Wie umgehen mit Social Media?

"Öffentliche Verwaltungen müssen Social Media erst lernen"

Uhr | Aktualisiert
von Filip Zirin

Immer mehr öffentliche Verwaltungen setzen auf Social Media. Winterthur ist schon länger mit dabei. Christoph Zech, Leiter E-Government der Informatikdienste, erklärt, wie die Stadt sich dem Thema angenähert hat.

Christoph Zech, Lead E-Gov Winti
Christoph Zech, Lead E-Gov Winti

Herr Zech, wieso kommuniziert Winterthur über Social Media?

Der Stadtrat von Winterthur hat in seinen letzten Legislaturzielen explizit festgehalten, dass er den Bereich E-Government ausbauen will. Winterthur möchte eine moderne und innovative Pionierstadt im E-Government sein. Da liegt es nahe, moderne Kommunikations- und Dialogmittel wie Social Media einzusetzen.

Wie sehr hat die Möglichkeit, sich zu profilieren, eine Rolle gespielt?

Anfangs stand dies sicherlich nicht im Vordergrund. Inzwischen wurde aber erkannt, dass man mit Social-Media-Aktivitäten nicht nur die Dienstleistungen gegenüber verschiedenen Anspruchsgruppen verbessern kann, sondern auch etwas fürs Image tut. So können wir auch dem Ruf von Winterthur, eine innovative Stadt im Bereich Internet zu sein, gerecht werden.

Was braucht es, um in die Welt der sozialen Medien einzutauchen?

Nicht nur bei uns, sondern auch in Gesprächen mit anderen Verwaltungen habe ich festgestellt, dass es immer die Initiative von einzelnen Personen ist, die den Einstieg ermöglicht. Nach und nach ziehen dann andere Abteilungen mit. Generell muss man bereit sein, etwas zu experimentieren. Unsere relativ dezentrale Kommunikationsstruktur hat uns da geholfen, den Anfang zu machen.

Sind es nicht meistens die Kommunikationsabteilungen in den Verwaltungen, die den Schritt zu Social Media forcieren?

Leider haben noch nicht alle Kommunikationsabteilungen das Potenzial der neuen Möglichkeiten erkannt. In Winterthur wird Social Media noch mehrheitlich von den Informatikdiensten vorangetrieben. Wir befinden uns aber in einem intensiven Dialog mit den Kommunikationsdiensten, um das Know-how zu transferieren.

Wo klemmt es bei den Kommunikationsabteilungen?

Vielfach fehlt es an personellen Ressourcen für die Onlinekommunikation. Das Medium Online wird immer noch nicht als «Hauptkommunikationskanal » angesehen. Aus einer «klassischen» Kommunikationsfachperson wird nicht über Nacht ein Social-Media- Experte.

Wie hat sich Winterthur diesem wenig bekannten Gebiet Social Media angenähert?

Wir sind die Sache sehr pragmatisch angegangen. Vor gut zwei Jahren starteten wir mit einem Twitter-Account. Dieser wird mit offiziellen Nachrichten gespeist. Später folgte eine erste Facebook-Seite eines kulturellen Bereichs. Mittlerweile sind wir auch auf Flickr und Youtube präsent.

Welche Erfahrungen hat man gemacht?

Wir haben festgestellt, dass es unbedingt nötig ist, gewisse Leitplanken zu setzen. Diese möchten wir aber bewusst nicht zu eng halten, denn es soll Platz für Innovationen geben. Um keinen Wildwuchs zu bekommen, muss Social Media in einem Kommunikationskonzept, in einer Social-Media-Policy sowie in einem Styleguide berücksichtigt werden.

Winterthur ist experimentierfreudig. Wie wichtig ist das für Social Media?

Ich bin überzeugt, dass die Lebendigkeit von Social Media auch mit einer gewissen Experimentierfreudigkeit zusammenhängt. Man muss auch einmal den Mut haben, etwas auszuprobieren, das im Nachhinein betrachtet dann vielleicht nicht wirklich funktioniert hat.

Experimente gehören nicht zu den Kernkompetenzen von Verwaltungen. Wie lässt sich also das Social-Media-Experiment mit Risikoaversion vereinbaren?

Viele Ideen sterben deswegen schon von vornherein. Es gibt in den Verwaltungen oft den Anspruch, perfekt sein zu müssen. Man glaubt, man könne es sich nicht leisten, etwas anzubieten, dass nicht zu hundert Prozent funktioniert. Das ist vielleicht einer der Gründe, wieso noch nicht mehr auf Social Media gesetzt wird. Ich versuche in Gesprächen immer wieder aufzuzeigen, dass Menschen, die über Social Media kommunizieren, keinen Anspruch auf Perfektion haben. Vom Gedanken der Perfektion muss man sich lösen können.

Wird es dann in Zukunft eine Trennung zwischen Services mit hohen Ansprüchen und anderen Services geben?

Die Basis wird immer das Webportal sein. Als Ergänzung dazu werden Social-Media- Gefässe genutzt. Vielleicht wird es gewisse Dienste geben, die nur dort angeboten werden. Der Nutzer wird dann bestimmen, über welchen Kanal und wie schnell er über etwas informiert werden möchte.

Facebook und Twitter halten sich nicht an die Öffnungszeiten. Steht den Verwaltungen ein Betrieb rund um die Uhr ins Haus?

Bei Twitter und Facebook handelt es sich natürlich um sehr schnelle Kommunikationskanäle. Deshalb ist es wichtig, möglichst rasch zu reagieren. Allerdings erwartet niemand, dass ausserhalb der normalen Öffnungszeiten von Seiten der Verwaltung kommuniziert wird. Zudem kann über diese Kanäle zum Beispiel im Vergleich zu einer E-Mail informeller kommuniziert werden, was die Kommunikation zusätzlich beschleunigt.

Muss innerhalb der Verwaltung ein gewisser Wandlungsprozess stattfinden?

Der Umgang mit dem öffentlichen Dialog muss zuerst einmal gelernt werden. Man muss sich Fragen stellen wie zum Beispiel: Was macht man mit öffentlich im Internet geäusserter Kritik? Welche Erwartungen werden an eine Social-Media-Präsenz der Verwaltung gestellt? Ich bin aber überzeugt, dass sich der Umgang mit Social Media normalisieren wird. Gerade im Bereich E-Participation sehe ich ein grosses Potenzial.