Focus Automatisierung

Welche Rolle Roboter in der Briefverarbeitung der Post spielen

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Prozesse können auf allen Ebenen eines Unternehmens automatisiert werden. Die Post profitierte gerade in ­Corona-Zeiten von diesem Umstand. Welche Vorteile das Unternehmen aus der automatisierten Briefsortierung zieht und welche Rolle Roboter dabei spielen, erklären Walter Gygax, Leiter Prozessmanagement Annahme und Sortierung von Postmail, und ­Patrick Conte, Projektleiter Postmail der Schweizerischen Post.

Ein Unternehmen wie die Post muss auf vielen Ebenen möglichst reibungslos funktionieren. Gerade während der Coronapandemie war das eine besondere Herausforderung. Welche Rolle spielt die Automatisierung von Prozessen hierbei?

Walter Gygax: Während des Lockdowns hat es einen grossen Effort der Mitarbeitenden gebraucht. Die Automatisierung hat uns da geholfen, etwa bei der maschinellen Sortierung der Briefe in unseren Brief- und Logistikzentren. Wir konnten so unser Dienstleistungsangebot weitgehend aufrechterhalten. Um es etwas plakativ zu formulieren: Maschinen können sich nicht mit Corona infizieren. In den Briefzen­tren, wo viele Prozesse hochautomatisiert ablaufen, konnten die Abstandsregeln einfacher umgesetzt werden als in der Briefzustellung, wo mehr Handarbeit gefordert ist.

Welche Art von Automatisierungslösungen werden bei der Brief­sortierung eingesetzt?

Gygax: Mit dem Projekt REMA, kurz für "REengineering MAilprocessing", hat die Post vor zwölf Jahren die Briefverarbeitung weitgehend automatisiert. Seither bilden die drei Briefzentren Eclépens, Härkingen und Zürich-Mülligen das Herzstück der Briefverarbeitung in der Schweiz. Im Wareneingang, der Sendungsaufbereitung, dem Hochregallager, der Sortierung, bis zur Kommissionierung und zum Warenausgang, bei all diesen Prozessschritten kommen moderne Automatisierungslösungen zum Einsatz. Bindeglied zwischen diesen Stationen der Briefverarbeitung ist die Fördertechnik, ebenfalls hochautomatisiert. Zwischen 2012 und 2015 haben wir als weltweit erstes Postunternehmen unsere Sortieranlagen befähigt, die Sendungen direkt in die Reihenfolge der Hausbriefkästen zu sortieren.

Welche Rollen spielen Roboter und künstliche Intelligenz bei REMA?

Gygax: Roboter sind ein Kernelement der automatisierten Prozesse in den Briefzentren und werden in zahlreichen Bereichen eingesetzt. Zum Beispiel wird im Wareneingang ein Entladeroboter eingesetzt, im Hochregallager ein Hubbalken, im Sortierprozess ein Labeling-Roboter, in der Kommissionierung ein Querschiebewagen und im Warenausgang ein Beladeroboter. Die künstliche Intelligenz spielte hingegen noch keine Rolle bei der Realisierung von REMA.

Warum werden Prozesse gerade hier automatisiert? Was sind die Vorteile?

Gygax: Die Automatisierung der Briefverarbeitung hat der Post geholfen, die Stückkosten bei stetig sinkenden Briefmengen einigermassen konstant zu halten. Und damit auch die Briefporti.

Wo wurde in der Briefverarbeitung Ihres Wissens nach zuletzt eine Automatisierungslösung installiert? Und weshalb?

Patrick Conte: Seit Mitte des letzten Jahres führt die Post mehr Briefe der automatischen Verarbeitung zu. Anstelle der Vorsortierung von Hand in den Postfilialen erfolgt die sogenannte Sendungsaufbereitung maschinell in den Brief- und Logistikzentren. Diese dient dazu, die Sendungen auf den nächsten Schritt der Verarbeitung in den Briefzentren vorzubereiten. Die Sendungen werden dazu von Maschinen gestempelt, nach Format, Produkt und weiteren Erkennungsmerkmalen getrennt und in den entsprechenden Verarbeitungskanal gelenkt. Die Qualität der Sendungsaufbereitung beeinflusst die Einhaltung des Leistungsangebots der A- und B-Post entscheidend. Mögliche Fehler zu Beginn der Prozesskette lassen sich später nicht mehr korrigieren.

Wie sieht grob beschrieben die Reise eines Briefs von einer Post­filiale bis zur Haustür aus?

Gygax: Die Abgabe des Briefs in einer Postfiliale – aus unserer Sicht dessen Annahme – bildet den Startschuss seiner Reise. Unsere Mitarbeitenden in den Postfilialen leiten den Brief ins nächstgelegene Briefzentrum weiter. Im Wareneingang des Briefzentrums entladen Roboter zehntausende Briefbehälter, die per Bahn und Lastwagen ins Briefzentrum gelangen. Anschliessend gelangt der Brief in die sogenannte Sendungsaufbereitung, wo die Sendungen mithilfe modernster Maschinen nach Format sowie nach A- und B-Post getrennt, gestempelt und der Weiterverarbeitung zugeführt werden. Während A-Post Vorrang hat und sofort zur Sortierung gelangt, legt B-Post einen Boxenstopp im Hochregallager ein; sie wird tagsüber während freier Verarbeitungszeitfenstern verarbeitet.

Wie kann man sich das im Detail vorstellen?

Gygax: Die Sortierung beginnt mit der Aufteilung in Nah- und Fernbereich. Nahbereichssendungen bleiben zur weiteren Verarbeitung im gleichen Zentrum. Fernbereichssendungen werden für den zweiten Sortiergang ins zuständige Zentrum transportiert. Sendungen, welche die Maschine nicht verarbeiten kann, werden von Hand sortiert. Der Anteil manueller Sortierung ist allerdings klein, er beträgt nur noch rund 5 Prozent. Kann die Sortiermaschine eine Postleitzahl (PLZ) nicht lesen, gelangt der Brief für acht Sekunden in eine Warteschlaufe. In dieser kurzen Zeit wird die Adresse gescannt und elektronisch auf einen Bildschirm im Erfassungs- und Codierzentrum Chur oder Sitten übermittelt. Dort wird die PLZ von Mitarbeitenden manuell erfasst. Getrennt nach Destination werden die sortierten Sendungen für den Weitertransport bereitgestellt. Am Ende des Prozesses stellt die Post den Brief seinem Empfänger zu – bei A-Post bereits am Folgetag.

In welchem konkreten Fall hat die Automatisierung besonders spürbar positive Effekte mit sich gebracht?

Conte: Die Sendungsaufbereitung ist ein gutes Beispiel dafür. Es zeigte sich, dass die zentrale und automatisierte Aufbereitung der Briefpost einen positiven Effekt auf die Pünktlichkeit der Briefzustellung hat und eine Entlastung des Personals in den Postfilialen mit sich bringt. Der neue Prozess ist weniger fehleranfällig, und die Mitarbeitenden empfinden die Vereinfachungen als Zeitgewinn. Sie können ihre Zeit besser mit den Kundinnen und Kunden einsetzen, dort eben, wo es menschliche Gesichter braucht.

Gibt es denn auch Schattenseiten bei der Automatisierung von Prozessen?

Gygax: Die Schattenseite ist klar die Abhängigkeit von der Technik und von der Informatik. Aber in welchen Lebensbereichen ist das heute nicht der Fall?

Was meinen Sie zu der Aussage, dass die Automatisierung und ­Digitalisierung bestimmter Prozesse Arbeitsplätze kostet?

Gygax: Klar spart die Automatisierung menschlicher Tätigkeiten Arbeitszeit. Aber es fallen oftmals nicht jene Tätigkeiten weg, die Menschen auf Dauer gerne ausführen. So setzt die Post etwa seit 2018 in den Logistikzentren Genf, Kriens, Gossau und Cadenazzo beim Wareneingang den inhouse entwickelten Roboter "Ergonova" ein. Dessen Aufgabe ist es, die angelieferten Briefbehälter auf die Sortiermaschinen aufzuladen. Automatisiert also. Vorher mussten die Mitarbeitenden dies von Hand erledigen. "Ergonova" vereinfacht somit nicht nur den Sortierprozess in den Logistikzentren, sondern nimmt den Mitarbeitenden auch eine Traglast von etwa 8 Tonnen pro Tag ab, was auch gesundheitlich vorteilhaft ist. Automatisierung schafft Zeit und Platz für Tätigkeiten, bei denen es den Menschen braucht. Das muss unser Ziel sein.

Was glauben Sie, welche Bereiche, Arbeiten oder Prozesse werden in Zukunft noch automatisiert werden?

Conte: Im Briefzentrum Zürich-Mülligen nehmen wir aktuell eine neuartige Mix-Mail-Sortiermaschine in Betrieb. Dies, um die grosse Menge an importierten Kleinwarensendungen vor allem aus Asien sowie kleinerer Inland­pakete zu bewältigen. Mit der neuen Anlage wird die Post in der Kleinwaren- und Paketverarbeitung die neuste Technologie einsetzen, um dem Kunden den bestmöglichen Service zu bieten.

Welche Arbeiten und Prozesse werden wohl nie automatisiert werden? Wo bleibt die menschliche Arbeitskraft bestehen?

Gygax: Auch weiterhin werden unsere Mitarbeitenden die Maschinen bedienen. In den Briefzentren der Post wird es immer Menschen brauchen. So beschäftigt die Post in der Briefsortierung aktuell rund 3000 Mitarbeitende schweizweit. Auch unseren über 11 000 Zustellern dürfte die Arbeit so rasch nicht ausgehen. Denn die Post entwickelt ihr Kerngeschäft laufend weiter und spielt dabei ihren Trumpf aus, dass die Pöstlerinnen und Pöstler an sechs Tagen pro Woche persönlich an praktisch jeder Haustüre der Schweiz präsent sind. Mit zusätzlichen Dienstleistungen wie etwa dem Bringen von frischem Brot vom lokalen Bäcker entspricht die Post dem Kundenbedürfnis nach Angeboten auf Abruf und vereinfacht dadurch das Leben ihrer Kundinnen und Kunden zuhause. Solche Dienstleistungen dürften auf absehbare Zeit weiterhin von Menschen erbracht werden.

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