SPONSORED-POST Digitale Selbstbestimmung

Open Finance – Warnfinger und Gretchenfrage

Uhr
von Sven Biellmann, Product Manager API/Open Finance Lead, Finnova

Der Druck auf Banken und Versicherungen steigt, einen für Bankkundinnen und -kunden sicht­baren «Open-Finance»-Anwendungsfall umzusetzen. Finanz- und Versicherungsinstitute haben wohl die letzte Chance erhalten, die digitale Selbstbestimmung der Kundinnen und Kunden in ­eigener Regie zu stärken. Die Uhr tickt; der marktgetriebene Ansatz steht auf der Probe.

Sven Biellmann, Product Manager API/Open Finance Lead, Finnova. (Source: zVg)
Sven Biellmann, Product Manager API/Open Finance Lead, Finnova. (Source: zVg)

Im Dezember 2022 haben sich der Bundesrat und das Staatssekretariat für internationale Finanzfragen (SIF) zum Thema Open Finance geäussert. Beide zeigen sich über die langsame Entwicklung, die Kundenschnittstelle zu öffnen, nicht sonderlich erfreut. Zudem fehlt ihnen die Verbindlichkeit. Sollte sich die Finanzbranche bis im Juni 2024 nicht ausreichend für die Öffnung der Kundenschnittstelle engagieren, werden Vorgaben folgen. Im Klartext: Entweder die Finanzbranche macht nun vorwärts oder der Bund zwingt sie dazu. Ob das Memorandum of Understanding der Schweizerischen Bankiervereinigung vom 9. Mai 2023 und die in Aussicht gestellten initialen Multibanking-Lösungen geeignet sind, dem Bundesdruck zu entgehen, wird sich zeigen. (Lesen Sie dazu auch das Interview mit dem stv. CEO der Schweizerischen Bankiervereinigung)

Paradigmenwechsel

Bei Open Finance geht es nicht einfach um die Implementierung einer standardisierten Schnittstelle. Vielmehr muss die Kundenschnittstelle geöffnet werden. Open Finance stellt einen Paradigmenwechsel dar, weil nun Kundinnen und Kunden selbst bestimmen. Sie haben die Kontrolle über ihre Daten und entscheiden, welche Daten zu welchem Zweck an Drittanbieter (auch Nichtfinanzdienstleister) übermittelt werden dürfen. Dies ermöglicht sowohl der Finanzindustrie als auch Fremdanbietern, Angebote mit echtem Mehrwert aufzustellen. 

Entscheidend in diesem Kontext ist, dass die dazu notwendigen Schnittstellen standardisiert sind und die Datenübertragung sicher ist. Hinzu kommt der Bedarf nach einem einheit­lichen Vertragswerk zwischen den Teilnehmenden. 

Die Ausarbeitung solcher Angebote ist harte Arbeit. Sie geht weit über Fragen nach den Kosten und dem Zeitrahmen hinaus. Benötigt werden Mitwirkung und dediziertes Engagement. Es besteht also Handlungsbedarf: Bedarf an strategischer Klärung und Positionierung und Bedarf dafür, Gemeinsames herauszuarbeiten und entsprechende Ressourcen zu allozieren. Und es braucht Einsicht: einerseits für die Notwendigkeit einer Öffnung und andererseits dafür, dass innovative Lösungen nur in Kooperation entstehen können.

Multibanking

Mit «Multibanking für Privatkunden» liegt eine solche Lösung vor. Koordiniert wird das Pilotprojekt durch die Schweizerische Bankiervereinigung in Zusammenarbeit mit Swiss Fintech Innovations (SFTI). Es stellt einen für Bankkundinnen und -kunden sichtbaren «Open-Finance»-Anwendungsfall dar, wie vom Bund gewünscht. Mit der bereits etablierten Plattform «bLink» von Six stehen eine technische Grundlage und mit dem Account Information Services (AIS) API eine standardisierte Schnittstelle bereit, sodass dieser Anwendungsfall skaliert umgesetzt werden kann.

Umsetzung von Multibanking (Quelle: Finnova)

Es stellt sich nun die Frage: Wer wird mitmachen? Wird es gelingen, eine kritische Masse an bereitwilligen Teilnehmern zu finden, welche die Einführung erster Multibanking-Angebote für Retailkundinnen und -kunden ermöglichen? ­Beispiele für solche Angebote sind etwa: in einem ersten Schritt die Anzeige von Konto- und Transaktionsdaten über alle verknüpften Bankverbindungen im Mobile Banking und in einem zweiten Schritt die Möglichkeit, eingehende Rechnungen über unterschiedliche, frei wählbare, verknüpfte Zahlkonten via Multibanking-Funktion zu begleichen oder ­Kontoüberträge zwischen den verknüpften Konten zu tätigen.

Die Sicht der Kundinnen und Kunden

Die Mehrheit der Kundinnen und Kunden kann mit dem Begriff «Open Finance» oder «Open Banking» nur wenig oder gar nichts anfangen. Eine Studie der Plattform für Bank- und Finanzdienstleistungen «Mambu» hat dies bereits vor über einem Jahr verdeutlicht. Dazu wurden weltweit 2000 Konsumentinnen und Konsumenten befragt. Die gleiche Studie kommt aber auch zum Schluss, dass sich Bankkundinnen und -kunden ein einfaches und flexibles Banking wünschen. Es gilt also, diesen Wunsch zu erfüllen und das Wissen um Open Banking/Open Finance und dessen Nutzen zu erweitern. Damit wird die Basis gelegt. Darauf aufbauend können Massnahmen zur Kundenbindung ergriffen und differenzierende, ertragssteigernde Dienstleistungsinnovationen eingeführt werden. Vor diesem Hintergrund ist auch das Multibanking-Angebot zu betrachten: Hier ist erst noch signifikante Aufklärungs- und Überzeugungsarbeit zu leisten, um an das brachliegende Innovations- und Marktpotenzial zu gelangen. 

Die komplizierte Realität 

Will man heute seine Buchhaltungssoftware mit dem Bankkonto seiner Hausbank verknüpfen, wird es kompliziert: Man ist verpflichtet, mehrere Seiten mit besonderen Bestimmungen zu akzeptieren. Diese Bestimmungen sagen aber nichts darüber aus, welche Vorteile die Nutzung dieser Dienstleistung der Bankkundin oder dem -kunden bringt. Vielmehr gehen sie auf die Haftung – oder eben die Ablehnung der Haftung – durch die Hausbank ein, falls etwas nicht so läuft, wie es sollte. Zudem weisen sie darauf hin, dass Nutzende auf ihr Anrecht auf mögliche Entgelte verzichten, welche die Hausbank möglicherweise von Drittanbietern für die Bereitstellung ihrer Daten erhält.

Die Gretchenfrage

Wessen Bedürfnisse stehen also wirklich im Zentrum? Jene der Bankkundinnen und -kunden oder jene der Banken? Gemäss heutigem Stand verhilft ein solch abschreckendes, kaum benutzerfreundliches Verfahren Open Banking/Open Finance wohl nicht zum entscheidenden Durchbruch. Nutzerinnen und Nutzer müssen zur initialen Verknüpfung ihrer Drittbankkonten in der Multibanking-Lösung ihrer Hausbank für jede Drittbank mehrere Seiten «besondere Bestimmungen» akzeptieren. Im schlechtesten Fall sind diese Bestimmungen für jede Drittbank inhaltlich völlig anders ausgestaltet. Zudem müssen heute Nutzerinnen und Nutzer teilweise sogar zuerst aktiv freigeschaltet werden, bevor diese von der Lösung profitieren können. So viel zum Teil «Open» des Konzepts «Open Banking». Das soll jemand verstehen? Weshalb soll eine Nutzerin oder ein Nutzer eine Freischaltung verlangen für etwas, das er oder sie nicht verstanden hat? Da beisst sich die Katze doch in den eigenen Schwanz. Das ist noch weit weg von einfach, kundenfreundlich, transparent und bequem.

Es wird entscheidend sein, das richtige Mass an «Aufklärungsarbeit» zu leisten. Die Banken sollten keine Zeit und Mühe scheuen, ihrer Kundschaft die notwendigen Informationen einfach und verständlich zu vermitteln. Einerseits sollen Bankkundinnen und -kunden erfahren, zu welchen neuen Möglichkeiten sie – dank Open Finance – Zugang erhalten. Ebenso wichtig ist andererseits, dass sie sowohl über die Vorteile als auch die Rechte und Pflichten im Umgang mit ihren eigenen Finanzdaten informiert sind. Es ist zu hoffen, dass damit ein weiterer Schritt in Richtung digitale Selbstbestimmung gemacht werden kann.­
 


Definitionen


Open Banking
Open Banking bietet den Kundinnen und Kunden die Möglichkeit, Drittanbietern den Zugriff auf ihre Kontoinformationen zu gestatten und in ihrem Namen Zahlungen zu tätigen. Basis dafür sind standardisierte Schnittstellen (APIs).

Open Finance
Open Finance geht noch einen Schritt weiter als Open Banking. Es bietet den Kundinnen und Kunden die Möglichkeit, den Zugang zu all ihren Finanzdaten freizugeben – einschliesslich Hypotheken, Kredite und Darlehen, Wertschriftenportfolios, Spar- und Vorsorgekonten, Versicherungen und mehr.

Digitale Sebstbestimmung
Die Umsetzung der digitalen Selbstbestimmung erfordert unter anderem, dass folgende Grundprinzipien gewährleistet sind:

  • Transparenz darüber, wer Zugang zu welchen (Finanz-)Daten hat
  • Transparenz darüber, zu welchem Zweck die Daten ­gesammelt und verarbeitet werden
  • Kontrolle über die Weitergabe der persönlichen (Finanz-)Daten
  • Möglichkeit, die persönlichen (Finanz-)Daten effizient auf andere Dienstleister zu übertragen
Webcode
jr9d9GFH