Big Data

"Viele Unternehmen unterschätzen die Komplexität von Big Data"

Uhr | Aktualisiert
von Simon Zaugg

Wer sich mit Big Data auskennt, soll in den nächsten Jahren glänzende Berufsperspektiven haben – sagen Marktforscher. Bernd Schnabl und Alexej Freund, Big-Data-Experten bei Pricewaterhousecoopers (PWC), beziehen im Interview Stellung zu dieser und zu weiteren Fragen.

Software AG erweitert Vorstand. (Quelle: Stockxchng)
Software AG erweitert Vorstand. (Quelle: Stockxchng)

Herr Schnabl, Herr Freund, was sind die wichtigsten Entwicklungen auf dem Gebiet von Big Data?

Alexej Freund: Ein erster wichtiger Trend ist, dass Big Data immer mehr zum Endnutzer kommt. Das heisst, dass unter anderem jene Mitarbeiter, die heute beispielsweise Excel nutzen, verstärkt mit Big Data arbeiten. Heutige Communitys von BI-Endnutzern entwickeln sich zu "Data Scientists" weiter, ein Beruf, der von Hardvard Business Review als "Sexiest Job" im 21. Jahrhundert bezeichnet wurde. Es sind jedoch nicht ausschliesslich BI-Experten. Es kommen zum Beispiel auch Statistiker dazu, die mit Statistiksoftware arbeiten und die Logik solcher Software verstehen. Insgesamt haben Teams, die bei Big-Data-Projekten zusammenkommen, ganz unterschiedliche Hintergründe. Es gibt heutzutage auch kaum mehr jemanden, der über alle Bereiche ein gleich tiefes Verständnis hat.

Wie wird sich die Anbieterlandschaft entwickeln?

Bernd Schnabl: Ich bin davon überzeugt, dass Microsoft bald verstärkt auf diesem Markt auftreten wird. Sie haben bereits eine Lösung angekündigt, die derzeit im Test-Modus verfügbar ist. Da auch Microsoft auf Hadoop setzt, ist absehbar, dass wohl kein weiteres Map-Reduce-Framework dazukommen wird. Den Markt der Anbieter für hadoop-basierte Software beherrschen derzeit Hortonworks und Cloudera. Auch da wird, so schätze ich, auf die Schnelle kein weiterer dazukommen. Wie man sieht, versuchen IT-Dienstleister derzeit, diese Distribution enterprise-fähig zu machen und Support anzubieten. Es ist klar, dass der, der Hadoop einsetzen will, langfristig professionellen Support braucht. Das heisst aber nicht, dass künftig alles in Map-Reduce-Frameworks programmiert werden wird. Man wird mit Big Data arbeiten können, ohne Hadoop wirklich verstehen zu müssen. Und es ist absehbar, dass SQL nicht aussterben wird. Diese Datenbanksprache zu verstehen, ist immer noch die Grundvoraussetzung für jeden Information Worker.

Wie weit verbreitet ist das Wissen und die Möglichkeiten über Big Data in den Geschäftsleitungen?

Schnabl: Die Bandbreite ist gross. Vorab in der IT-Industrie gibt es in den Geschäftsleitungen fast immer jemanden, der Big Data wirklich versteht. Bei Unternehmen aus den meisten anderen Sektoren ist Big Data zumindest als Buzz-Word bekannt. Dort gibt es wiederum zwei Gruppen: Die Einen sagen, dass sie darauf setzen, weil sie den Zug nicht verpassen wollen, haben jedoch keine übergeordnete Strategie. Die Anderen warten noch ab, weil sie nicht Millionenbeträge in den Sand setzen wollen.

Wie sieht es bei KMUs aus?

Freund: Viele KMUs haben sich noch nicht mit Big Data auseinandergesetzt. Die meisten KMUs sind heute so weit, dass sie mit traditionellen BI-Werkzeugen arbeiten. Das ist heute kein Luxus mehr, sondern eine Notwendigkeit. In ein paar Jahren könnte dasselbe auch mit Big Data passieren.

Könnte die Cloud den Prozess beschleunigen?

Freund: Bei den BI-Werkzeugen war die Einstiegshürde sehr hoch. Man musste Infrastruktur kaufen. Heute haben wir die Cloud. Amazons Cloud-Infrastruktur ist ein gutes Beispiel. Dort können Nutzer mit sehr flexiblen Kostenstrukturen Big-Data-Technologien einfach nutzen. Das senkt die Einstiegshürde erheblich.

Was sind die häufigsten Fehler, die bei Big-Data-Projekten gemacht werden?

Schnabl: Viele Unternehmen, die Big-Data-Projekte angehen, unterschätzen deren Komplexität. Sie sind zu optimistisch mit ihrer Einschätzung, wie schnell Erkenntnisgewinne aus grossen Mengen von Unternehmensdaten entscheidend zum Umsatz beitragen können. Ein iteratives Vorgehen, ausgehend von einem klar abgegrenzten Proof of Concept, ist deshalb anzuraten.

Inwiefern können Big-Data-Projekte in Unternehmen auch Bottom-up aufgegleist werden? Oder ist es primär Aufgabe der Geschäftsleitung?

Freund: Bei den Unternehmen aus der IT-Industrie ist es ganz klar ein Top-down-Prozess. In den meisten anderen Unternehmen ist es notwendigerweise ein Bottom-up-Prozess. Die entsprechenden Abteilungen zeigen dem Management auf, was möglich ist. Das ist in dieser Form nichts Neues, denn zwei Drittel aller wirklich relevanten Innovationen in Unternehmen kommen aus dem untersten Drittel des Managements. Beispiele aus der Vergangenheit gibt es genug. Ich denke da an Implementierungen von Intranets oder die Umsetzung von IP-Netzwerken, bei denen man erst im Kleinen begonnen hat. Erst Jahre später folgten detaillierte Strategien und Konzepte aus den Geschäftsleitungen.