"Banken müssen Cloud-Kompetenzen aktiv aufbauen und ihre Führungskräfte im Bereich Technologie weiterbilden"
Kaum eine Industrie kann sich dem Cloud-Trend entziehen. Das gilt auch für Finanzdienstleister. Banken nutzen hybride Strategien, um die Vorteile der Cloud zu maximieren und gleichzeitig Datensicherheit zu gewährleisten. Im Gespräch erklärt Peter Lang, Head SaaS Business bei der Bankensoftware-Anbieterin Finnova, was das für Entwicklung und Betrieb bedeutet. Interview: Marc Landis
Wie sehen Sie die Zukunft des Einsatzes von Cloud-Technologien für einen Core-Banking-Anbieter?
Peter Lang: Der Cloud-Trend macht natürlich auch vor der Finanzindustrie nicht halt. So sehen wir bei den Banken immer häufiger den Einsatz von Cloud-Technologien der grossen Hyperscaler wie AWS und Microsoft Azure. Ich glaube allerdings nicht, dass sich der Markt komplett auf Hyperscaler fokussieren wird, sondern sich vielmehr einer hybriden Strategie bedient. Mit Blick auf die Verfügbarkeit von Technologien wie künstlicher Intelligenz kommt man kaum an den Hyperscalern vorbei. Banken wollen die Rechenleistung und Flexibilität der Public Cloud nutzen, aber gleichzeitig werden Banken getrieben durch regulatorische Rahmenbedinungen und haben weiterhin ein starkes Bedürfnis nach dem Schutz ihrer Daten. Sie werden dazu nicht nur einen Anbieter einsetzen, sondern kombinieren verschiedene Clouds, je nach Anwendungsbedarf. Für einige Kundenbanken ist die weitere Verlagerung von Services in die Cloud naheliegend, da sie durch Microsoft 365 ohnehin schon in Microsoft-Cloud-Umgebungen integriert sind.
Wie positioniert sich Finnova in diesem Umfeld?
Unsere Strategie ist klar: Wir liefern unsere Software cloud-agnostisch aus, das ist auch ein Wunsch unserer Community. So vermeiden wir Abhängigkeiten von einem spezifischen Cloud-Anbieter. Finnova bleibt damit flexibel, um den Kunden die Wahl zwischen verschiedenen Plattformen zu ermöglichen. Als SaaS-Anbieter macht Finnova eigentlich dasselbe. Wir betreiben unsere Software in einer Private Cloud, bieten Kunden aber AWS als Default-Cloud-Lösung. Wir sind jedoch offen für andere Plattformen.
Was bedeutet dieser Cloud-Trend für die IT-Architektur Ihrer Kundenbanken?
Das ist eine spannende Frage. Viele Banken haben sich bereits über Microsoft 365 an die Cloud gewöhnt. Ob man sein Core Banking in der Cloud betreiben möchte oder nicht, bedarf strategischer Überlegungen und ist eine Frage der bankeigenen Risikobeurteilung. Wichtige Aspekte sind natürlich auch die Einhaltung der Compliance-Vorgaben, ökonomische Überlegungen und die Planbarkeit finanzieller Aufwendungen. Banken mögen planbare Kosten. Diese lassen sich bei On-Premises-Umgebungen oft besser steuern, als wenn sie in der Cloud sind, wo variable Preismodelle vorherrschen. Diese variablen Kosten basieren teilweise auf schwer vorhersagbaren Faktoren wie etwa Datenverkehr oder CPU-Nutzung. Diese Dynamik stellt neue Anforderungen an das Kapazitätsmanagement. Die Kostenvariabilität professionell zu managen, ist de facto eine ganz andere und oftmals neue Disziplin und erfordert entsprechende Fähigkeiten. Dieser Herausforderung müssen sich Banken künftig stellen.
Angenommen, eine Kundenbank hat sich nun für die Cloud entschieden. Welche Vorteile bieten sich der Bank nun durch die flexible Anbindung von Drittanbietern via Cloud-Integration?
Die flexible Anbindung von Drittanbietern via Cloud-Integration bietet Banken mehrere Vorteile: Sie ermöglicht eine schnellere Time-to-Market für neue Services, da APIs zugänglicher und verständlicher gestaltet werden. Zudem wird die Integration externer Lösungen vereinfacht, was Banken mehr Spielraum gibt, innovative Technologien zu nutzen, ohne sich auf einen bestimmten Anbieter festlegen zu müssen. Langfristig können Banken durch eine offenere und standardisierte API-Architektur individualisierte Lösungen einfacher und schneller umsetzen. Dadurch bleiben sie wettbewerbsfähig.
Und was sind die Nachteile?
Eine komplexere Infrastruktur erhöht die potenziellen «Failure Points» in der Servicekette – also Stellen, an denen es zu Unterbrechungen oder Störungen kommen kann. Dies erschwert es, End-to-End zu überwachen und im Fehlerfall schnell zu identifizieren, wo eine Störung vorliegt, sei es im Netzwerk, im Servicebüro, beim Betreiber selbst oder bei einem Drittanbieter. Hinzu kommt das Risiko variabler Kostenstrukturen, die in der Cloud schwieriger planbar sind als in klassischen On-Premises-Umgebungen. Zusätzlich ist der Datenschutz eine Herausforderung, da Banken eine hohe Stabilität und Sicherheit gewährleisten müssen. Je dezentraler die Infrastruktur, desto schwieriger wird es beispielsweise, ein umfassendes Sicherheitsmanagement und eine einheitliche Überwachung zu gewährleisten. Dies führt zu einer höheren Komplexität und zusätzlichen Kosten.
Welche Vision hat Finnova für die Zusammenarbeit mit Drittanbietern in einem Cloud-Ökosystem? Welche Kompetenzen benötigen Banken, um in einem solchen System wettbewerbsfähig zu bleiben?
Das hängt davon ab, wie die Banken das Ökosystem nutzen möchten. Wenn es darum geht, Standardlösungen zu beziehen wie eine «Commodity», dann ist die Integration über stabile Schnittstellen und Konnektivität wichtig, damit alles nahtlos funktioniert. Sobald das Ökosystem jedoch als Basis für differenzierende Fähigkeiten/Dienstleistungen dienen soll, sind spezifische technologische Fähigkeiten bei den Banken unverzichtbar. Es reicht dann nicht, oberflächliche Kenntnisse zu haben – die Banken werden gefordert sein, diese Kompetenzen aktiv aufzubauen und ihre Führungskräfte im Bereich Technologie weiterzubilden. Finnova und andere Unternehmen können dabei unterstützen, die nötigen Schnittstellen und Integrationen bereitzustellen. Aber letztlich müssen die Banken selbst Verantwortung übernehmen, um wirklich wettbewerbsfähig zu bleiben.
Bei der Anbindung von Drittapplikationen aus der Cloud an Ihre Systeme stellen sich auch Fragen nach der Plattformstabilität. Wie stellen Sie sicher, dass diese nicht gefährdet ist?
Es kommt immer darauf an, was man genau unter Stabilität versteht. In unserem SaaS-Umfeld unterscheiden wir bereits konzeptionell zwischen geschäftskritischen und weniger kritischen Anwendungen. Komplexere Set-ups, bei denen Daten über mehrere Rechenzentren laufen, sind naturgemäss anfälliger, zum Beispiel für Netzwerk- oder Serviceprobleme. Auch die Sicherheitsaspekte müssen hier durchgehend beachtet werden. Wenn wir alles in unserer Private Cloud bündeln, können wir die Infrastruktur von Anfang an so gestalten, wie wir sie brauchen. Je fragmentierter die Lösungen sind, desto schwieriger wird es, beispielsweise End-to-End zu messen, wo eine Unterbrechung liegt – sei es im Netzwerk, im Core-System oder in der Middleware. Potenzielle Bruchstellen gibt es viele. Sie sind alle laufend zu überwachen und zu managen.
Welche Herausforderungen stellen sich aufgrund der angestrebten besseren Skalierbarkeit durch die Entflechtung und Modularisierung der bestehenden Core-Banking-Lösung?
Wir arbeiten an einem Projekt, das die Einführung einer offenen API-Architektur beinhaltet. Dabei verändern wir die API-Architektur grundlegend, sodass sie stärker businessorientiert und weniger datenbanknah wird. Damit lässt sich die Anbindung von Drittanbietern einfacher umsetzen. Dafür schaffen wir die technischen Voraussetzungen. Gleichzeitig wollen wir den Kunden und Partnern einen klaren Adaptierungspfad anbieten, damit sie ihre eigenen Lösungen anpassen können. So können wir die Time-to-Market deutlich verkürzen. Ebenso können die Umsetzungskosten gesenkt werden, wenn die API-Spezifikationen klar und verständlich sind. Das schafft die Grundlage dafür, dass das Ecosystem der Finnova-Community noch schneller wachsen und sich individuell an den Bedürfnissen der Banken orientieren kann. Die Devise lautet hier klar: Gemeinsam die Zukunft gestalten und zielgerichtet/strategisch wachsen.
Zur Person
Peter Lang leitet bei Finnova die Abteilung für Service-Management und verantwortet zudem das SaaS-Geschäft. Mit über 27 Jahren Berufserfahrung im Bankwesen, insbesondere im Investment-Management, bringt er umfangreiche Kenntnisse und Praxiswissen mit. Einen Grossteil seiner Laufbahn verbrachte er in Schnittstellenfunktionen zwischen Banking und Technologie, wo er tiefgehendes Know-how in der Verzahnung beider Bereiche sammelte. Lang ist ausgebildeter Bankfachexperte und Finanzanalyst und verfügt über fundierte Kompetenzen in Technologie, strategischer Planung und Businessarchitektur.