittlung Parship.ch, für die 1000 Frauen und Männer in der Deutsch- und Westschweiz im Alter von 18 bis 69 Jahren befragt wurden.

Betrachtet man die Resultate einschliesslich aller Partnerschaften, die bereits vor der Online-Partnersuche entstanden sind, hat sich jedes fünfte Paar in der Schweiz online kenngelernt; allen voran die 30-39-jährigen mit einem Anteil von 30 Prozent. "Hat man ein bestimmtes Alter erreicht, ist man einerseits beruflich eingespannt und verfügt andererseits über einen relativ fixen Freundes- und Kollegenkreis. Da lernt man im Alltag kaum neue Menschen kennen", erklärt Parship.ch-Psychologin Barbara Beckenbauer die Häufung. "Die Onlinepartnersuche eröffnet in diesem Fall einen naheliegenden und effizienten Weg, um einen passenden Partner zu finden."

Mehr oder weniger Druck durch digitale Medien?

Doch wie hat der Schritt von der Offline- zur Online-Liebe die Partnersuche verändert? Ist sie mit den digitalen Medien einfacher oder schwieriger geworden? Zu dieser Frage herrscht keine Einigkeit, wie die Studienergebnisse zeigen:

  • Frauen finden häufiger als Männer, dass das Äussere heute eine grössere Rolle spielt (68 Prozent vs. 55 Prozent), man heute mehr unter Druck steht, den perfekten Partner zu finden (54 Prozent vs. 44 Prozent), einer grösseren Konkurrenz gegenüber steht (49 Prozent vs. 41 Prozent) und Partnersuche heute schwieriger geworden ist (30 Prozent vs. 24 Prozent). Gleichzeitig finden 40 Prozent der Frauen, dass es mehr potenzielle Partner gibt (Männer 50 Prozent).

  • Vor allem die unter 29-Jährigen finden, dass die Partnersuche heute flexibler ist (74 Prozent), das Äussere eine grosse Rolle spielt (72 Prozent), man einer grösseren Konkurrenz gegenübersteht (54 Prozent), gleichzeitig aber auch mehr Verabredungen hat als früher (44 Prozent). Zudem habe man heute mehr Druck, den perfekten Partner zu finden (58 Prozent)

Dazu Parship.ch-Psychologin Barbara Beckenbauer: "Es ist gut möglich, dass der niederschwellige Zugang zu einer Vielzahl von Singles, die sich noch dazu von ihrer besten Seite zeigen, viele verunsichert, weil es ihren Wunsch nach Exklusivität und Langfristigkeit zu untergraben droht. Zumal alle Umfragen der letzten Jahre immer wieder das gleiche Bild zeigen: Die überwiegende Mehrheit der Menschen wünscht sich eine langfristige Partnerschaft mit den Werten Exklusivität und Loyalität, die auch vom Partner gefordert werden. Und zwar unabhängig von Geschlecht und Alter."

Wie sich Digitalisierung und flexibles Arbeiten auf die Gesundheit auswirken, lesen Sie im Interview mit Georg Bauer von der Uni Zürich.

In Bezug auf Beziehungsdauer und Art der Partnerschaft zeigen sich Frauen und Junge besonders kritisch:

Frauen finden häufiger als Männer, dass Partnerschaften leichtfertiger beendet werden (77 Prozent vs. 61 Prozent), man(n) heute höhere Ansprüche hat (67 Prozent vs. 57 Prozent), Partnerschaften eher kurzlebig (67 Prozent vs. 56 Prozent) und oberflächlich sind (54 Prozent vs. 40 Prozent). Auch die 18-29-Jährigen haben den ähnlichen Eindruck wie die Frauen: häufiger als die anderen Jahrgänge glauben sie, dass Partnerschaften leichtfertiger beendet werden (76 Prozent), diese deshalb auch kurzfristiger sind (72 Prozent), man heute mehr Partnerschaften hat (63 Prozent) und sich weniger festlegen will als früher (55 Prozent).

"Die gemeinhin postulierte Annahme, dass Partnersuche und Partnerschaften wegen der digitalen Medien heute oberflächlicher und schnelllebiger geworden sind, zeigt mehr die Sorge der Befragten auf, als dass sie der Realität entsprechen würde", sagt Parship.ch-Psychologin Barbara Beckenbauer.

Auch die Zahlen belegen klar, dass der allgemeine Eindruck in Bezug auf die kürzere Partnerschaftsdauer täuscht: Zwei Drittel der Paare, die sich online kennengelernt haben, sind zwischen 5 und 15 Jahre mit dem Partner zusammen. In diesen Zeiträumen übertreffen sie sogar die Zahlen der Offlinepaare. Bei denjenigen, die sich offline kennengelernt haben, sind Langzeitpartnerschaften von mehr als 20 Jahren am häufigsten (wobei ein Vergleich mit Onlinepaaren nicht möglich, da es Onlinedating vor 20 Jahren in der Schweiz nicht gab).

Beziehungsphänomene – neuer Wein in alten Schläuchen

Wer sich mit dem Thema Partnerschaft beschäftigt, kommt nicht um Schlagworte wie Ghosting, Benching oder Parallel Dating herum. Doch wie die Studie zeigt, handelt es sich dabei nicht um spezifische Onlinedating-Phänomene. Zumal Menschen, deren Partnerschaften schon über 15 Jahre bestehen (und somit nicht online entstanden sind), ebenfalls mit diesen Phänomenen Erfahrung gemacht haben – wenn auch seltener.

Ghosting (eine sich anbahnende oder schon feste Beziehung plötzlich und ohne Erklärung beenden, indem man den Kontakt abbricht)

  • Jeder und jede Fünfte ist schon mal "geghostet" worden (20, beziehungsweise 22 Prozent), genauso hat aber auch jeder fünfte Mann (19 Prozent) aber nur jede siebte Frau (14 Prozent) diese Taktik selbst angewendet. Am häufigsten ist es den 60-69- Jährigen passiert (25 Prozent), bei den anderen ist es jeder Fünfte. Selbst gemacht haben es am häufigsten die 30-39-Jährigen (21 Prozent).

  • Beziehungsdauer länger als 15 Jahre: 14 Prozent selbst passiert, 13 Prozent selbst gemacht

Zombie-ing (sich einige Zeit nach plötzlichem Kontaktabbruch wieder melden und so tun, als sei nichts gewesen)

  • Dies ist vor allem bei den U50 ein Thema: 25 Prozent von ihnen (bei den U29 sogar 30 Prozent) ist es schon passiert, 16 Prozent haben es schon selbst angewendet.

  • Beziehungsdauer länger als 15 Jahre: 13 Prozent selbst passiert, 9 Prozent selbst gemacht

Parallel Dating (mit zwei oder mehreren Menschen gleichzeitig ausgehen)

  • Ist bei den 18-49-Jährigen durchaus ein Thema (26 Prozent), selbst davon betroffen waren – mit Ausnahme der Ü60 – knapp jeder Fünfte

  • Beziehungsdauer länger als 15 Jahre: 17 Prozent selbst passiert, 18 Prozent selbst gemacht

Breadcrumbing (sich gerade häufig genug beim anderen melden, um Interesse vorzugaukeln)

  • Jeder fünfte Mann (21 Prozent vs. 14 Prozent Frauen) und jeder Vierte unter 29 (27 Prozent) hat es schon mal gemacht. Ebenso ist es 16 Prozent der Männer (Frauen 15 Prozent) und 22 Prozent der U29 selbst passiert.

  • Beziehungsdauer länger als 15 Jahre: 11 Prozent selbst passiert, 10 Prozent selbst gemacht

Cushioning (neben einer eigentlichen Beziehung noch romantische Verabredungen eingehen, um im Falle eines Falles eine Reserve zu haben)

  • Knapp jeder fünfte Mann (19 Prozent) gibt zu, nebst einer eigentlichen Beziehung noch andere romantische Verabredungen als "Reserve für den Notfall" unterhalten zu haben (Frauen 13 Prozent). Gerade bei den 30-39-Jährigen scheint diesbezüglich ein grosses "Sicherheitsbedürfnis" zu herrschen (23 Prozent).

  • Beziehungsdauer länger als 15 Jahre: 7 Prozent selbst passiert, 10 Prozent selbst gemacht

Auch wenn die Phänomene nicht neu sind, können sie verunsichernd wirken, wie Barbara Beckenbauer bestätigt: "Natürlich gibt es Menschen, die diese Möglichkeiten ausnutzen und dadurch das Vertrauen eines anderen missbrauchen. Doch die gab es schon immer, auch vor dem Internet. Und egal, wie wir es drehen und wenden – die meisten Menschen auf Partnersuche wollen einfach jemanden finden, mit dem sie die Zweisamkeit geniessen und eine gemeinsame Zukunft planen können."

Regionale Unterschiede bei der Veränderung der Liebe durch die Digitalisierung in der Schweiz

Wie hat der Schritt von der Offline- zur Online-Liebe die Partnersuche in den verschiedenen Landesteilen der Schweiz verändert? Ist sie mit den digitalen Medien einfacher oder schwieriger geworden? Deutschschweizer – und hier vor allem Nordwestschweizer, Zürcher und Ostschweizer (80 Prozent) – finden, dass die Online-Partnersuche heute flexibler ist als früher. Dem schliessen sich die Genfer von allen Schweizern am wenigsten an (42 Prozent).

Zürcher (66 Prozent) und Waadtländer (75 Prozent) finden am häufigsten, dass das Äussere heute eine grössere Rolle spielt. Waadtländer und Nordwestschweizer glauben am häufigsten, dass man heute mehr unter Druck steht, den perfekten Partner zu finden (60 Prozent).

In Bezug auf Beziehungsdauer und Art der Partnerschaft zeigen sich ebenfalls kantonale Unterschiede sowie unterschiedliche Ergebnisse für die Deutschschweiz und Westschweiz: Deutschschweizer (72 Prozent) und unter ihnen vor allem die Berner (79 Prozent) glauben viel häufiger als Westschweizer (60 Prozent), dass Partnerschaften heutzutage leichtfertiger beendet werden, dass man gegenüber früher höhere Ansprüche an einen Partner hat (Deutschschweiz: 66 Prozent, Westschweiz: 52 Prozent, Berner 79 Prozent) und man insgesamt mehr Partnerschaften eingeht (Deutschschweiz: 55 Prozent, Westschweiz: 48 Prozent, Berner 60 Prozent).

Nordwestschweizer sagen am häufigsten, dass die Partnerschaften insgesamt kurzlebiger geworden sind (76 Prozent, Deutschschweiz 64 Prozent, Westschweiz 54 Prozent) und man weniger kompromissbereit ist (63 Prozent, Deutschschweiz 53 Prozent, Westschweiz 51 Prozent). Vor allem Ostschweizer glauben, dass man sich heutzutage deswegen nicht so schnell festlegen will (63 Prozent, Deutschschweiz 53 Prozent, Westschweiz 44 Prozent).

Regionale Unterschiede bei den Beziehungsphänomenen:

Jeder vierte Nordwestschweizer hat schon geghostet (27 Prozent), am häufig passiert ist es Mittelländern und Zürchern (24 Prozent). Berner praktizieren das Ghosting am seltensten (9 Prozent) und haben es am seltensten erlebt (19 Prozent, zusammen mit den Wallisern 16 Prozent).

Beziehungsphänomne kommen am häufigsten in der Nordwestschweiz vor. 33 Prozent haben dort erlebt, dass sich jemand wieder gemeldet hat, als ob nichts passiert wäre. Auch das "Warmhalten" wird dort am häufigsten praktiziert (21 Prozent) und auch am häufigsten erlebt (23 Prozent). Mit Ausnahme von Genf passiert einem das aber eher in der Deutschschweiz als im Welschland.

Zürcher tendieren dazu, am häufigsten mit zwei oder mehreren Partnern auszugehen (33 Prozent). Waadtländer tun dies am seltensten (12 Prozent), doch geben sie am häufigsten an, dass es ihnen schon widerfahren ist (29 Prozent, Zürcher mit 16 Prozent unterdurchschnittlich). Genfer und Nordwestschweizer haben am häufigsten neben einer Beziehung noch eine weitere Romanze am Laufen (23 Prozent, beziehungsweise 22 Prozent). Genfer und Zürcher geben auch am häufigsten an, davon betroffen gewesen zu sein (21 Prozent, beziehungsweise 19 Prozent). Am seltesten findet man dieses Verhalten in Bern, ob aktiv (10 Prozent) oder passiv (5 Prozent).

Über die Studie

Die Studie wurde vom 5. bis 10. Juli 2019 vom digitalen Markt- und Meinungsforschungsunternehmen marketagent.com durchgeführt. Befragt wurden 500 Frauen und 500 Männer von 18 bis 69 Jahren in der Schweiz (Westschweiz, Raum Zürich, Raum Bern, Ostschweiz, Mittelland, Zentralschweiz, Nordwestschweiz und Graubünden).

Dieser Beitrag erschien zuerst auf Werbewoche.ch

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