Bis zu 1,4 Gigabit pro Sekunde

Weltrekord bei Cablecom

Uhr | Aktualisiert
von George Sarpong

In Zürich hat Cablecom heute eindrücklich die Bandbreiten-Fähigkeit des herkömmlichen Kabelnetzes demonstriert. Das Unternehmen schiesst damit gegen die Glasfasernetze der Telekomanbieter.

Glückliche Gesichter bei Cablecom: Eric Tveter, CEO und Alfred Seiler Vice President Network Services
Glückliche Gesichter bei Cablecom: Eric Tveter, CEO und Alfred Seiler Vice President Network Services

Im Network Operation Center der Cablecom in Zürich haben sich heute eine Gruppe geladener Gäste zum Rekordversuch eingefunden. Zuerst wurden einem Dutzend neugieriger Journalisten eine Skiabfahrt im Fernseher präsentiert. Dabei war nicht nur die Abfahrt schnell, auch die Datenübertragung, die parallel zum Fernsehsignal lief hatte es in sich: 1,373 Gigabit pro Sekunde - nach Unternehmensangaben ein Weltrekord.

Aufwendiger Versuchsaufbau

Drei Wochen benötigte die Cablecom gemäss Versuchsleiter Davide Lo Gioco für den Aufbau des Testdurchlaufs. Ein herkömmliches Koaxial-Kabel lieferte dabei neben dem Fernsehsignal das Datensignal an eine gebräuchliche 3-Loch-Multimedia-Anschlussdose. Daran angeschlossen sind ein HD-Fernseher sowie ein Netzwerkkabel. Das liefert das Datensignal an vier parallel geschaltete Modems. Jedes der Modems hat eine Leistung von bis zu 0,4 Gigabit pro Sekunde.

Angeschlossen an einen Switch ergeben sie das für die hohe Übertragungsrate nötige Supermodem. Auf der Verbraucherseite dienten drei aktuelle Laptops mit modernen Core-i5-Prozessoren dem Testlauf.  "Ein einzelner Rechner kann diesen Datendurchsatz gar nicht verarbeiten", betont Lo Gioco. Um zu verdeutlichen, dass der Versuch jeder Zeit wiederholbar ist, zog er den Modemstecker aus der Kabeldose. Das Signal fiel auf Null. Er steckte das Modemkabel wieder ein und nach einem Moment des Wartens war das Signal wieder da. Dieses wurde gross an die Wand über dem Versuchsaufbau projiziert:1352,0 Megabit, zeitweise sind sogar 1400 Megabit von der Kontrollanzeige abzulesen. Das entspricht einem rund 70fachen Datendurchsatz, der aktuell von den Netzprovidern angeboten wird. Damit liesse sich ein HD-Film in unter fünf Sekunden auf dem heimischen Rechner speichern.

Stand der Technik

Filmliebhaber werden sich allerdings noch etwas gedulden müssen. "Wir könnten die heute vorgestellte hohe Bandbreite unseren Kunden offerieren," erklärt Alfred Seiler, Mitglied der Geschäftsleitung und verantwortlich für Netzwerk und Technologie bei der Kabelanbieterin.

Gibt aber zu bedenken, dass die Modemtechnik noch nicht soweit sei. Dem stimmt auch Martin Feist zu, Key Account Management Service Provider bei Cisco Schweiz, mit deren Netzwerk-Technologie der Rekordversuch überhaupt erst realisiert werden konnte. Desweiteren sind typische Endkundengeräte wie Laptops, Smartphones und ähnliches heute für maximale Geschwindigkeiten von mehreren hundert Megabit pro Sekunde noch nicht ausgelegt.

Interessant für Architekturbüros und Hot-Spots

Es stellt sich die Frage, wer das denn braucht? Es ging ja bisher auch ohne und die Verbraucher-Technik ist, wie bereits erwähnt, noch nicht einmal im Ansatz entwickelt. Entsprechende Technik liesse sich also nicht einmal an Technikenthusiasten verkaufen. Feist sieht die Interessenten woanders: "Architekturbüros welche grosse Überbauungen für viele Mietparzellen planen, werden sich dafür interessieren. Es stellt sich die Frage, ob es wirklich ein Glasfasernetz sein muss um alle Haushalte mit Netzwerktechnik versorgen zu können. Oder ob nicht einfach der herkömmliche Kabelanschluss reicht. Wird ein Mehrparteienhaushalt mit einer 100 Megabit-Leitung bedient, teilen sich alle Parteien letztlich diese 100 Megabit-Bandbreite. Bei rund 1400 Megabit-Bandbreite liessen sich entsprechend mehr Haushalte ohne Signalverlust versorgen, oder aber die gleiche Menge Haushalte mit einer höheren Bandbreite."

Höhere Bandbreiten dank digitalem Fernsehen

Am Anschlag scheint man bei Cablecom mit den heute erzielten 1,37 Gigabit pro Sekunde noch nicht zu sein. Im Gegenteil: Das Unternehmen schätzt, dass in circa zwei bis drei Jahren das Angebot an TV-Inhalten ausschliesslich auf digitalem Weg erfolgt. Das würde den Weg freimachen für weitaus höhere Datenübertragungsraten. Ein analoges Fernsehprogramm braucht immerhin eine Bandbreite von 100 Megabit pro Sekunde. Mit derselben Bandbreite liessen sich aber vier HD-Kanäle oder sogar zehn herkömmliche Digitalkanäle übertragen. Viel Raum also für zukünftige Bandbreitenerhöhungen bis hinauf zu den 6 bis 7 Gigabit Bandbreite, die ein Coaxial-Kabel insgesamt bietet.

Um eine so hohe Bandbreite über Glasfasernetze anbieten zu können, bedarf es einen gross angelegten und voraussichtlich entsprechend teuren Ausbau der bestehenden Netze. Dafür rechnet man bei Cisco wie bei Cablecom mit einem Zeitraum von rund zehn Jahren. Allerdings räumt auch die Kabelbetreiberin ein, dass die Störungsanfälligkeit der Signalübertragung bei Glasfaser geringer sei als beim Coaxial-Kabel.

Im Gespräch nach der Pressekonferenz zeigt sich Ralf Beyeler von Comparis erfreut über die heute vorgestellten technischen Möglichkeiten. Er hofft aber gleichzeitig, dass die Telekomanbieter wie Swisscom, ihre Glasfasernetze und TV-Angebote weiter ausbauen werden um ein Monopol seitens Cablecom zu verhindern.