Dossier

Netzwoche Nr. 13/2015

Von Christoph Grau

Start-up ist nicht gleich Start-up

Man hört viel vom Silicon Valley und dem speziellen Gründergeist, der diesen Ort für Start-ups so besonders macht. Mit diesem Bild brach ich zu meiner ersten Reise nach San Francisco auf. Zusammen mit 14 europäischen ICT-Journalisten konnte ich im Rahmen der «IT Press Tour» in vier Tagen zwölf Unternehmen besuchen. In jeweils zweistündigen Präsentationen erfuhren wir, welche Entwicklungen im Storage- und Netzwerkbereich das Valley bewegen. Wir besuchten ausser Branchengrössen wie Halbleiterhersteller Micron auch einige weniger bekannte Start-ups. Die wichtigsten Erkenntnisse der Reise sind in der Titelgeschichte dieser Ausgabe zusammengefasst.

Das in Fernsehserien wie "Silicon Valley" vermittelte Bild von Start-ups ist zwar ein Klischee. Bei der IT Press Tour gab es aber tatsächlich auch solche Unternehmen zu bestaunen. Der Virtualisierungsspezialist Core OS etwa hat in einer Garage begonnen. Momentan residiert das Jungunternehmen in einem alten, recht heruntergekommenen Haus am Stadtrand von San Francisco. Das Unternehmen hatte nicht einmal einen Konferenzraum für mehr als zehn Gäste. Daher lauschten wir den Ausführungen von Core-OS-CEO und Mitgründer Alex Polvi im feuchten und verstaubten Keller des Gebäudes. Von dort konnten wir ausser der Präsentation auch die Arbeit der Termiten im Gebälk bestaunen. Polvi sagte, dass er kein Geld für repräsentative Zwecke ausgeben wolle. Viel sinnvoller sei es, das Geld in die Weiterentwicklung der Technologie zu stecken. Am Geld fehlt es Core OS aber nicht, denn neben weiteren Finanziers investierte Google schon mehrere Millionen Dollar in das Unternehmen.

Probleme mit den Räumlichkeiten hatte auch das Start-up Hedvig, dass Software-Defined Storage anbietet. Die Firma zügelte gerade in ein neues Gebäude. Unausgepackte Kartons türmten sich in den Gängen und die Mitarbeiter begannen gerade mit dem Einrichten ihrer Arbeitsplätze. Wir sassen in einem kleinen Raum eng zusammen, und der Kommunikationschef konnte gerade noch genügend Tische und Stühle für alle Gäste zusammenkratzen. Zumindest war die Kaffee­maschine schon in Betrieb, was den anwesenden Journalisten über die Präsentation half.

Ganz anders präsentierte sich das Start-up Jut. Das Unternehmen ist auf die Visualisierung von Datenströmen in Rechenzentren spezialisiert. Die Bezeichnung Start-up ist auch irreführend, denn der Gründer des Unternehmens, Steven McCanne, war bereits mit Riverbed als Gründer erfolgreich. Damals verdiente er viele Millionen, was an den Räumlichkeiten seines neuen Babys ersichtlich ist. Das Unternehmen residiert mitten im Businesszentrum von San Francisco. Im gleichen Gebäude erblickte bereits die Bank of America das Licht der Welt. Der Unterschied zu Core OS hätte kaum grösser sein können. Jedoch sprang bei der Präsentation nur wenig Begeisterung über. Da war es doch viel sympathischer, einem bärtigen Jungunternehmer im kalten Keller zuzuhören oder eng zusammengerückt zwischen Zügelkartons zu sitzen. Denn dort war der Gründergeist hautnah zu spüren.