Untersuchung der Stanford University

Warum Zoom und Co. Meeting-müde machen

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von Leslie Haeny und ebe

Für viele sind Onlinemeetings bereits seit einigen Monaten Alltag. Aber Zoom, Microsoft Teams und Google Meet machen Nutzerinnen und Nutzer müde. Ein Kommunikationsprofessor der Stanford University hat vier Gründe identifiziert, weshalb das so ist und sagt, was man gegen die Zoom-Fatigue tun kann.

Zoom und Co. machen Meeting-müde. (Source: Thought Catalog / Unsplash)
Zoom und Co. machen Meeting-müde. (Source: Thought Catalog / Unsplash)

Allen, die bereits seit mehreren Wochen, Monaten oder sogar bald einem Jahr im Homeoffice arbeiten, dürfte es aufgefallen sein: Digitale Meetings sind irgendwie anstrengender als das bisher übliche Zusammensitzen im Besprechungsraum. "Beliebte Videochat-Plattformen haben Designfehler, die den menschlichen Geist und Körper erschöpfen", bestätigt die Stanford University dieses Phänomen. Kommunikationsprofessor Jeremy Bailenson untersuchte die Zoom-Fatigue, wie auf der Newsplattfomr der Universität zu lesen ist.

Auch wenn sich Bailenson bei seiner Untersuchung auf Zoom und dessen Funktionen beschränkte, tritt das Phänomen auch bei anderen bekannten Videochat-Plattformen auf. Der Professor identifizierte vier Hauptgründe, weshalb Zoom Nutzerinnen und Nutzer ermüdet.

Übermässiger Augenkontakt

Sowohl die Menge an Augenkontakt, die wir bei Videochats haben, als auch die Grösse der Gesichter auf dem Bildschirm ist unnatürlich. In einem normalen Meeting schauen die Teilnehmenden den Sprecher oder die Sprecherin an, machen sich Notizen oder schauen woanders hin. "Aber bei Zoom-Anrufen schaut jeder jeden an, die ganze Zeit", schreibt die Stanford University. Auch wenn man bei einem Meeting selbst nie das Wort habe, würde man trotzdem von zahlreichen Augenpaaren angesehen. "Soziale Angst vor öffentlichem Sprechen ist eine der grössten Phobien, die es in unserer Bevölkerung gibt", wird Bailenson zitiert.

Eine weitere Stressquelle ist, dass Gesichter bei Videokonferenzen je nach Monitorgrösse zu gross erscheinen können. "Wenn es sich um ein persönliches Gespräch mit Kollegen oder sogar Fremden handelt, sehen Sie das Gesicht in einer Grösse, die den persönlichen Raum simuliert, den Sie normalerweise erleben, wenn Sie mit jemandem in einer Beziehung sind", so Bailenson.

Der Kommunikationsexperte empfiehlt darum, die Grösse des Zoom-Fenster zu minimieren, sodass der Eindruck von mehr Distanz zu den anderen Meetingteilnehmenden entsteht.

Sich selbst ständig sehen

Auf den meisten Videochat-Plattformen sieht man sich selbst auch. Aber das ist unnatürlich. "Wenn Sie in der realen Welt jemand ständig mit einem Spiegel verfolgen würde - sodass Sie sich selbst sehen, während Sie mit Leuten sprechen, Entscheidungen treffen, Feedback geben, Feedback bekommen - wäre das verrückt", zitiert die Stanford University Bailenson.

Laut dem Wissenschaftler ist es nicht nur anstrengend, sich ständig selbst im Spiegel - oder in diesem Fall auf dem Monitor - zu sehen. Es habe auch negative emotionale Folgen. Er rät Zoom-Nutzerinnen und -Nutzern daher dazu, die Schaltfläche "Selbstansicht ausblenden" zu verwenden.

Eingeschränkte Mobilität

Bei persönlichen Gesprächen und beim Telefonieren kann man herumlaufen und sich bewegen. Aber bei Videokonferenzen haben die meisten Kameras ein festgelegtes Sichtfeld, was bedeutet, dass eine Person im Allgemeinen an der gleichen Stelle bleiben muss. Die Bewegungsfreiheit ist auf eine Weise eingeschränkt, die nicht natürlich ist. "Es gibt immer mehr Forschungsergebnisse, die besagen, dass Menschen, die sich bewegen, kognitiv besser abschneiden", sagt Bailenson laut Stanford University.

Die Lösung: Mehr über den Raum nachdenken, in dem die Videokonferenz stattfindet, wo die Kamera positioniert ist und ob Dinge wie eine externe Tastatur helfen können, Distanz oder Flexibilität zu schaffen. Eine externe Kamera, die weiter vom Bildschirm entfernt ist, würde es beispielsweise ermöglichen, in virtuellen Meetings genauso hin und her zu laufen und Dinge aufzuzeigen, wie wir es in realen Meetings tun. Auch regelmässige Meetingpausen können laut Bailenson helfen, genügend Bewegung zu erhalten.

Höhere kognitive Belastung

Laut dem Kommunikationsprofessor geht die nonverbale Kommunikation bei einem Gespräch von Angesicht zu Angesicht ganz natürlich vonstatten. In Videochats müsse man sich hingegen anstrengen, um nonverbale Signale zu senden und zu empfangen. "Sie müssen sicherstellen, dass Ihr Kopf in der Mitte des Videos eingerahmt ist. Wenn man jemandem zeigen will, dass man ihm zustimmt, muss man übertrieben nicken oder den Daumen nach oben strecken", wird er zitiert. "Das erhöht die kognitive Belastung, da man mentale Kalorien verbraucht, um zu kommunizieren", fügt Bailenson an.

In Videomeetings passieren nämlich auch viele Gesten, die gar nicht an die Meetingteilnehmenden gerichtet sind. Vielleicht stellt die Katze bei jemandem gerade einen Blödsinn an, weswegen sich diese Person vom Bildschrim abwendet oder plötzlich verärgert dreinblickt. Oder ein Teilnehmer oder eine Teilnehmerin ändert das Bildschirmlayout, weshalb er oder sie schnell mit dem Blick hin und her wandert.

Man sollte sich darum während längerer Besprechungen eine "Nur-Audio"-Pause gönnen. "Das bedeutet nicht nur, dass Sie Ihre Kamera ausschalten, um eine Pause von der nonverbalen Aktivität zu machen, sondern auch, dass Sie Ihren Körper vom Bildschirm wegdrehen", erklärt der Professor.

Auch Mystery-Shopperin Astrid T. verbringt momentan viel Zeit am Bildschirm und in Videomeetings. Damit sie dabei ein gutes Bild abgibt, machte sie sich auf die Suche nach einer neuen Webcam. Dass sie den Onlinehändlern dabei ein unlösbares Rätsel aufgibt, war ihr nicht bewusst.

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