"No Pain, no Change"
David Kuster (Junisphere) und Gabriel Felley (Fachhochschule Nordwestschweiz) sprechen über ihr von der Kommission für Technologie und Innovation gefördertes Projekt. Die Agentur des Bundes unterstützt Projekte, die von Unternehmen und Fachhochschulen gemeinsam umgesetzt werden.

Die Kommission für Technologie und Innovation (KTI) ist die Förderagentur des Bundes für Innovation. Sie unterstützt regelmässig Projekte aus der anwendungsorientierten Forschung und Entwicklung. In der Regel werden diese Projekte in einer Partnerschaft zwischen einem Unternehmen und einer Fachhochschule umgesetzt. Dabei übernimmt die Fachhochschule den Forschungspart. Das Unternehmen kreiert ein Produkt und vermarktet es.
Derzeit erarbeiten die Fachhochschule Nordwestschweiz (FHNW) und die Junisphere Systems AG zusammen eine Methode zur Beschreibung der gegenseitigen Abhängigkeit von Geschäftsprozessen und IT. Die Netzwoche hat sich mit Gabriel Felley von der FHNW und David Kuster von Junisphere darüber unterhalten, wie solche öffentlich-privaten Projekte organisiert sein sollten und was sie attraktiv macht.
Meine Herren, Sie arbeiten zusammen an einem KTI-geförderten Projekt, worum geht es kurz gesagt?
David Kuster: Die Junisphere Systems AG hat eine Methode entwickelt, die die kritischen Geschäftsprozesse den unterstützenden IT-Services und -Komponenten zuordnet. Dadurch entsteht ein durchgängiges vertikales Abbild der Wirklichkeit innerhalb eines Unternehmens. Die dazu notwendigen Informationen werden in Workshops mit dem Kunden erarbeitet und dokumentiert. Danach wird das erfasste Wissen zu einem Dependency-Modell konsolidiert. Ziel des KTI-Projekts ist es, diese Methode aus wissenschaftlicher Sicht weiterzuentwickeln, und zu automatisieren. Hierzu muss das in den Workshops ermittelte Wissen in standardisierter Form elektronisch abgelegt werden. Zusätzlich wurde ein Fragenkatalog, den wir Assessor nennen, entwickelt, um die Prozessreife eines untersuchten Unternehmens zu beurteilen.
Hierfür gibt es aber schon andere Methoden.
Kuster: Ja, aber wir haben einen neuen Ansatz gewählt. Wir gehen von einem fiktiven Unternehmen aus, bei dem die lückenlose Verlinkung der Geschäftsprozesse mit den entsprechenden ICT-Komponenten etabliert ist. Diesen Zustand bezeichnen wir als Business E-Reality. Dementsprechend vergleichen wir den Ist-Zustand der untersuchten Unternehmen mit dem Soll-Zustand. Daraus werden eine GAP-Analyse abgeleitet und Empfehlungen für den Kunden generiert. Zusätzlich soll das Wissen über die Methode an den Kunden weitergegeben werden, sodass er diese eigenständig einsetzen kann. Dazu bietet die FHNW Lehrveranstaltungen an, die Bestandteil eines Certificate of Advanced Studies sind. Junisphere wird zusätzlich kundenspezifische Schulungen offerieren. Die in der Schweiz eigens entwickelte Softwarelösung heisst E-Designer und kommt im September dieses Jahres auf den Markt.
Wie organisiert man ein Projekt zwischen einer Fachhochschule und einem KMU?
Kuster: Wir wenden dabei ein hybrides Modell an, das Komponenten aus Wasserfall-Modell und agilem Vorgehen integriert. Zu Beginn war es wichtig, eine gemeinsame Sprache, ein gemeinsames Verständnis zu schaffen und den Projektumfang zu definieren. Als Basis der gemeinsamen Sprache haben wir ein eigenes Metamodell entwickelt.
Gabriel Felley: Ein heikler Punkt war das Ausbalancieren der unterschiedlichen Bedürfnisse: Was priorisiert die Fachhochschule und was der Industriepartner? Wir als Bildungsinstitution wollen vor allem methodische und theoretische Aspekte hervorheben. Für ein Unternehmen ist eine möglichst kurze Time-to-Market entscheidend. In diesem Spannungsfeld mussten wir eine gemeinsame Linie finden.
Das klingt jetzt alles relativ harmlos. Gab es keine Momente, in denen die beiden Kulturen wirklich aufeinandergeprallt sind?
Felley: Während der Umsetzung stellt sich unweigerlich die Frage nach den Ressourcen. Ein KTI-Projekt gibt einen festen Rahmen für Ressourcen vor, die von der Fachhochschule zur Verfügung gestellt werden sollen. Wenn dieser Rahmen gesprengt wird, gibt es Probleme. In einer Partnerschaft wie der unseren treten sie verschärft zutage, weil die Beteiligten teilweise divergierende Interessen verfolgen. In solchen Momenten müssen unter Umständen die Rollen neu ausgehandelt werden.
Das klingt so, als sei die Organisationsentwicklung innerhalb eines KTI-Projekts schon die halbe Miete.
Felley: Ja, hier sind soziale Kompetenzen sehr gefragt. Es stehen beide Seiten unter Druck.
Kuster: Ein kleines Beispiel: Die Fachhochschule ist sehr daran interessiert, Prototypen zu entwickeln, also schnell etwas Geniales auf die Beine zu stellen. Wir als Unternehmen hingegen müssen ein Produkt kreieren, das während fünf bis sechs Jahren weiterentwickelt werden kann. Mit anderen Worten: Die Anforderungen der beiden Partner an die Code-Qualität unterscheiden sich deutlich. In solchen Fällen muss ein Konsens gefunden werden.
Felley: Generell ist die menschliche Dimension sehr wichtig. Man muss dafür sorgen, dass beide Partner Transparenz wahren und sich gegenseitig trauen.
Von welcher Grössenordnung der Förderung sprechen wir hier?
Felley: In diesem Projekt sind es rund 400 000 Franken, die die FHNW in Form von Personalressourcen einsetzen kann.
Kuster: Insgesamt reden wir von einer Million Franken Gesamtbudget. Umgerechnet entspricht das etwa 10 000 Stunden.
Gibt es ausser den Zuschüssen beim Arbeitsaufwand noch andere Vorteile für Ihre Firma?
Kuster: Wir profitieren nicht nur von der Arbeitsleistung der Fachhochschule, sondern auch vom Forschungsanteil, der mit einem KTI-Projekt immer verbunden ist. Wir hätten kein Metamodell entwickelt, wenn wir das Produkt alleine auf die Beine gestellt hätten.
Und wovon profitiert eigentlich die Fachhochschule bei KTI-Projekten?
Felley: Wir profitieren davon, dass wir im Kontext mit dem entwickelten Produkt als Partner genannt werden. Dadurch erhöhen wir unsere Visibilität in der Wirtschaftswelt. Zudem können wir Themen und Tools aus einer aktuellen Entwicklung bei uns in die Lehre einbauen. So zeigen wir, dass wir nicht nur im Elfenbeinturm immer wieder dieselben Konzepte neu aufkochen, sondern vorne mit dabei sind. So nimmt man uns wahr als eine Organisation, die nicht nur Wissen vermittelt, sondern auch kreiert. Das verhilft uns zu einer besseren Verankerung bei den KMUs und positioniert uns als praxisnahe Institution. Dadurch gewinnen wir an Attraktivität im Weiterbildungsmarkt, der für Fachhochschulen sehr wichtig ist.
Herr Kuster, haben Sie in der Zusammenarbeit mit der FHNW gemerkt, dass man dort Erfahrung mit KMUs hat?
Kuster: Ja, zwar pflegen die Vertreter der Schule viele theoretische Aspekte in ihrem Denken, aber offensichtlich fühlen sie sich in der Zusammenarbeit mit uns wohl. Selbstverständlich haben wir immer wieder rege miteinander diskutiert, uns dabei jedoch stets auf das gemeinsame Ziel fokussiert.
Felley: Es bestätigt sich immer wieder: No Pain, no Change.
Wie ist das mit dem geistigen Eigentum in so einem Projekt geregelt?
Kuster: Wir haben eine Vereinbarung ge-schlossen. Die sieht in groben Zügen folgendermassen aus: Das, was selbst erarbeitet wurde, bleibt dort, wo es herkommt. Das, was gemeinsam erarbeitet wurde, steht beiden zur Verfügung.
Von wem ging bei diesem Projekt die Initiative aus?
Kuster: Junisphere hat sich schon lange mit der Frage beschäftigt, ob wir ein KTI-Projekt lancieren sollen. In diesem Zusammenhang haben wir uns verschiedene Fachhochschulen angesehen. Für die FHNW haben wir uns entschieden, weil sie unsere Bedürfnisse optimal abdeckt.
Wie lange dauert es von der Eingabe eines Projekts bis man loslegen kann?
Kuster: Bei uns hat es etwa sieben Monate gedauert. Aus Unternehmersicht sollte es nicht länger als ein Jahr dauern, weil sich gerade in der Informatik die Marktsituation schnell verändert. Die Grundidee ist es, aus dieser Partnerschaft einen Marktvorteil zu generieren.
Hätten Sie das Projekt E-Designer auch ohne KTI durchgezogen?
Kuster: Ich glaube nicht. Wir fokussierten uns zunächst auf die Überwachungslösung E-Ranger. Wahrscheinlich hätten wir alleine den Schritt zur Automatisierung der Methode nicht gewagt.
Das Interview mit Kuster und Felley erschien in der Netzwoche 10/2012.

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