Bundesrat beschliesst Neuausrichtung

Aus dem elektronischen Patientendossier wird das elektronische Gesundheitsdossier

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von René Jaun und dwi

Geht es nach dem Bundesrat, sind die Tage des EPDs gezählt. Im Gesetz, welches die Exekutive ans Parlament überweist, ist neu vom elektronischen Gesundheitsdossier die Rede. Alle Personen in der Schweiz sollen eines erhalten, wobei die Nutzung freiwillig bleibt.

(Source: peart / Fotolia.com)
(Source: peart / Fotolia.com)

Es hat lange gedauert, bis das elektronische Patientendossier (EPD) in der Schweiz startete. Erst seit 2022 ist es im ganzen Land verfügbar; Ende Oktober 2025 hatten laut der Koordinationsstelle E-Health-Suisse 125'923 Personen eines – und bald könnte damit bereits wieder Schluss sein.

Denn der Bundesrat will das EPD nicht mehr nur komplett neu ausrichten, sondern auch umbenennen: Im Gesetz, dessen Botschaft die Regierung am 5. November 2025 ans Parlament verabschiedete, spricht man neu vom elektronischen Gesundheitsdossier (EGD, wobei der Bund die Schreibweise E-GD präferiert).

Alle kriegen eines, aber niemand muss es nutzen

Viele der Eigenschaften, die der Bundesrat in der Mitteilung dem vorgesehenen EGD zuschreibt, gehörten auch schon zu den Versprechen des EPDs: Es "wird alle relevanten Gesundheitsinformationen einer Person an einem Ort bündeln und sie durch alle Lebensphasen – von Vorsorgeuntersuchungen bis zur Behandlung von Krankheiten – begleiten", schreibt die Exekutive etwa; Es bietet Platz für unstrukturierte Dokumente (also Berichte von diversen Gesundheitseinrichtungen) aber auch strukturierte Daten zu Impfungen, Medikamente oder Laborwerte. Alles werde sicher abgelegt; Patientinnen und Patienten "behalten die volle Kontrolle über ihre eigenen Gesundheitsdaten und entscheiden selbst, wer auf welche Informationen zugreifen darf".

Dennoch ändert sich einiges. Der Bundesrat setzt viele der Punkte aus der Vernehmlassung von 2023 um, als er noch von der EPD-Gesetzesrevision sprach. "Das EGD muss man nicht beantragen", erklärt er etwa. Jede Person mit Wohnsitz in der Schweiz erhalte künftig automatisch eines, wobei es den Kantonen obliegen wird, die Bevölkerung "persönlich und umfassend über Nutzung und Rechte" zu informieren. Die Nutzung des Dossiers bleibe für Privatpersonen aber weiterhin freiwillig: Wer keines wolle, könne "einer Eröffnung widersprechen oder es jederzeit einfach löschen lassen".

Nicht mehr freiwillig wird der EPD-Nachfolger für Gesundheitsdienstleister sein: Sind heute noch Spitäler und Pflegeeinrichtungen verpflichtet, das EPD anzubieten, müssen das EGD künftig zwingend auch Ärztinnen und Ärzte, Apotheker oder Physiotherapeutinnen und weitere ambulante Leistungserbringer, die über die obligatorische Krankenversicherung abrechnen, unterstützen.

Stammgemeinschaften ohne "Stamm"

Schliesslich ist auch das Vorhaben, die technische Infrastruktur zu zentralisieren, im neuen Gesetz verankert. Der Bund sorgt für ein schweizweit einheitliches Informationssystem und kümmert sich um dessen Weiterentwicklung. Die laufenden Betriebskosten sollen die Kantone berappen. Ausserdem sollen diese "den Betrieb einer sogenannten Gemeinschaft" sicherstellen. Gemeinschaften sind beispielsweise zusammengeschlossene Spitäler, Arztpraxen, Apotheken und andere Gesundheitsinstitutionen, wie der Bund erklärt. Sie garantieren mit Kontaktstellen, dass die Bevölkerung einen niederschwelligen Zugang zu Unterstützung in Zusammenhang mit ihrem EGD erhält.

Die Koordinationsstelle E-Health-Suisse stellt dazu klar, dass damit die bisherige Unterscheidung zwischen Stammgemeinschaften und Gemeinschaften wegfalle. Die neuen Gemeinschaften seien nicht nur für Anfragen aus der Bevölkerung, sondern auch für den Support und die Schulung von Gesundheitsfachpersonen und Gesundheitseinrichtungen verantwortlich.

Teil des Ganzen

Einen Blick in den technischen Hintergrund des EGD gibt E-Health-Suisse. Die Koordinationsstelle erinnert an das parallel zur EGD-Vorlage laufende E-Health-Programm Digisanté. Dessen Kernstück sei der Gesundheitsdatenraum Swiss Health Data Space (SwissHDS), der als strukturierter, sicherer und gemeinwohlorientierter Raum für den Austausch und die Nutzung von Gesundheitsdaten in der Schweiz diene. Längerfristig werde er zur verbindlichen Infrastruktur für den Gesundheitsdatenaustausch ausgebaut und das EGD fungiere dabei "als Sekundärsystem zur langfristigen Speicherung behandlungsrelevanter Informationen und wird einen integralen Bestandteil des SwissHDS bilden", schreibt E-Health-Suisse.

Voraussichtlicher Start 2030

Mit den vorgeschlagenen Anpassungen sowie Verbesserungen am System und an der Struktur, gibt sich der Bundesrat überzeugt, das EGD sei deutlich besser aufgesetzt als das heutige EPD. Gar keine Zustimmung findet der Gesetzesvorschlag bei der Digitalen Gesellschaft. Der Verein findet, der Bundesrat riskiere das Vertrauen der Bevölkerung. Im Rahmen des Opt-out-Modells entstehe ein Register für Personen ohne Dossier, und dieses diskriminiere jene, die ihre Privatsphäre wahren wollen. Es bestehe gar die Gefahr, dass Versicherte ohne Dossier künftig höhere Prämien bezahlen müssten. Und schliesslich kritisiert die Digitale Gesellschaft in ihrer Mitteilung die geplante zentrale Infrastruktur als "Einfallstor für Missbrauch, Datenlecks und staatliche Überwachung".

Der Gesetzesvorschlag kommt als Nächstes vor die zuständigen Kommissionen der beiden Parlamentskammern.

Sobald das Gesetz verabschiedet ist, wird der Bund die zentrale technische Infrastruktur beschaffen und die Migration der bestehenden EPDs durchführen. Es sei davon auszugehen, dass das EGD auf das Jahr 2030 hin eingeführt werden könne, teilt der Bundesrat mit.

Bereits angenommen hat das Parlament eine Teilrevision des EPD-Gesetzes. Sie stellt sicher, dass die heutigen EPD-Betreiber genug (finanzielle) Unterstützung bis zur vollständigen Revision erhalten.

Apropos Kosten: Wie die "NZZ" (Paywall) unter Berufung auf die Medienkonferenz berichtet, sei noch nicht klar, wie teuer das neue EGD zu stehen kommen werde: Der Bund rechne mit anfänglichen Investitionskosten in Höhe eines "tiefen bis mittleren zweistelligen Millionenbetrags".

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