Im Interview mit Dorothée Appel

"Meine Leidenschaft für die IT wurde mir schon in die Wiege gelegt"

Uhr | Aktualisiert
von asc

Dorothée Appel arbeitet seit 1. Mai 2011 bei Microsoft als CIO für die Schweiz und Deutschland.  Mitte Juni war die Managerin das erste Mal in ihrer neuen Funktion in Wallisellen. Im Interview mit der Netzwoche erklärt sie, wie sie sich schon seit vielen Jahren in einer Männerdomäne zurechtfindet.

Frau Appel, wie sind Sie CIO von Microsoft Schweiz und Deutschland geworden?

Im Anschluss an mein Informatikstudium habe ich – nach einem einjährigen Zwischenstopp als Entwicklerin bei Digital Equipment in Mailand – meine eigentliche IT-Karriere in Deutschland als Trainerin und dann als Beraterin bei Microsoft Consulting Services gestartet. Um neben der Technologie das eigentliche Business meiner Kunden noch besser verstehen zu können, kombinierte ich diesen Job sehr bald berufsbegleitend mit einem Executive MBA. Diese zusätzliche Ausbildung sowie der Wunsch, auch in anderen Unternehmen meine Erfahrungen zu sammeln, führte nach einigen Jahren dazu, dass ich Microsoft verliess und zu Booz Allen & Hamilton in die IT-Strategieberatung wechselte. Zuletzt arbeitete ich 2010 als stellvertretender weltweiter CIO für Axa Assistance in Paris. Anfang 2011 kam dann Reza Nazemann auf mich zu und bot mir den Job als CIO von Microsoft für Schweiz und Deutschland an. Zu der Zeit pendelte ich noch jede Woche zwischen Paris und München und reiste zusätzlich sehr häufig beruflich nach Buenos Aires, trotz meiner in München lebenden Familie. Gerade auch deshalb musste ich nicht lange überlegen, ob ich das Angebot annehme, zu Microsoft zurückzukehren.

Was hat Ihre Leidenschaft für die IT geweckt?

Diese Leidenschaft wurde mir quasi in die Wiege gelegt. Ich wuchs in einer sehr technisch geprägten Umgebung auf: Mein Vater war als Physiker am Cern in Genf tätig, meine Mutter unterrichtete Mathematik und Physik. Da war es für mich keine Frage, dass auch ich einen technischen Studiengang wählen wollte. Wie viele Kinder suchte ich mir ein von den Aktivitäten meiner Eltern und Geschwister unterschiedliches Studienfach – aber technisch musste es schon sein. Ich begann mein Studium zwar ohne nennenswerte IT-Vorkenntnisse, wurde aber ab Studienbeginn mit einem Stipendium unterstützt und arbeitete schon ab dem ersten Semester parallel zum Studium im Werkstudentenprogramm bei Siemens, bei IBM und im Fachbereich Informatik der Universität in Karlsruhe.

So ging es dann auch in Ihrer Karriere weiter?

Ja, eigentlich habe ich zu verschiedenen Zeitpunkten meines Lebenslaufs eine aktive Förderung meiner Karriere und Anerkennung erfahren. Diese Förderung zieht sich wie ein roter Faden durch meinen Lebenslauf. Das fing wie schon erwähnt beim Studium mit einem Stipendium an, ging dann bei Microsoft so weit, dass das Unternehmen mir meinen zweiten Abschluss, den schon erwähnten MBA, grösstenteils finanziert hat – der Rest wurde dann von Booz Allen & Hamilton übernommen. Auch Booz Allen & Hamilton hat mich aktiv gefördert und mir dabei als Berater die Freiheit gegeben, Familie und Beruf miteinander zu vereinbaren: Hier wurde ich trotz einer zeitweisen Teilzeittätigkeit zum Senior Associate befördert. Wenn ich an diese verschiedenen Positionen zurückdenke, bin ich meinen Managern in diesen Unternehmen heute noch dankbar dafür, dass sie mich auch in kritischen Zeiten des Lebens wie in den Kleinkindphasen meiner Kinder immer wieder aktiv darin bestärkt haben, meinen Weg zu gehen.

Und wie bringen Sie Familie und Beruf unter einen Hut?

Das Familienmodell ist sehr wichtig: Man muss sich mit seinem Partner darüber einig sein, wie man Kinder und Beruf so miteinander vereint, dass keiner darunter leidet. Für meine zwei Kinder und für den Haushalt haben wir deshalb schon seit der Geburt der Kinder eine Betreuerin beziehungsweise Haushaltshilfe. Als Beraterin war und als CIO bin ich immer noch viel unterwegs, aber ich habe immer den Rückhalt von zuhause. Mir ist wichtig, dass meine Familie nicht unter meinem Beruf leidet.

Für Sie war also das "Frau-Sein" in einer Männerdomäne wie der IT noch nie ein Problem?

Es ist statistisch natürlich noch nicht üblich, als Frau Führungskraft in der IT zu werden. Bei meinen bisherigen beruflichen Stationen spielte das "Frau-Sein" aber nur eine untergeordnete Rolle. Das lag primär an der jeweiligen Unternehmenskultur, in der vor allem die Diversität gelebt wurde. Es gab also so viele unterschiedliche Kulturen, dass das Geschlecht nicht der auffälligste Unterschied war.

Welche Hürden hatten Sie in der Karriere als Frau zu meistern?

Als Frau hat man immer die Herausforderung, in der beruflichen Position von Männern akzeptiert zu werden. Das ist in der Gesellschaft über das traditionelle Frauenbild einfach tief verankert. Diese Hürde meistert man aber sehr schnell, wenn man durch Kompetenz überzeugt, und ein gleichberechtigtes Arbeiten wird dann nach meiner Erfahrung nicht mehr in Frage gestellt. Viel schwieriger ist es meistens für das soziale Umfeld, die Kombination von beruflicher und familiärer Verantwortung zu akzeptieren. Diese Hürden sind unvergleichlich höher als ein eventuell in männlichen Kollegen verankertes Frauenbild.

Was empfehlen Sie jungen Frauen, die eine Informatik-Laufbahn und irgendwann eine Führungsposition anstreben?

Zuerst sollten sie sich einen Beruf oder ein Fach aussuchen, mit dem sie sich auch identifizieren können und das ihnen wirklich Spass macht. Dann ist es sehr wichtig, dass man seine Ausbildung sehr breit aufstellt. Ich habe eine Informatik- und eine Wirtschaftsausbildung und habe mir über die Jahre hinweg durch Unterricht und Berufstätigkeit vier Sprachen angeeignet. Dadurch bin ich sehr flexibel, also nicht nur auf die Informatik beschränkt. Auch die Unternehmenskultur eines Konzerns spielt eine grosse Rolle für die Erfolgswahrscheinlichkeit: Frauen sollten darauf achten, dass sie sich ein Unternehmen suchen, in dem es eine bunte Mischung aus verschiedenen Kulturen gibt und "Diversity" wirklich gelebt wird. Und zuletzt ist das eigene Umfeld entscheidend. Eine Frau in der IT mit Führungsambitionen sollte sich ein Umfeld schaffen, das solch ein Leben ermöglicht – angefangen vom Partner über den Freundeskreis bis zum Wohnort und zur gesamten umliegenden Infrastruktur. Wir haben dazu auch den einen oder anderen Umzug in Kauf nehmen müssen. Aber am Ende ist alles eine Frage des eigenen Mutes.

Sie waren Mitte Juni das erste Mal in Ihrer neuen Funktion am Schweizer Microsoft-Standort in Wallisellen. Was haben Sie an Ihrem ersten Tag erlebt?

Ich habe verschiedene Leute kennengelernt, so auch den Geschäftsführer Peter Waser, den IT-Manager Martin Hämmerli und Claudia Wentsch, unser Director Customer and Partner Experience. Ich bin – wie bei Microsoft üblich – sehr offen empfangen worden und habe mir zuerst einen Überblick über das aktuell laufende Innovationsprojekt für das Unternehmensgebäude in Wallisellen verschafft.

Was sind für Sie die grössten Herausforderungen als CIO bei Microsoft?

Microsoft steht wie die gesamte Industrie vor einem grossen technologischen Umbruch. Konkret geht es um den Wandel hin zu Cloud-Services, der sich bis 2015 vollziehen und die gesamte Wertschöpfungskette in der Softwarebranche verändern wird. Da möchte auch ich meine Erfahrungen einbringen. Ausserdem werden wir in den nächsten Jahren die interne IT von Microsoft zu einer Realtime-IT umwandeln.

Sehen Sie sich in einer Art Vorreiterrolle als Führungspersönlichkeit in einer IT-Firma?

Ich bin jetzt 43 Jahre alt, und als ich vor vielen Jahren Informatik studierte und anschliessend meinen beruflichen Weg als IT-Beraterin startete, gab es kaum Frauen in der Branche. Eigentlich ermöglicht aber gerade der hohe Technologieeinsatz den Unternehmen der IT-Branche, allen ihren Mitarbeitern im Sinne einer echten Diversität zu erlauben, neben dem Beruf verschiedenste persönliche Herausforderungen zu meistern. Ich will deshalb andere Frauen und Männer ermutigen, einen ähnlichen Weg zu gehen. Denn zuletzt haben alle Führungspersönlichkeiten in IT-Unternehmen eine starke Vorreiterrolle, sowohl in der eigenen Branche als auch in unserer Gesellschaft.