Swiss Software Industry Survey

Softwarefirmen in der Schweiz – ­Performance, Wachstum und Produktivität

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von Pascal Sieber, Gründer und Partner, Sieber & Partners

Das Fokusthema des diesjährigen Swiss Software Industry Survey ist der Einsatz von künstlicher Intelligenz (KI) bei Software­firmen. Die Studie zeigt, dass KI hier noch am Anfang steht. Dabei gibt es klare Unterschiede, in welchen ­Bereichen KI bereits zum Einsatz kommt, und wo noch grosses Potenzial vermutet wird.

Pascal Sieber, Gründer und Partner, Sieber & Partners. (Source: zVg)
Pascal Sieber, Gründer und Partner, Sieber & Partners. (Source: zVg)

Der Swiss Software Industry Survey (SSIS), durchgeführt von der Universität Bern und unterstützt von Swico und Sieber & Partners, liefert jährlich verlässliche Kennzahlen zur Entwicklung der hiesigen Softwareindustrie. Die befragten Softwareunternehmen erwarten 2024 weiterhin ein Wachstum von 5,3 Prozent und für 2025 8,3 Prozent. Die Rentabilität der Softwarefirmen hat sich nur leicht verbessert. Der Ebit im Verhältnis zum Umsatz liegt mit 9,1 Prozent weiterhin unter 10 Prozent.

Die Profitabilität der Schweizer Softwareunternehmen, gemessen an Ebit dividiert durch den Umsatz (Ebit-Marge), lag 2023 bei 9,1 Prozent. Damit bleibt sie weiterhin unter 10 Prozent (Grafik 1). Die höchste Rentabilität mit rund 15 Prozent erreichen die Standardsoftware-Firmen. Im Software-Consulting sind die Margen 2022 von über 12 Prozent auf rund 10 Prozent im Jahr 2023 gefallen. Am stärksten unter Druck sind die Individualsoftware-Unternehmen. Die durchschnittliche Marge in diesem Teilmarkt liegt bei 4,8 Prozent. Das ist der tiefste Wert seit 2014 (Grafik 1).

Grafik 1: Ebit in Prozent des Umsatzes (Ebit-Marge)

Wachstumserwartungen korrigiert

2024 wurden die Wachstumserwartungen zum zehnten Mal in Folge mit derselben Frage erhoben. Diese Zeitreihe ermöglicht einen Vergleich mit den tatsächlichen Wachstumsraten, die das Bundesamt für Statistik jährlich mit einigen Jahren Verzögerung publiziert. 

Die SSIS-Erhebung findet jeweils zwischen Mai und Juni statt. Dann werden die Softwarefirmen gefragt, wie hoch sie das Wachstum für das laufende Jahr (t+1) und für das kommende Jahr (t+2) einschätzen. Sie haben das Wachstum über die neun vergangenen Jahre stets überschätzt: Die Schätzung des Wachstums für das laufende Jahr war im Durchschnitt um 3,2 Prozentpunkte, jenes für das nächste Jahr um 7,3 Prozentpunkte zu hoch. 

Korrigiert man die Wachstumserwartungen um diesen Fehler in der Schätzung, so ergibt sich ein erwartetes Umsatzwachstum von 2,9 Prozent für 2024 (Grafik 2). Die befragten Softwarefirmen sind bezüglich ihrer Prognose für die Entwicklung zwischen 2024 und 2025 im Vergleich zu den Vorjahren noch pessimistischer. Um die systematische Überschätzung korrigiert, schätzen sie das Wachstum auf lediglich 1,2 Prozent ein.

Grafik 2: Erwartetes Umsatzwachstum

Die zögerlichen Erwartungen im Hinblick auf die Geschäftsentwicklung widerspiegeln sich auch in den erwarteten Mitarbeiterzahlen. 2023 und 2024 wurden zwar erneut mehr Fachkräfte eingestellt als in den Jahren der Pandemie. Für 2024 erwarten die Befragten, dass sie über 4 Prozent mehr Personal beschäftigen können als 2023. Die Pläne für 2025 sind deutlich zurückhaltender. Dann wollen die Softwareunternehmen nur rund 2 Prozent mehr Mitarbeitende einstellen (Grafik 3).

Grafik 3: 	Erwartetes Wachstum – Anzahl Mitarbeitende im Vergleich zum Umsatzwachstum

Am meisten Personalaufbau gibt es bei den Standardsoftware- und den Softwareberatungsfirmen. Das geringste Personalwachstum planen die Individualsoftware-­Firmen.

Ertragsmodelle und Absatzbranchen

2022 wurden erstmals die Ertragsmodelle erhoben. Die Softwareunternehmen werden seitdem gefragt, wie hoch ihre Umsatzanteile mit unterschiedlichen Ertragsmodellen sind. Grafik 4 zeigt, dass am meisten Umsatz mit einem Kostendach erwirtschaftet wird. Bei diesem Ertragsmodell einigen sich Kunde und Lieferant auf die maximalen Kosten für ein Projekt und beide sind gleichermassen dafür verantwortlich, dass das Kostendach eingehalten wird. Am zweitmeisten Umsatz wird mit Festpreisen erwirtschaftet. Der Kunde bezahlt in diesem Modell einen festgelegten Preis, unabhängig vom Aufwand des Lieferanten. Ebenfalls sehr häufig erwirtschaften Software­firmen ihren Umsatz mit der Verrechnung ihrer Aufwendungen, ohne die Verantwortung für die Gesamtkosten zu tragen. Nur selten wird nach Nutzung der gelieferten Software und nach dem Nutzen für den Kunden verrechnet (Grafik 4). 

Grafik 4: Ertragsmodelle nach Umsatzanteil

Die Umsatzanteile nach Verrechnungsmodellen unterscheiden sich zwischen den Teilbranchen stark. Fixpreise sind bei Standardsoftwareherstellern am häufigsten. Bei Individualsoftwareentwicklern überwiegt die Verrechnung nach Aufwand mit einem Kostendach. 

2024 wurden zum fünften Mal die Umsatzanteile nach Absatzbranchen erfragt. Grafik 5 zeigt die so berechneten, wichtigsten Branchen für die Schweizer Softwarefirmen: Die Bedeutung der öffentlichen Verwaltung nimmt nochmals ab und liegt noch bei 16 Prozent. Im Maschinen- und Anlagebau ist eine Baisse zu beobachten, nachdem 2024 von dieser Branche sehr viel bezogen wurde. Weitere wichtige Absatzbranchen sind die Finanzdienstleister, zunehmend aber auch die Bau- und Immobilienwirtschaft. 

Grafik 5: Die wichtigsten Absatzbranchen der Softwarefirmen

Internationale Tätigkeiten

2023 erwirtschaftete die Softwarebranche einen wiederum höheren Anteil ihres Umsatzes im Ausland. Der Exportanteil liegt bereits bei 7,5 Prozent. Über dem Branchendurchschnitt liegen dabei weiterhin die Hersteller von Standardsoftware mit 11,4 Prozent. Der mit Abstand wichtigste Markt im Ausland bleibt Deutschland (Grafik 6).

Grafik 6: Auslandsumsätze in Prozent nach Regionen

Die grösste Steigerung wird bei den Individualsoftware-Herstellern gemessen. Ihr Auslandumsatz stieg von 5,9 Prozent auf 8,7 Prozent, wobei auch der Absatz in Ländern aus­serhalb von Europa weiterhin zunimmt.

Umgekehrt beschaffen Schweizer Softwarefirmen auch im Ausland. Der SSIS untersucht die Menge der im Ausland beschafften Arbeitsleistungen. Wir sprechen von Near­shoring, wenn diese Arbeitsleistungen im nahen und von Offshoring, wenn sie im fernen Ausland beschafft werden. 56 Prozent der befragten Softwareunternehmen praktizieren mindestens eine dieser Formen der Beschaffung im Ausland.

Am häufigsten beschaffen Standardsoftware-Hersteller (58,7 Prozent) und Softwareintegratoren (56,3 Prozent) in Near- und Offshore-Gebieten, gefolgt von Herstellern von Individualsoftware (53,8 Prozent) und Technologie- und Dienstleistungsanbietern (50 Prozent). 

Auch Softwareberatungsunternehmen beschaffen im Ausland. Im Unterschied zu den Softwareentwicklungsfirmen aber seltener bei eigenen Tochtergesellschaften im Ausland und häufiger bei Drittanbietern. 

Fokus künstliche Intelligenz

er technologische Fortschritt sowie die Verfügbarkeit und Kosteneffizienz höherer Rechenleistung waren Schlüsselfaktoren, die zur Entwicklung neuer Werkzeuge der künstlichen Intelligenz mit höherer Genauigkeit und Vorhersagekraft führten, die vorher nicht vorstellbar gewesen waren. Vor allem seit der Einführung von ChatGPT ist KI in aller Munde, und ihre Beliebtheit und Nutzung haben erheblich zugenommen, nicht nur bei privaten Nutzern, sondern auch bei Unternehmen. Immer häufiger werden KI-Technologien zur Unterstützung von Arbeitsprozessen eingesetzt. So bearbeiten etwa KI-gesteuerte Chatbots automatisch Kundenanfragen, und KI-basierte Vorhersagemodelle, etwa für Kundenwünsche, sind auf dem Vormarsch.

Auch in der Softwareindustrie stösst KI auf grosses Interesse, und es wird erwartet, dass sie ein grosses Potenzial hat, indem sie die Arbeitsprozesse von Softwareentwicklern positiv beeinflusst. Mit der Einführung von generativen KI-Systemen wie ChatGPT oder Microsoft Copilot können etwa die Produktivität von Softwareentwicklern und die Codequalität von Software verbessert werden. Um die Vorteile der KI nutzen zu können, ist eine strukturierte Implementierung und Steuerung solcher Anwendungen unerlässlich. 

Im SSIS 2024 wird die grösste und umfassendste Untersuchung des Einsatzes von KI in Softwareunternehmen der Schweiz präsentiert. Im Folgenden sind die Ergebnisse zusammengefasst.

Nur noch ein Drittel ist nicht mit KI vertraut

Alle befragten Softwarefirmen setzen KI in der Software­entwicklung ein, die meisten allerdings seit weniger als einem Jahr (die Befragung fand vom Mai bis Juni 2024 statt). Dies geht einher mit der Publikation von Modellen wie ChatGPT und der Integration von Copilot in die Entwicklungsumgebungen von Microsoft (Grafik 7).

Grafik 7: Seit wann wird KI in der Softwareentwicklung eingesetzt?

Für das Training der eingesetzten KI-Modelle setzen mehr als 50 Prozent der befragten Unternehmen noch keine eigenen Daten ein. Sie nutzen also die eingekauften oder frei verfügbaren Modelle (Grafik 8).

Grafik 8: Werden für das Training der KI eigene Daten eingesetzt?

Der KI-Einsatz findet nicht in allen Wertschöpfungsstufen bei gleich vielen Unternehmen bereits statt. Die Softwarefirmen gaben an, inwiefern das KI-Potenzial bereits bekannt ist, und wenn ja, inwiefern KI in der jeweiligen Wertschöpfungsstufe bereits eingesetzt wird. In ­Grafik 9 werden die Antworten so dargestellt, dass eine Rangliste nach Wertschöpfungsstufen sichtbar wird. Am häufigsten wird KI im Coding eingesetzt, und zwar während der Entwicklung und Wartung von Software. Seltener wird KI für das Design, das Testen, die Analyse und Planung verwendet. Aber auch für diese Tätigkeiten ist KI bereits im Einsatz. Nur von wenigen Unternehmen wird KI hingegen auch bei der Softwareinte­gration verwendet.

Grafik 9: Inwiefern wird KI bereits eingesetzt?

Effizienzgewinne erwartet

Erst etwa die Hälfte der Softwarefirmen hat eine Vorstellung davon, wie sie dank KI ihre Softwareentwicklung verbessern wollen (Vision gefasst). Etwas weniger haben bereits eine Strategie entwickelt und konkrete Ziele formuliert (Grafik 10).

Grafik 10: Wie weit ist die KI bereits in die Organisationsentwicklung ­integriert?

Vom KI-Einsatz erwarten die befragten Softwarefirmen vor allem einen Effizienzgewinn in der Softwareentwicklung. Dies manifestiert sich in einer Zeitersparnis sowie höherer Produktivität der Entwicklerinnen und Entwickler. Dies hat bedingt eine Auswirkung auf die Gesamtkosten und die Qualität (Grafik 11). 

Grafik 11: Welche Vorteile werden vom KI-Einsatz erwartet?

Regulierung und Standardisierung

Der Einsatz von generativer KI ist nicht unumstritten. Insbesondere muss den Nutzerinnen und Nutzern bekannt sein, inwiefern sie damit Informationen und Daten an Dritte weitergeben, Urheberrechte Dritter genutzt werden und die Korrektheit der generierten Texte und Softwarecodes überprüft werden können. 

Die befragten Unternehmen setzen meist relationale Praktiken wie die Kommunikation innerhalb der Organisation (43,4 Prozent) und die Schulung von Softwareentwicklerinnen und -entwicklern (40 Prozent) ein, um sich mit diesen Fragen zu befassen. Weniger verbreitet sind strukturelle Praktiken, wie die Einführung eines Lenkungsausschusses (12,4 Prozent), die genaue Festlegung von Zuständigkeiten und Entscheidungsträgern (31 Prozent) und funktionsübergreifende Schulungen (15,2 Prozent) (Grafik 12). 

Grafik 12: Welche regulativen Massnahmen wurden ergriffen?

Softwareindustrie investiert in KI

Auch wenn einige Unternehmen KI noch nicht in grossem Umfang einsetzen, sind die Aussichten für ihre künftige Anwendung vielversprechend. Grafik 13 zeigt, dass die Mehrheit (69,9 Prozent) KI-Technologien in grösserem Umfang in der Softwareentwicklung einsetzen wird, wobei fast zwei Drittel (65,8 Prozent) planen, in KI-Technologien zu investieren. Softwareunternehmen beabsichtigen auch, verstärkt in die Ausbildung für den Einsatz von KI zu investieren (62,3 Prozent). Am wenigsten wahrscheinlich ist es, dass Softwareunternehmen Softwareprodukte auf der Grundlage von KI anbieten (56,2 Prozent). 

Grafik 13: Nutzung von IT und Software zur Messung und Steigerung der Nachhaltigkeit

Derzeit wird nicht erwartet, dass KI-Technologien unbedingt zu Kosteneinsparungen führen. Obwohl die Unternehmen das Potenzial für Effizienzsteigerungen durch KI erkennen, führt dies nicht unbedingt zu Kostensenkungen. Dies ist wahrscheinlich den damit verbundenen Investitionskosten oder der Tatsache geschuldet, dass KI Mitarbeitende nicht ersetzen kann, sondern deren Arbeit effizienter und produktiver macht. (Lesen Sie in diesem Beitrag die Vertiefung zum Thema KI in der Softwareentwicklung.)

Fazit

Die Branche entwickelt sich nach wie vor gut. Ein weiteres Wachstum, das über dem gesamtwirtschaftlichen Wachstum der Schweiz liegt, sowie eine Rentabilität um die 9 Prozent (Ebit-Marge) sind für 2025 zu erwarten. Der Druck auf die Margen und auch auf das Wachstum nimmt aber zu. Die Softwareindustrie muss sich Gedanken darüber machen, wie sie die Produktivität steigern kann.

Ein vielversprechender Ansatz dafür ist der Einsatz von generativer künstlicher Intelligenz in allen Schritten der Wertschöpfung. Die Mehrheit der Softwarefirmen setzt schon KI ein, aber nur rund 50 Prozent haben bereits eine Strategie dafür entwickelt. In den nächsten drei Jahren wird die Mehrheit der Softwarefirmen in KI investieren, um von deren Potenzial noch besser profitieren zu können.


Zum Swiss Software Industry Survey
Der SSIS ist ein «Dienst von der Branche an die Branche». Je mehr Branchenteilnehmer mitmachen, desto wert­voller wird er. Das Institut für Wirtschaftsinformatik der ­Universität Bern führt die jährliche Befragung durch und garantiert im höchsten Mass die Anonymität sowie die Wissenschaftlichkeit der Auswertungen und Benchmarks. Unterstützt wird der SSIS vom Swico sowie von Sieber & Partners, Inside-IT, Topsoft, AlpICT und Swiss Made Software. 

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