Glasfaser-Ausbau: Das grosse Warten auf die Weko
Die eidgenössische Wettbewerbskommission erregt derzeit die Gemüter der Akteure des Glasfaser-Ausbaus. Wegen eines Entscheides in Freiburg sowie zwölf hängigen Verfahren zu den Kooperationsverträgen agieren die Akteure mit angezogener Handbremse.
Die eidgenössische Wettbewerbskommission (Weko) schafft sich derzeit in der IT- und Telekommunikationsbranche keine neuen Freunde. Aktueller Anlass ist ihr Entscheid, das Gemeinschaftsunternehmen im Kanton Freiburg von Swisscom und Groupe E für den flächendeckenden Glasfaserausbau für nicht prüfungsfähig zu erachten und somit weder explizit zu erlauben noch zu verbieten.
Doch nicht nur in Freiburg herrscht Rechtsunsicherheit. Nicht weniger als zwölf Verfahren sind aktuell bei der Weko hängig. Es handelt sich dabei um die Kooperationsverträge zwischen Swisscom und den lokalen Elektrizitätswerken (EW), die diese der Weko zur Prüfung vorgelegt haben. Denn es ist klar: Kaum jemand will ohne solide Rechtsgrundlage Millioneninvestitionen tätigen. Die Weko gerät unter Zeitdruck.
Derweil betont Weko-Vizedirektorin Carole Söhner-Bührer auf Nachfrage der Netzwoche, dass man mit Hochdruck an einer Lösung arbeite: "Wir haben das Glasfaserthema zur Priorität erklärt und uns bereits geäussert, so rasch als möglich so viel Rechtssicherheit wie möglich zu bieten." Marc Furrer, Präsident der eidgenössischen Kommunikationskommission (Comcom), ist denn auch zuversichtlich, dass bald eine Lösung gefunden wird. Dennoch bedauert er, dass die Weko nicht von Anfang an bei den Verhandlungsrunden, den sogenannten "runden Tischen", dabei gewesen ist. "Die problematischen Punkte der heute von der Weko untersuchten Vertragswerke sind ja eigentlich schon länger bekannt", so Furrer.
Drei Knackpunkte
Hart ins Gericht mit den Wettbewerbshütern geht derweil ein Kenner der Telko-Branche, der nicht genannt werden will: "Die Weko versteckt sich hinter Formalismen. Auf mich wirkt sie rat- und konzeptlos. Zudem hat sie in der Vergangenheit bewiesen, dass sie in der Lage ist, unkonventionelle Entscheide zu fällen." Die Vorwürfe sind nicht ganz von der Hand zu weisen: Bekannt aus der jüngeren Vergangenheit ist das viel kritisierte Verbot der Fusion der beiden Telkos Orange und Sunrise. Oder auch im Fall der Mobilterminierungsgebühren und der vom Bundesgericht wieder aufgehobenen Rekordbusse von 333 Millionen Franken an Swisscom machte die Weko nicht gerade eine vorteilhafte Figur.
Doch zurück zum aktuellen Fall der Glasfaser-Kooperationsverträge: Bis heute ist nicht offiziell bekannt, welche Punkte tatsächlich gegen das Wettbewerbsrecht verstossen könnten. Durchgesickert ist, dass insbesondere in die Vertragswerke eingebaute Schutzklauseln für EWs zu reden geben. Etwa bei der Layer-1-Exklusivität, bei der vereinbart wird, dass nur die EWs anderen Telekom¬anbietern einen Zugang auf Layer 1, also den Zugang zum physischen Glasfaserkabel, gewähren können.
Swisscom beansprucht eine der vier eingezogenen Fasern. Ausserdem enthalten die Verträge Bestimmungen, die quersubventionierte oder unter den Kosten liegende Angebote verhindern sollen. Rechtlich nicht ganz unbedenklich soll auch der Ausgleichsmechanismus sein, wonach Swisscom 60 Prozent und die EWs 40 Prozent der Investitionskosten tragen und Ende des Jahres im Falle von Abweichungen Ausgleichszahlungen ausgelöst werden sollen.
Kein Spielraum für EWs
Glaubt man den Akteuren, sind die Klauseln für die EWs von entscheidender Bedeutung und weitestgehend unbestritten, wie auch Openaxs-Präsident Franz Stampfli bestätigt: "Sie sind logisch und legitim. Würde jetzt noch an den Bedingungen geschraubt, wäre das für das eine oder andere Elektrizitätswerk kritisch. Der Business Case ist schon heute genug strapaziert." Unter Zugzwang gerät auch Swisscom: Sie muss, um im Kampf um die schnellsten Datenleitungen gegen den Kabelriesen UPC Cablecom auch in Zukunft konkurrenzfähig zu bleiben, so schnell wie möglich Glasfasern ausrollen – mit oder ohne EWs.
Swisscom-Sprecher Olaf Schulze ist insbesondere enttäuscht über den aktuellen Entscheid in Freiburg: "Es besteht die Gefahr, dass Entscheide wie in der vergangenen Woche eine Signalwirkung entwickeln und mögliche investitionsbereite Unternehmen vom Einstieg in den Ausbau abhalten." Stampfli stört besonders, dass trotz des langen Verfahrens von fünf Monaten kein «echter Entscheid» gefällt worden ist: "Mit dem aktuellen Null-Entscheid hat man eine grosse Chance verpasst. Deswegen agieren viele der Beteiligten heute mit angezogener Handbremse."
Kommt es zum Kompromiss?
Wie und wann auch immer die Weko bei den ausstehenden Verfahren entscheiden wird – einen "Abschuss" der Verträge hält kaum einer der von der Netzwoche befragten Akteure für möglich. Träfe der Worst Case dennoch ein, würden wohl viele EWs abspringen und Swisscom im Alleingang vor allem an den für sie attraktiven Standorten den Ausbau forcieren: Das heisst konkret in den Städten, in Ballungsräumen und an Orten, wo sie UPC Cablecom Kunden streitig machen kann. Mit der Konsequenz eines digitalen Stadt-Land-Grabens. Wunschvorstellung dürfte hingegen auch das komplette Durchwinken der Vertragswerke sein. Was bleibt ist der gutschweizerische Kompromiss.
Ob die Akteure dazu bereit sind? Einiges deutet darauf hin, dass auch Swisscom und die EWs an den aktuellen Umtrieben selbst nicht ganz unschuldig sind. "Die Meldungen (zur Überprüfung der Vertragswerke, Anm. der Red.) wurden alle separat und über einen grösseren Zeitraum gestaffelt eingereicht, was den Aufwand und Zeitbedarf erhöht, da jetzt zwölf Verfahren parallel geführt werden müssen", führt Weko-Vizepräsidentin Söhner-Bührer gegenüber der Netzwoche aus. "Wir haben trotzdem versucht, die Verfahren in den engen rechtlichen Grenzen zu vereinheitlichen und zum Teil deutlich vor Ablauf der gesetzlichen Fristen das Widerspruchsverfahren abgeschlossen."
Was geschieht in Freiburg?
Trotz umstrittener Entscheide die Schuld nur der Weko in die Schuhe zu schieben, greift zu kurz. Dies bestätigen Andeutungen eines Insiders im Fall des vor Jahresfrist geplatzten Orange-Sunrise-Deals. Das französische Mutterhaus von Orange – in mangelnder Kenntnis helvetischer Gepflogenheiten – sei in den Verhandlungen mit der Weko bei Details hart geblieben. Mit etwas mehr Kompromissbereitschaft in Richtung Weko hätte der Deal eventuell zustande kommen können, so der den Telkos nahestehender Branchenkenner.
Swisscom hat derweil angekündigt, im Fall des Entscheids in Freiburg gemeinsam mit Groupe E über einen Weiterzug an das Bundesverwaltungsgericht nachzudenken. Ein solcher müsste innerhalb von 30 Tagen eingereicht werden, also bis Ende Mai. Laut Swisscom-Sprecher Schulze seien die Partner derzeit an einer Lagebeurteilung: "Würde das Gemeinschaftsunternehmen zum jetzigen Zeitpunkt wie geplant vollzogen, bestünde die Gefahr direkter Sanktionen. Ob dieses Risiko letztlich tragbar ist, müssen die Partner bis Ende Mai beurteilen."

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