Softwareentwicklung

Generative KI in der ­Softwareentwicklung – ein Realitätscheck

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von Pascal Sieber, Gründer und Partner, Sieber & Partners

Die Integration von künstlicher Intelligenz (KI) in die Softwareentwicklung bietet neue Möglichkeiten zur Effizienzsteigerung und Qualitätsverbesserung, bringt jedoch auch Herausforderungen wie Datenschutz und ethische Fragen mit sich. Dieser Artikel beleuchtet die aktuellen Entwicklungen und zeigt den Stand des Einsatzes von KI in der Softwareentwicklung bei Schweizer Softwarefirmen auf.

Pascal Sieber, Gründer und Partner, Sieber & Partners. (Source: zVg)
Pascal Sieber, Gründer und Partner, Sieber & Partners. (Source: zVg)

Die Entwicklung von KI hat in den vergangenen Jahrzehnten bemerkenswerte Fortschritte gemacht. Von frühen Konzepten der Maschinenintelligenz bis zum Aufkommen des maschinellen Lernens in den 1980er-Jahren haben die Einführung von «tiefen» neuronalen Netzen (Deep Learning) und die einfachere Verfügbarkeit von grossen Datenmengen die Entwicklung rasant vorangetrieben und die generative KI hervorgebracht. Während traditionelle KI-Systeme darauf ausgelegt sind, vorhandene Daten zu analysieren und Vorhersagen zu treffen, ist generative KI in der Lage, neue Daten (auch Texte, Bilder, Klänge) zu generieren. Diese Fähigkeit hat disruptiven Charakter für viele Berufsbilder und damit ganze Branchen.

KI in der Softwareentwicklung

Diese Fähigkeit der generativen KI kann auch in der Softwareentwicklung etwa zur Generierung von Softwarecode eingesetzt werden. Insbesondere können Code Reviews, Fehlererkennung und -behebung sowie das Erstellen von Dokumentationen und Testfällen automatisiert werden. Trainiert werden KI-Systeme mit Daten aus Codedatenbanken. 

Abgesehen von der Generierung von neuen Inhalten gibt es weitere spannende Anwendungsfälle wie Predictive Analytics. Diese Anwendungsfälle finden bereits eine verbreitete Anwendung in der produzierenden Industrie. Durch die Analyse von historischen Daten mit KI können Vorhersagen über zukünftige Ereignisse getroffen und dadurch die Entscheidungsprozesse unterstützt werden. So wird durch Predictive Mainte­nance etwa der Wartungsbedarf vorausgesagt, um Ausfallzeiten und Kosten zu optimieren. 

Ähnliche Anwendungsfälle sind auch in der Softwareentwicklung denkbar. Durch die regelmässige Analyse des Softwarecodes und von historischen Projektdaten können die Führung von Softwareprojekten optimiert und wichtige Entscheidungen durch datengestützte Einblicke erleichtert werden. 
Auch im Betrieb von Software kann Predictive Analytics einen Mehrwert bieten, indem Probleme, die etwa durch Änderungen in den Umsystemen hervorgerufen werden, frühzeitig erkannt werden.

Herausforderungen

Eine Herausforderung sind der Datenschutz und die Datensicherheit. Je nach der Architektur eines KI-Systems werden nämlich die «Gespräche» mit der KI teilweise öffentlich. Dies ist kritisch, wenn dabei Kundeninformationen weitergegeben werden. Trainiert werden die KI-Systeme mit Daten aus Codedatenbanken. Darin verbirgt sich aber das geistige Eigentum der jeweiligen Entwicklerin beziehungsweise des Entwicklers, das jetzt teilweise ohne Regelung oder gar Abgeltung dieses geistigen Eigentums öffentlich wird.

Für die Entwicklung, Einführung und Nutzung von KI-Systemen werden neue Fähigkeiten benötigt, die viele Unternehmen zuerst aufbauen müssen. So werden Fähigkeiten wie etwa das kontextabhängige Training von KI-Systemen und die Qualitätskontrolle von KI-generiertem Softwarecode immer wichtiger. KI-Systeme müssen zudem in die bestehenden Entwicklungsprozesse, Arbeitsweisen und Methoden integriert werden. Dies ist, wie bei vielen Änderungen, mit Kosten, gegebenenfalls Widerständen und damit einem Zeitaufwand verbunden.

Stand der Praxis

Obschon die Vorteile vielversprechend wirken und die Herausforderungen zur effizienten Nutzung von KI in der Softwareentwicklung lösbar erscheinen, sind Erfahrungen mit konkreten Anwendungsfällen noch jung. Im Swiss Software Industry Survey (SSIS) 2024 wurden die Schweizer Softwareunternehmen nach eben diesen Erfahrungen befragt. (Lesen Sie dazu den umfassenden Beitrag über die SSIS.) Alle befragten Softwarefirmen setzen KI in der Softwareentwicklung ein, die meisten allerdings seit weniger als einem Jahr (die Befragung fand vom Mai bis Juni 2024 statt) (Grafik 1).

Grafik 1: 	Seit wann wird KI in der Softwareentwicklung eingesetzt?
Für das Training der eingesetzten KI-Modelle setzen mehr als 50 Prozent der befragten Unternehmen noch keine eigenen Daten ein. Sie nutzen also die eingekauften oder frei verfügbaren Modelle (Grafik 2).

Grafik 2: Werden für das Training der KI eigene Daten eingesetzt?

Vom KI-Einsatz erwarten die befragten Softwarefirmen vor allem einen Effizienzgewinn in der Softwareentwicklung. Dies manifestiert sich in einer Zeitersparnis sowie höheren Produktivität der Entwicklerinnen und Entwickler (Grafik 3). 

Grafik 3: Welche Vorteile werden vom KI-Einsatz erwartet?

Fazit und Ausblick

Die zukünftige Entwicklung von KI in der Softwareentwicklung führt zu nachhaltigen Veränderungen in der Art und Weise, wie Software entwickelt, implementiert, gewartet, getestet und dokumentiert wird. Es wird auch spekuliert, dass immer mehr Software von Personen entwickelt wird, die keine fundamentale Ausbildung und Erfahrung in Softwareentwicklung haben, sondern die KI-Systeme geschickt einsetzen können. Es findet damit, wie auch bereits mit Low-Code-Systemen, eine weitere Steigerung der Software­entwicklungskapazität in der Gesamtgesellschaft statt.

Für die Softwareunternehmen und Softwareabteilungen kann dies als Chance und Herausforderung gleichzeitig gesehen werden. Wem es gelingt, diese mächtige Technologie geschickt zu nutzen, wird sich Wettbewerbsvorteile erarbeiten können. Denn auch das ist sicher: Der Erfolg von immer mehr Unternehmen ist abhängig davon, wie gut sie Software entwickeln können.


Dieser Beitrag entstand mit der Unterstützung von Simon Perrelet, Institut für Wirtschaftsinformatik, Universität Bern

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