Kolumne

EPDG – der Teufel wird im Detail liegen

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von Jürg Lindenmann, selbstständiger Berater Health-it GmbH

Eine Frage ist geklärt – das EPDG wird voraussichtlich im ersten Quartal 2017 in Kraft treten – tausend neue Fragen folgen. Bis dahin werden aber noch Heerscharen von fleissigen Bundesbeamten die Verordnungen zum Gesetz ausarbeiten, die gemäss Planung von E-Health Schweiz und BAG ab März 2016 für kurze drei Monate in die Vernehmlassung gehen sollen.

Jürg Lindenmann, selbststän­diger ­Berater, Health-it GmbH. (Quelle: Jürg Lindenmann)
Jürg Lindenmann, selbststän­diger ­Berater, Health-it GmbH. (Quelle: Jürg Lindenmann)

Sämtliche stationären Einrichtungen, die über das KVG abrechnen, werden sich mit Übergangsfristen von drei (Spitäler) beziehungsweise fünf Jahren (Pflegeheime) ab 2017 an eine zertifizierte Stammgemeinschaft anschliessen müssen. Wie eine solche auszusehen hat, ist in den Empfehlungen I – V von ­E-Health Schweiz – nicht immer ganz widerspruchsfrei und nachvollziehbar – beschrieben. Der Papierwust an Verordnungen muss ebenfalls akribisch studiert werden, da die darin enthaltene Rechtsetzung unter Umständen grosse Auswirkung auf die betroffenen Institutionen selbst haben kann.

Geplant sind drei Verordnungen: einerseits zwei bundesrätliche über das elektronische Patientendossier (EPDG) und über Finanzhilfen für das elektronische Patientendossier sowie eine Departementsverordnung des EDI und allenfalls noch eine Verordnung zu den potenziellen Herausgebern von Identifikationsmitteln. Unter dem Thema «sichere Endgeräte» wurden seitens BAG schon erste weitreichende Ideen präsentiert. Es bleibt zu hoffen, dass das Papiergewicht dieser Verordnungen unter der Vorlage jener des Lebensmittelgesetzes von etwa 2,5 Kilogramm bleibt.

Vielfältige Fragestellungen

Die Fragestellungen für die betroffenen Leistungserbringer sind vielfältig, lassen sich aber grob wie folgt aufteilen: Welcher Stammgemeinschaft soll man sich sinnvollerweise anschlies­sen, und in welcher Form soll dieser Beitritt stattfinden? Wie kommt eine Stammgemeinschaft zur notwendigen technischen Infrastruktur? Soll man sich nur mit der Erfüllung des EPDG beziehungsweise seinen Verordnungen oder bei dieser Gelegenheit auch mit dem regionalen digitalen Austausch innerhalb der Gemeinschaft über die nationalen Vorgaben hinaus auseinandersetzen? Wie sieht die nachhaltige Finanzierung der technischen (Betrieb EPDG-Gateway) und organisatorischen (Steuerung, Zertifizierung) Aufgaben einer solchen Gemeinschaft aus? Welche rechtlichen Rahmenbedingungen auf der Stufe Kanton beziehungsweise Region (auch überkantonal) sind zu beachten? Und welche internen technischen Voraussetzungen muss man als Institution minimal schon einmal erfüllen, um überhaupt an einer Gemeinschaft teilnehmen zu können?

Die Dinge selbst in die Hand nehmen

Einige Leistungserbringer warten nicht einfach ab, sondern machen sich mit aktiver (wie etwa umfangreich im Kanton Aargau und teilweise im Kanton Zürich) oder passiver (wie etwa in den Kantonen Graubünden und Bern) Unterstützung der kantonalen Behörden daran, sich in ihrem Versorgungsgebiet zu organisieren. Zu diesem Zweck werden Trägerschaften auf privater Basis gegründet, welche die Bearbeitung der genannten Fragestellungen aufnehmen.

Beispiele sind der Verein E-Health Aargau (eHAG), der Verein Trägerschaft ZAD oder der jüngst gegründete Verein E-Health Südost (Graubünden). Sogar im Fürstentum Liechtenstein geht man seit Dezember 2015 mit dem Verein E-Health Lichtenstein diesen Weg, obwohl dort keine Verpflichtung für einen Anschluss ans schweizerische EPD vorgegeben ist. Zentral dabei ist, dass sich diese Trägerschaften bei der konkreten Beschaffung von gemeinsam nutzbaren E-Health-Plattformen nicht nur mit der Erfüllung der EPDG-Vorgaben für die stationären Institutionen, sondern mit dem Mehrwert von digitalen Lösungen für alle Beteiligten im Behandlungspfad auseinandersetzen und daher mit Erfolg die niedergelassenen Ärzte und Spezialisten, Therapeuten, Apotheker, aber auch nachsorgende Institutionen wie die Spitex zur Beteiligung und aktiven Mitwirkung einladen.

Die Vorteile sind vielfältig und offensichtlich: 1. Beförderung und Koordination der Digitalisierung unter den Leistungserbringern entlang des regionalen Behandlungspfades und damit Unterstützung der integrierten Versorgung. 2. Realisierung von Anwendungen, die über die Anforderungen an eine Stammgemeinschaft gemäss EPDG hinausgehen. 3. Umsetzung der Vorgaben des EPDG für die stationären Leistungserbringer. 4. Bündelung von Ressourcen vor allem für stationäre Leistungserbringer bezüglich EPDG. 5. Gemeinsame Position gegenüber Behörden und Bürgern. 6. Gemeinsamer Antrag für Finanzen beim Bund, Kanton und nachhaltige gemeinsame Betriebsfinanzierung. 7. Gemeinsame Submission der E-Health-Plattform. 8. Starke Posi­tion gegenüber Anbietern. 9. Nachhaltiger Betrieb und Weiterentwicklung der gewählten E-Health-Plattform.

Es gilt, sicherzustellen, dass diese privaten Aktivitäten und Ini­tiativen nicht durch ein Gestrüpp von bürokratischen und politischen Vorgaben behindert oder sogar verhindert werden, sondern bei der Umsetzung des EPDG darauf geachtet wird, dass neben der Umsetzung des Gesetzes genügend Raum für die Entwicklung beziehungsweise Evolution von solchen digitalen ECO-Systemen bleibt.

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