"Technologie erachte ich etwas spitz formuliert als Nebensache"
Triple Eye ist ein kleines Bieler Softwareunternehmen, das noch vor acht Jahren ein Ein-Mann-Betrieb war und heute bereits neun Personen beschäftigt. Yves Flückiger, Gründer und Geschäftsführer von Triple Eye, berichtet im Interview darüber.

Herr Flückiger, wie lebt es sich mit einem kleinen Softwareunternehmen in Biel?
Biel und seine Umgebung bieten spannende Industrien. Als Angestellter im klassischen Mittelbetrieb wurde es mir zu eng. Ich habe Triple Eye 2004 gegründet, weil ich Projekte weitreichender mitgestalten und Problemstellungen ganzheitlich angehen und auch entscheiden wollte. Der Anfang war nicht immer einfach, aber inzwischen geht es uns sehr gut.
Wie war denn die Auftragslage am Anfang?
Es war lange so, dass wir nicht weit vorausplanen konnten. Ganz am Anfang war ich ja noch alleine, da war die Verantwortung nicht so gross. Doch mit den ersten Mitarbeitern wurde auch der Druck grösser. Wir hatten damals keine finanziellen Reserven, mussten natürlich aber dennoch die Löhne garantieren. Das war schwierig. Jetzt sind wir stabiler aufgestellt. Gut war, dass wir immer konsequent unseren Weg gegangen sind und uns von Schwierigkeiten nicht ins Bockshorn haben jagen lassen.
Wie sieht denn Ihr Weg aus?
Es geht mir um die Zusammenarbeit mit den Menschen in erfolgreichen Projekten, seien es nun die Mitarbeiter, die Kunden oder die Nutzer von Systemen. Man kann seine Arbeit nicht nur in technischer Hinsicht machen. Man muss auch berücksichtigen, wie man Kunden, Nutzer und die eigenen Leute mit ihrem Beitrag ins Boot holt. Das finde ich spannend. Auch das Lösen von Problemen gefällt mir. Unterschiedliche Sichtweisen von Stakeholdern zusammenzuführen, finde ich aber meist anspruchsvoller, als die technischen Probleme zu lösen. Man lernt dabei auch sehr viel.
Was würden Sie anders machen, wenn Sie noch einmal von vorne anfangen könnten?
Ich würde früher Mitarbeiter anstellen. Ich habe mich zu lange im zu kleinen Kreis gedreht. Ich würde auch eher nach draussen gehen. Wir sind jetzt in einer Phase, in der wir das explizit tun. Wir haben zum Beispiel acht Jahre ohne Website existiert, jetzt sind wir daran, einen neuen Auftritt zu entwickeln und stehen damit kurz vor dem Abschluss.
Woher kommt dieser Sinneswandel?
(Überlegt) Ich würde fast behaupten, dass es sich dabei um falsche Bescheidenheit handelt. Es ist jetzt aber auch eine Notwendigkeit, mit der Grösse, die wir erreicht haben. Und es ist ein Element, das Spass macht.
In welchen Branchen sind Sie tätig?
Lösungen von uns können jeden Lebensbereich betreffen. Meistens geht es um Visualisierungen und Prozessabläufe menschlicher Arbeit. Wir sind sehr in die Medizinaltechnik involviert, eigentlich schon fast von Anfang an. In diesem Bereich bearbeiten wir mehrere längerfristige Projekte, zum Beispiel in der Ophthalmologie, wo wir für einen Kunden einen Grossteil der Software für seinen Augenlaser und für Messgeräte entwickeln. Dabei geht es oft darum, dass wir Forschungsergebnisse in Softwareprodukte umsetzen. Was uns im Moment auch stark beschäftigt, ist eine Software für webbasiertes Eventmanagement zu entwickeln, die für grosse Sportanlässe eingesetzt werden kann.
Für welche Art von Sportanlässen?
Ab 2014 wird diese Software namens "STV Contest 2013" für jedes mittlere bis grosse Turnfest eingesetzt. Für das Eidgenössische Turnfest, das 2013 in Biel stattfindet, wird es die zentrale Software sein. Man erwartet für diesen Sportevent 60 000 Athleten, 120 000 Besucher und etwa 8000 Helfer.
Was ist dabei die Aufgabe der Software?
Der Veranstalter wickelt den ganzen sportlichen Teil des Anlasses von A bis Z über die Lösung ab. Das fängt bei der Anmeldung an, geht bis hin zur Planung von Ressourcen wie Helfer und Sportplätze. Zudem muss jeder Athlet wissen, wann er wo sein muss. Die Software stellt auch wichtige Logistikdaten zur Verfügung, erstellt die Rechnungen, publiziert die Wettkampfresultate und wertet sie für die Ranglisten aus.
Das klingt sehr komplex.
Ja, das ist es. Im Turnsport gibt es viele Abhängigkeiten in über hundert Disziplinen. Ein Verein muss alle seine Athleten anmelden können. Dabei muss er diverse Zusatzinformationen angeben, zum Beispiel wer mit dem Auto kommt und wer mit dem ÖV. Daraus generieren wir dann Datensätze, damit die SBB wissen, wann sie Sonderzüge einsetzen müssen.
Wie sieht das Marktpotenzial für diese Software aus? Könnte Sie auch für andere Sport-Grossanlässe oder in anderen Gebieten eingesetzt werden?
Da sehe ich Potenzial. Wir haben eine Lösung für den komplexesten Sportbereich gebaut. Dieses Know-how können wir auch Organisatoren anderer Events zur Verfügung stellen. Die Lösung ist modular aufgebaut. Das Grundgerüst eignet sich daher für das Management jedes grossen Events, bei dem es um Anmeldung, Planung, Logistikdaten und Publikation von Ergebnissen geht. Darauf aufgesetzt ist der spezifische Teil des Turnsports.
Wie kommt es, dass ein kleines Unternehmen mit neun Mitarbeitern einen solchen Monsterauftrag an Land zieht?
Ich wusste über einen Turnkontakt, dass es grundsätzlich an grösseren Sportanlässen immer wieder Lücken in der Datenerfassung und der Weiterverarbeitung von Daten gibt. In meiner Masterarbeit habe ich untersucht, was es braucht, wenn man diese Daten nicht auf Papier, sondern direkt elektronisch auf dem Sportplatz erfassen will. Die Ergebnisse dieser Arbeit stellte ich dem Schweizerischen Turnverband vor. Dabei erfuhr ich, dass sie sich eigentlich eine integrale Managementsoftware für Sportanlässe wünschten.
Wie haben diese Vereine denn solche Anlässe bisher organisiert?
Vorher gab es viele nicht vernetzte Tools von Einzelpersonen, eines für die Planung, eines für die Anmeldung und so weiter. Dann musste man die Daten exportieren und wieder in einem anderen Format importieren, also konnten Fehler passieren. Es gab auch keine Schnittstelle zur Verbandsoftware und wichtige Funktionen fehlten. Kurz gesagt: Die bestehenden Lösungen waren einfach nicht wetterfest und am einen oder anderen Ort immer wieder undicht. Das sorgte teilweise für grosse Aufregung. Wenn man beispielsweise die Rangliste im entscheidenden Moment nicht veröffentlichen kann, weil es irgendwo einen Eingabefehler gibt, den man erst noch finden muss, ist das sehr ärgerlich.
Hatten Sie den Auftrag nach dieser Präsentation beim Schweizerischen Turnverband schon in der Tasche?
Nein, so schnell ging das nicht. Er zeigte sich interessiert und bat uns, ein Pflichtenheft zu erstellen. Um dies tun zu können, mussten wir zuerst genau verstehen, was die Organisatoren eigentlich tun. Es gab bis dahin keine Zeile Schriftliches, auf das wir uns hätten stützen können. Also holten wir uns die Wissensträger an Bord und sind selbst vor Ort gegangen, haben Interviews geführt und die Rechenzentren besucht. Ich habe selbst an einem grossen Turnfest Resultate-Eingaben gemacht, um Betrieb und Abläufe besser zu verstehen und die Hektik zu erleben.
Da hatten Sie aber einen ziemlichen Aufwand.
Nun, wir müssen unsere Werkzeuge beherrschen. Die Technologie erachte ich etwas spitz formuliert als Nebensache. Denn nicht die Technik ist entscheidend, sondern das Verständnis des eigentlichen Problems. Aber nicht der Aufwand war damals das Problem, sondern die Tatsache, dass zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht klar war, ob wir den Zuschlag für die Realisierung in der Tasche haben. Ohne den hätte es sich wohl nicht gerechnet.
War das kein grosses Risiko für ein so kleines Unternehmen wie Triple Eye?
Doch, natürlich. Das war alles andere als einfach. Wir hatten lange Vertragsverhandlungen und mussten deshalb vieles vorfinanzieren, um den Zeitplan nicht zu gefährden. Und wir hatten das Risiko, dass das Projekt am Ende doch noch abgebrochen wird. Aber ich gewichtete die Chance höher.
Mit welchen Unternehmen haben Sie um diesen Auftrag konkurriert?
Der Schweizerische Turnverband hat auch grosse Firmen angefragt, die im Sportbereich und im Datenmanagement tätig sind und als Sponsoren auftreten. Schliesslich überzeugte aber unser Angebot.
Was war dafür ausschlaggebend?
Wir konnten rasch auf die Bedürfnisse des Kunden eingehen. Der Turnsport ist komplex, da kann man nicht auf eine Standardlösung zurückgreifen. Das sind Auswertungsverfahren, die noch aus einer Zeit stammen, in der es keine Computer gab, mit Formeln, die jedem Mathematiker die Haare zu Berg stehen lassen (lacht). Diese Formeln muss man irgendwie abbilden können.
Können Sie ein Beispiel nennen?
Man muss beispielsweise bei Mehrfachwettkämpfen den Hochsprung mit dem 100-Meter-Lauf vergleichen können. Das sind zwei verschiedene Werte. Auch wenn das Wetter umschlägt, muss dem Rechnung getragen werden. Einer der Turner muss vielleicht bei Regen turnen, der andere hat trockenes, schönes Wetter. Das wird bei der Auswertung alles berücksichtigt.
Aber hätte man diese ganzen Formeln nicht vereinfachen können?
Es gab einen Vorstoss, das Ganze unter Einbezug von Statistiken zu vereinfachen, aber das wurde in den Fachbereichen des Schweizerischen Turnverbands abgelehnt. Ich fand diese Situation spannend. Es ist nicht sinnvoll, etwas, was sich bewährt hat, zu ändern. Du kannst nicht einfach kommen und sagen: "Schau mal, wir haben da eine bessere Lösung, die liefert bessere Resultate." Sie wollen es so machen, wie sie es immer gemacht haben und das mit gutem Recht. Auch das ist Usability, zu sagen: "Nein, wir müssen denen nicht ein neues System aufzwingen", sondern ihr System verstehen und anwenden. Wenn sie sich daran gewöhnt haben und es so wollen, muss man es so umsetzen.
Ist diese Reaktion Teil Ihrer Philosophie?
Wir hätten es natürlich begrüsst, wenn wir das Berechnungssystem hätten ändern können, weil dann die Software einfacher geworden wäre. Aber in diesem Fall gibt es gute Gründe, dies eben nicht zu tun, und der gute Grund ist der Mensch. Du kannst als Unternehmen nicht eine ganze Organisation umkrempeln. Aber du kannst einer Organisation und damit dem Mensch selbst helfen, das, was er bisher getan hat, effizienter zu tun. Du darfst ihn nicht in den Bereichen belehren wollen, in denen er sich am besten auskennt.
Welche anderen Philosophien leben Sie?
Wir achten unter anderem darauf, dass unsere jungen Mitarbeiter nicht führungslos sind. Junge Menschen haben in manchen Unternehmen fast zu viele Freiheiten. Fachlich sind sie top und setzen die Dinge dann einfach so um, wie sie es für richtig halten. Das ist nicht immer im Sinn der Sache. Mir ist es wichtig, dass meine Leute getragen werden. Wenn wir jemanden einstellen, der jung ist, müssen wir die Kapazität haben, ihn mitzutragen, zusammen mit den Erfahrungen der anderen. Es geht dabei nicht darum, dass wir unsere jungen Mitarbeiter in ihren Freiheiten einschränken. Wir versuchen vielmehr, das, was sie noch nicht so gut können, zu fördern und von dem zu profitieren, was sie gut beherrschen.
Haben Sie viele junge Mitarbeiter?
Wir haben eine gute Mischung von Mitarbeitern über eine Altersspanne von 25 Jahren. Das wählten wir bewusst so. Zudem arbeiten bei uns Deutschweizer und Romands, das gibt dann oft eine gute Mischung.
Wie finden Sie neue Mitarbeiter?
Das ist nicht immer einfach und braucht Zeit. Mir ist es wichtig, dass jemand wirklich ins Team passt. Wir versuchen folglich nicht, auf Biegen oder Brechen jemanden zu finden. Ich habe auch die Erfahrung gemacht, dass ich nicht eine Menge Inserate schalten und ein genaues Profil abstecken muss. Die meisten, die sich dann vorstellen, haben sowieso ein anderes Profil. Da lohnt es sich, auf Distanz zu gehen und zu schauen, was ich mit diesen Skills tun kann. Wenn ich das ein wenig offenlasse, habe ich gute Chancen, jemanden zu finden. Die fachlichen Skills sind nicht die einzigen Dinge, die zählen.
Wie sieht denn ein Stelleninserat von Triple Eye aus?
Ich habe ein einziges Mal ein Stelleninserat geschaltet. Das mache ich nie wieder (lacht). Bei uns läuft vieles über persönliche Kontakte und das Streuen von Informationen. Gerade vor kurzem hatten wir damit Erfolg. Wir brauchten dringend jemanden, also streute ich diese Information und so fanden wir jemanden, der bei seinem Arbeitgeber bereits gekündigt hatte, ohne eine neue Stelle in Aussicht zu haben. Wenn er nichts Passendes gefunden hätte, wäre er auf eine Weltreise gegangen. Nun kommt er zu uns.
Machen Sie sich keine Sorgen, dass er dennoch auf seine Weltreise entschwinden könnte?
Er hat offensichtlich die Ziele, die er mit uns erreichen kann, stärker gewichtet. Wenn er später dennoch auf Weltreise gehen will, muss er das unbedingt tun.
Zur Person:
Der gelernte Elektroingenieur beginnt seine Laufbahn als Entwickler von Soft- und Hardware für mechatronische Echtzeitsysteme. Es folgt die Weiterbildung in Systemischem Projektmanagement. Die Erfahrungen bei der Entwicklung eines Eingabegeräts für einen Billettautomaten mit Sprachausgabe für blinde und sehbehinderte Menschen in Hongkong waren der Auslöser für ein Masterstudium in Usability Engineering, unter anderem an der Uni Basel. Inspiration findet der 45-jährige Bieler nebst der Arbeit in verschiedenen Tanzformen, als Mitorganisator des Bieler Kinderfestes oder als Crêpier im eigenen Catering. Nach einem Studienjahr an der Universität Nizza und verschiedenen Anstellungen in KMUs für sicherheitsrelevante Applikationen gründet er 2004 die Triple Eye GmbH.
Zur Firma:
Die Triple Eye GmbH mit Sitz in Biel ist ein Full-Service-Dienstleister für die Entwicklung kundenspezifischer Softwareprodukte. Integral bietet sie Usability-Evaluationen an, ab 2013 mit einem eigenem Usability-Labor. Ein Schwerpunkt ist die Entwicklung von technischer Software für die medizinische Industrie, hauptsächlich in den Bereichen User Interfaces, 2-D/3-D-Visualisierungen, Bildverarbeitung und Prozessabläufe. Ein weiterer Schwerpunkt sind Individuallösungen im Webbereich (Rich Internet Applications). Momentan baut Triple Eye eine Sportevent-Management-Plattform als Gesamtlösung für den Turn- und Spitzensport mit Modulen für die Anmeldung, Logistikplanung, Auswertung und Datenpublikation. Die Lösung wird 2013 mit dem Eidgenössischen Turnfest am grössten Sportanlass der Schweiz eingesetzt und ab 2014 an jedem grösseren Turnfest. Die Triple Eye GmbH ist inhabergeführt und beschäftigt zurzeit 9 Mitarbeiter.

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