Künstliche Intelligenz

"Wie will die Menschheit damit umgehen?"

Uhr | Aktualisiert

Stefan Wess wird am Tedx in Zürich einen Talk über künstliche Intelligenz halten. Der CEO von Empolis spricht im Interview über die Chancen und Gefahren von intelligenten Maschinen. Vielleicht lag Hollywood gar nicht so falsch.

(Quelle: Empolis)
(Quelle: Empolis)

Herr Wess, was verbindet Sie mit Tedx und warum werden Sie dort auftreten?

Tedx ist für ihre inspirierenden Vorträge bekannt und es ist für mich eine Ehre, dabei sein zu dürfen. Ich glaube, dort wird unsere Welt auch ein bisschen besser gemacht, indem wertvolle Ideen miteinander geteilt und zur Diskussion gestellt werden.

Sie haben die Firma Empolis mitgegründet. Welche Dienstleistungen bietet Sie an?

Wir helfen grossen internationalen Unternehmen und Organisationen, aus unstrukturierten Daten Wissen zu extrahieren und zielgerichtet zur Verfügung zu stellen. Im Automobilbereich beispielsweise helfen solche Daten den Werkstätten, die Mängel eines Autos zu finden und es schnell zu reparieren. In der Medizin oder der Finanzbranche helfen wir, Informationen zu durchforsten, zu analysieren und relevantes Wissen zur richtigen Zeit dem richtigen Mitarbeiter auf einem beliebigen Endgerät zur Verfügung zu stellen. Dadurch steigt die Qualität der Arbeitsleistung und die Kosten sinken. So lassen sich in einem Call-Center die Kosten um ein Drittel senken ‒ beispielsweise dann, wenn Sie dort anrufen und ein Mitarbeiter Ihnen direkt die richtige Antwort zur Lösung Ihres Problems geben kann und er nicht noch einmal nachhaken oder die Frage weiterleiten muss.

Warum befassen Sie sich mit künstlicher Intelligenz?

Ich beschäftige mich mit der Technologie schon sehr lange. Als Jugendlicher fing ich an, Spiele zu programmieren. Dabei wurde mir schnell klar, dass die Qualität der Spiele meist davon abhängt, wie gut der Computergegner spielt. Da liegt es nahe, dass man sich mit dem Thema künstliche Intelligenz (KI) intensiver befasst. Später habe ich dann Informatik studiert, in KI promoviert und ein paar Jahre auf diesem Gebiet geforscht. Danach gründete ich eine Firma, die heute noch die Algorithmen von KI in der Praxis einsetzt. Die KI begann mit grossen Erwartungen und bereits in den 60er-Jahren sagte man, dass Maschinen in 10 Jahren intelligenter als Menschen sein würden. Wie wir wissen, ist dies jedoch bis heute nicht der Fall. Viele Leute vergessen aber, dass aus diesen Bestrebungen ganz viele Dinge entstanden sind, die wir heute benutzen: Beispielsweise objektorientiertes Entwickeln wie Java oder die Sprachunterstützung bei Navigationssystemen.

Welche Bedeutung hat die künstliche Intelligenz heute?

Ich glaube, wir leben in einer sehr spannenden Zeit, weil die KI eigentlich immer um uns herum ist. Beispielsweise, wenn ich mit Siri spreche oder wenn mir bei Amazon Produkte empfohlen werden. Aber auch, wenn ich mit meinem Navigationssystem im Auto spreche, benutze ich diese Technologie. Die Frage ist natürlich, wie wird sich das Ganze entwickeln und darum wird es auch beim Tedx-Talk gehen. Ist es nur ein Hype oder sind wir an der Schwelle zu einer wirklichen künstlichen Intelligenz?

Ist diese Intelligenz mit der menschlichen Intelligenz gleichzusetzen?

Dies bleibt im Moment noch unbeantwortet. Die Frage ist eher: Haben wir eine Chance, so etwas zu entwickeln? Und wenn ja: Was bedeutet das?

Sind das nicht einfach Computer, die immer mehr Rechenleistung haben, aber nicht wirklich intelligent sind?

In erster Instanz ist das mit Sicherheit so. Aber nicht nur die Computer werden immer leistungsfähiger  sondern sie werden ja auch immer besser mit Inhalten gefüttert, durch Beispiele trainiert und getestet. Als ich aktiv in der Forschung war, ging es um 1.000 Beispiele und wenn wir heute die Algorithmen anschauen, dann findet man schon über 100 Millionen Beispiele, die man verwenden kann. Auf der einen Seite werden Computer und Netzwerke immer schneller, auf der anderen Seite liegen immer mehr Daten in digitaler Form vor. Das ist sicher anders als früher.

Welches sind die Hauptbereiche, in denen künstliche Intelligenz in nächster Zeit vermehrt eingesetzt werden wird?

In den letzten Monaten hat man gesehen, dass eigentlich jede grosse IT-Firma angefangen hat, in KI zu investieren. Angefangen mit IBMs Watson 2011, was vielleicht der neuerliche Weckruf war, sind auch Google, Amazon, Facebook, Microsoft und Apple und so weiter aktiv. Getrieben ist das erst einmal vom kommerziellen Nutzen. Wenn ich Waren digital verkaufen will, dann ist es natürlich entscheidend, was ganz vorne in der Trefferliste steht. Wenn ich die Vorlieben des Nutzers kenne, habe ich einen direkten ökonomischen Vorteil. Im Moment werden die Technologien im Wesentlichen dazu eingesetzt, die Zukunft ein wenig vorherzusagen; das heisst im Marketing, in der Sprachunterstützung, der Bildanalyse, der Gesichtserkennung und auch im Service. Das sind, glaube ich, die nächsten Schritte, wo dem Nutzer der Alltag erleichtert wird, ohne dass dieser merkt, was eigentlich genau dahinter steckt.

In der Schweiz spricht man oft von einem ICT-Fachkräftemangel. Denken Sie, dass die künstliche Intelligenz ein Mittel gegen diesen Mangel sein könnte?

Das ist eine interessante Frage, bei der wir auch mit unserer Firma aktiv sind. Mit der Dampfmaschine haben wir Muskelkraft ersetzt und anstelle von 20 Leuten, die einen Karren ziehen, macht es jetzt eine Maschine. Man zieht auch keinen Pflug mehr durchs Feld, sondern der Traktor macht es. Früher waren um die 90 Prozent der Bevölkerung in der Landwirtschaft aktiv, heute sind es noch ein paar wenige Prozent. Eine ähnliche Revolution löst auch der Computer aus: Auf einmal habe ich eine zusätzliche Unterstützung für mein Gehirn, jedoch immer noch die volle Kontrolle. Wenn ich einen Pflug ziehe, dann entscheidet nicht der Traktor wohin er fährt, sondern der Mensch, der darauf sitzt. So ähnlich werden die Mitarbeiter in der IT unterstützt, um sozusagen stupide Denkarbeiten zu ersetzen und gleich Ergebnisse präsentieren zu können. Wenn ich zum Beispiel viele Berichte lesen muss, dann kann ich dem Computer sagen: Mach mir eine Zusammenfassung davon. Ich als Mensch muss keine Hunderte von Seiten mehr lesen, sondern kann mich auf das Wesentliche konzentrieren und meine Entscheidungen auf der Zusammenfassung der Texte basieren lassen, die mir ein Computer dank semantischer Fähigkeiten erstellt hat.  Die Menschen werden also nicht ersetzt, aber es gibt einem Mitarbeiter die Möglichkeit, in kürzerer Zeit mehr zu machen. Sowohl Quantität also auch Qualität können dadurch verbessert werden. Wir sehen das auch im Internet, wo wir früher einfach Kataloge mit Links hatten, wo Menschen sich durchklickten. Heute hat man dagegen eine Suchmaschine, die einem die Ergebnisse vieler Anbieter anzeigt. Und diese Entwicklung geht mit Sicherheit weiter.

Es gibt viele Prognosen, wie lange es noch geht, bis Maschinen intelligenter sind als Menschen. Einige Wissenschaftler sagen, es sei bereits in 30 Jahren soweit. Würden Sie sich auf solche Prognose einlassen?

Solche Vorhersagen finde ich grundsätzlich schwierig. Zwar sagen aktuell alle Experten, dass wir eine fünfzigprozentige Chance haben für 2040 ‒ das passt so ungefähr mit den 30 Jahren ‒ aber das Schwierige an digitalen Technologien ist ja, dass sie sich exponentiell weiterentwickeln. Es fängt erst ganz langsam an und geht dann plötzlich ziemlich schnell. Aber ohne Zweifel: Wenn man sich die Geschichte anschaut, hat es schon enorme Fortschritte gegeben.

Was würde es für den Menschen bedeuten, wenn die Maschinen plötzlich überlegen wären?

Ja, das ist die spannendste Frage. Wenn wir davon ausgehen, dass wir irgendwann eine künstliche Intelligenz erschaffen können, dann ist es eine logische Folge, dass diese mit jedem Tag schlauer wird und diese Intelligenz auch nutzt, um sich selbst zu verbessern. Auf die Frage, ob Maschinen jemals so intelligent wie Menschen sein werden, hat ein amerikanischer Mathematiker einmal geantwortet: "Ja, aber nur kurz." Wenn wir uns digitale Märkte anschauen, dann heisst es immer „the winner takes it all“. Es gibt nicht beliebig viele Suchmaschinen, soziale Netzwerke oder Betriebssysteme. Dass dies auch für intelligente Wesen gelten könnte, sollte man bedenken, bevor eine überlegene Maschine entstehen würde.

Muss man sich vor diesem Moment fürchten?

Stephen Hawking hat zum Beispiel gesagt: "Das ist vielleicht das Gefährlichste, was wir jemals gemacht haben." Und Ellon Musk, Gründer von Paypal und Space X, sagte: "Künstliche Intelligenz ist möglicherweise gefährlicher als Atomwaffen."

Haben Sie da auch Bedenken?

Ja, ich habe auch Bedenken und zwar erst seit einigen Monaten. Ich bin ja schon lange in diesem Bereich tätig und eigentlich war man da immer sehr weit davon entfernt. Aber diese Idee, dass etwas so schnell wächst und immer schlauer wird, ist eigentlich zwingend. Das heisst, falls es passiert, wird es genau so passieren. Man muss sich auch fragen, ob man es kontrollieren kann. Eine naive Lösung wäre zu sagen: Ich ziehe einfach den Stecker. Nur nützt das nichts, da solche Systeme ja nicht einfach auf einem einzelnen Computer entwickelt werden. Mithilfe der Cloud wird es überall verteilt sein, also wird es gar keinen Stecker mehr geben, den man ziehen kann. Und die Technologien sind ja schon so tief in unser Leben eingewoben, dass wir uns beim Versuch,  die Datencenter auszuschalten,  zurück in die Steinzeit bringen würden. Also die Frage, wie man das kontrollieren könnte, steht im Raum und damit beschäftigen sich jetzt auch viele ernsthafte Wissenschaftler. Das ist eben nicht mehr Hollywood und nicht mehr Science-Fiction, sondern eine reale Frage.

Kann es also sein, dass die alten Science-Fiction-Filme mit ihren Zukunftsbildern gar nicht so daneben lagen?

Dieser Punkt dämmert mir Moment auch gerade. Ich habe diese Filme immer geschaut und mich gut unterhalten gefühlt, aber so langsam wird das, was wir uns in den Sechzigern und Siebzigern im Fernsehen angeschaut haben, immer mehr zur Realität. Es fängt schon mit den Smartphones an, wenn man an Star Trek und den "Communicator" denkt.

Was ist Ihr wichtigstes Projekt im Bereich KI?

Das wichtigste Projekt, das wir in unserem Unternehmen schon seit ein paar Jahren vorantreiben, ist es, Big Data zu analysieren und die daraus gewonnenen Erkenntnisse in hoher Qualität zur Verfügung zu stellen. Da spielt das Thema maschinelles Lernen eine wesentliche Rolle. Was kann ich aus den Daten ableiten? Wie kann ich diese analysieren und entsprechend daraus Nutzen stiften? Ein grosses Schlagwort ist im Moment auch Industrie 4.0, also wie die Fertigungsindustrie in der Zukunft aussieht. Da wird es mit Sicherheit so sein, dass alle Maschinen mit immer mehr Sensoren ausgestattet und vernetzt sind und fortwährend Betriebszustände senden. Die Vision ist: Am 23. Dezember klingelt jemand an Ihrer Haustür und es ist der Heizungsmonteur, der fragt: "Darf ich mal kurz an Ihre Heizung?"  Und ich frage: "Wieso?" "Ihre Heizung wird am 25. ausfallen und da feiere ich Weihnachten, deswegen komme ich heute." Das ist die Idee, von der wir gar nicht mehr so weit entfernt sind. Mit künstlicher Intelligenz hat das aber sehr wenig zu tun. In der Literatur spricht man von starker künstlicher Intelligenz, bei der wirklich ein intelligentes Wesen existiert, oder die schwache Intelligenz, die zwar hilfreich ist, aber hinter der eigentlich nichts Intelligentes steckt.

Welche "Take Home Message" werden Sie den Leuten bei Tedx mitgeben?

Das kann man in drei Sätzen sagen: Erstens ist das eine sehr valide Technologie, die einen grossen Einfluss auf die Computer hatte und dank der wir heute so weit sind, wie wir sind. Zweitens sind wir im Zeitalter der Smart Machines, die zwar noch nicht wirklich intelligent sind, sich aber weiterentwickeln werden. Und der letzte Punkt ist die Zukunft mit der Frage: Wo führt das hin und wie will die Menschheit damit umgehen? Wenn wir jetzt mal eine ganz düstere Sicht einnehmen, wie es auch Ellon Musk in einem Tweet gemacht hat, dann könnte man sagen: Vielleicht ist es unsere einzige Aufgabe, so eine Intelligenz zu bauen. Das ist dann schon eher eine philosophische Frage, über die ich mir aber oft Gedanken mache. Eine schlüssige Antwort kann ich jedoch nicht geben, weil ich selbst nicht recht weiss, was kommen wird.

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