Editorial

Xherdan Shaqiri und der Anti-Banken-Sandwich-Grill

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Oliver Schneider, stellvertretender Chefredaktor, Netzwoche (Source: Netzmedien)
Oliver Schneider, stellvertretender Chefredaktor, Netzwoche (Source: Netzmedien)

Im Internet begegnet man ihnen überall. Selbst seriöse Websites sind nicht sicher. Und sie rauben mir den letzten Nerv. Jede Sekunde, die man ihnen schenkt, ist verlorene Lebenszeit. Und trotzdem kann ich mich manchmal einfach nicht zurückhalten. Ich klicke und schaue mir das Spektakel an. Es ist wie ein Verkehrsunfall, bei dem man nicht wegsehen kann. Die Rede ist von Online-Werbeanzeigen, die irgendein sensationelles Produkt anpreisen. Die Sprüche sind bekannt: "Zurich Millionäre wollen dieses Video verbieten, weil zu viele reich werden", "1 simpler Trick schmilzt Bauchfett" oder "Machen Sie Ihren Computer Sofort Wieder Wie Neu!". Meist versteckt sich hinter solchen Sätzen ein gefälschtes Interview mit einem Prominenten, ein ellenlanges Video, in dem ein angeblich Betroffener seinen Weg zum perfekten Gebiss oder zu sagenhafter Potenz schildert – oder es handelt sich ganz einfach um ein Produkt, das in der Realität hinter den vollmundigen Versprechen weit zurückbleibt. Wie dem auch sei; am Ende wartet stets ein Formular für die Kreditkartendaten.

Ein besonders bizarres Exemplar ist mir vor einigen Wochen begegnet. Auf "Duden.de" stand eine Anzeige mit dem Titel: "Xherdan Shaqiri: Ich hasse Schweizer Banken". Wer würde dahinter nicht irgendeine aberwitzige Story vermuten, wie der Fussballer mit Kryptowährungen zu Reichtum gelangte? Doch weit gefehlt. Ein Klick führte in einen völlig unspektakulären Onlineshop namens "Energy Nutricks", der mir für 5 US-Dollar einen "Non Stick Ceramic Portable Grill Sandwich Maker" verkaufen wollte. Nur im Produktnamen hiess es noch "Ich hasse Schweizer Banken".

All das ist nicht neu. Betrugsmaschen, die Internetnutzer mit falschen Versprechungen anlocken, plagen uns seit Jahren. Trotzdem ist es natürlich wichtig, dass man vor diesen Scams warnt. Ich möchte deshalb davon abraten, einen dieser Links anzuklicken. Jeder Klick, den die Macher dieser Seiten erhalten, ist einer zu viel. Und im schlimmsten Fall fängt man sich dadurch noch irgendeine Schadsoftware ein.

Aber eigentlich sind es nicht einmal die offenen Betrugsversuche, die mir zu denken geben. Wer heute noch glaubt, mit einem von Kurt Aeschbacher empfohlenen Bitcoin-Trading-Bot könne man 6000 Dollar am Tag verdienen, dem ist wirklich nicht mehr zu helfen. Viel tragischer ist, wenn ein eigentlich solides Produkt als Wundermittel verkauft wird. So kann ein USB-Stick mit Linux-Live-System durchaus nützlich sein. Zum Beispiel für die Wiederherstellung von Daten oder einen Virenscan. Einen Uralt-PC macht aber auch Linux nicht wieder flott. Wenn ein Produkt von Beginn an mit einer Lüge verkauft wird, diskreditiert das den Hersteller, entwertet das Erzeugnis und verärgert den Kunden.

Werbung war der erste Ort im Internet, an dem ich mich nach Strich und Faden belogen fühlte. Es wäre ein guter Vorsatz fürs kommende Jahr, hier ein bisschen mehr Aufrichtigkeit walten zu lassen. 2019, liebe Leser, ist nämlich schon fast wieder vorbei. Ich wünsche Ihnen viel Lesevergnügen mit der letzten Ausgabe der "Netzwoche" in diesem Jahr. Die nächste Ausgabe erscheint am 22. Januar 2020. Bis dahin hält Sie die Redaktion online auf dem Laufenden und wünscht Ihnen einen guten Rutsch.

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