Der Weg zum passenden CMS

Auswahl von Content Management Systemen: Der Teufel steckt häufig im Detail

Uhr | Aktualisiert
von asc und Stephan Schillerwein

Ein neues CMS zu evaluieren beginnt häufig damit, die Nadel im Heuhaufen zu suchen. Der Weg zum passenden CMS ist oft sehr lang und mit vielen Hürden verbunden.

© Infocentric Research AG, 2010
© Infocentric Research AG, 2010

Ein neues CMS zu evaluieren beginnt häufig damit, die Nadel im Heuhaufen zu suchen. Viele Unternehmen machen es sich dabei vermeintlich einfach – sie rufen ihren bisherigen Implementierungspartner an und fragen, welches CMS für sie am Besten geeignet sei. Eine schnelle Antwort darauf ist jedoch schwierig und häufig schlichtweg falsch. Denn bei einem derart komplexen Unterfangen wie der Einführung eines CMS sind vielfältige Faktoren zu berücksichtigen, insbesondere die individuellen Bedürfnisse eines jeden Unternehmens.

Viele Unternehmen sind unzufrieden mit ihrem aktuellen CMS - und zwar weitgehend unabhängig davon, welches Produkt sie derzeit einsetzen. Es scheint deshalb ein grundlegendes Problem zu geben, dass nicht nur in den Produkten selber begründet sein kann, sondern vor allem bei den einsetzenden Unternehmen und deren Vorgehen zur Auswahl entsprechender Software zu suchen ist. So beschränken sich viele Unternehmen bei der Selektion auf eine von vorneherein zu kleine Anzahl von Anbietern, die sie beispielsweise bereits kennen oder die ihnen empfohlen wurden.

Dabei ist ein breiter Marktüberblick Grundvoraussetzung um überhaupt verstehen und beurteilen zu können, welche Möglichkeiten und Risiken aktuell im jeweiligen Marktsegment bestehen.

Dynamik im Markt

Die dabei anzutreffende Auswahl ist zunächst natürlich abschreckend: global gesehen gibt es über 1000 CMS-Systeme. So listet zum Beispiel das Vergleichsportal cmsmatrix.org insgesamt 1154 CMS-Produkte. Die schon lange vorhergesagte Konsolidierung in diesem Marktsegment ist insgesamt ausgeblieben. Für jedes vom Markt verschwundene CMS, ob nun verursacht durch Insolvenz, Zusammenschluss oder Akquise, scheint ein neues System auf den Markt zu kommen. Allerdings sieht es im Schweizer CMS-Markt eher trüb aus. Mit der Übernahme von Day Software durch Adobe gibt es kein grosses und unabhängiges CMS in Schweizer Besitz mehr. Day wurde vom Marktforschungsunternehmen Gartner im Magic Quadrant für Web Content Management sogar als Visionär eingeordnet.

In dieser grossen Anzahl von möglichen Systemen sind auch viele Open-Source CMS zu finden. Deren Verbreitung ist in der Schweiz sehr hoch, insbesondere viele kleinere Unternehmen mit entsprechend kleineren Websites oder auch Privatpersonen greifen auf Open-Source-CMS zurück. Bekannte Beispiele für entsprechende Produkte sind das Basler Magnolia, Joomla, Typo3, Plone, Wordpress oder Drupal.

Bevor man jedoch damit beginnt, den CMS-Markt auf eine überschaubare Vorauswahl herunter zu brechen, steht ein weiterer Schritt an, der die Komplexität zunächst noch zu erhöhen scheint. Hierbei geht es um die Frage, ob ein CMS überhaupt die richtige Art von System zur Adressierung der individuellen Problemstellung ist. Denn je nach Aufgabenstellung kommen insbesondere in Einsatzszenarien jenseits einfacher Websites gleich eine ganze Reihe unterschiedlicher Systemkategorien in Frage: von der ECM-Plattform über die Collaboration-Suite bis hin zur Portal-Software. Jede dieser Softwarekatagorien verfügt über spezifische Eigenschaften. Es gibt jedoch auch Überschneidungen zwischen den einzelnen Kategorien, so dass ein sehr genaues Bild der eigenen Anforderungen bereits in diesem ersten Schritt erfolgsrelevant ist.

Wird dieser Schritt ausgelassen oder nicht mit der nötigen Sorgfalt durchgeführt, steht am Ende der Detailauswahl häufig die Erkenntnis, dass eigentlich keines der evaluierten Systeme die Anforderungen in zufriedenstellender Weise abdecken kann. Dieses vermeidbare Lehrgeld kann man anderweitig besser investieren.

Vom Trichter zum Flaschenhals

Die Auswahl von komplexen Technologien erfordert eine klare Vorgehensweise. Die Eingrenzung erfolgt in mehreren Schritten durch Anwendung eines Trichtermodells. Dabei wird die Anzahl der betrachteten Systeme mit jedem Schritt kleiner und der Umfang und Detaillierungsgrad der Anforderungen immer grösser. Bei der Auswahl sollte ein Unternehmen den Fokus jedoch nicht ausschliesslich auf den Ist-Zustand legen, sondern sich bewusst sein, dass ein heutiger Match der Funktionsanforderungen zwar wichtig ist, aber dass eine Übereinstimmung hinsichtlich der angestrebten Vision für eine langfristige Zufriedenheit noch viel ausschlaggebender ist.

Eine weitere Schwierigkeit besteht oft darin die Anforderungen an ein CMS-System so zu formulieren, dass Kunde und Hersteller das gleiche darunter verstehen und folglich realistische und vergleichbare Antworten auf eine Ausschreibung erwartet werden können. Hier hat die Praxis gezeigt, dass sich viele entscheidungsrelevante Aspekte nicht sinnvoll in die üblichen Tabellenraster zwängen lassen, sondern beispielweise anhand von ausführlicheren Szenarien durchgespielt werden sollten.

Am Ende des Auswahlprozesses sollten alle Entscheidungskriterien so definiert sein, dass auch tatsächlich eine fundierte und objektive Entscheidung getroffen werden kann. In der Praxis bedeutet das meistens leider nicht, einfach die Wahl zwischen einer quasi perfekten Lösung und weiteren, offensichtlich schlechter geeigneten Produkten zu treffen. Vielmehr läuft die Entscheidung häufig auf die meist nicht ganz einfache Identifikation des unter den gegebenen Umständen bestmöglichen Angebots heraus. Hierzu sollte von Anfang an definiert sein, was „good enough“ ist, also unter welchen Umständen eine Lösung für den sinnvollen Einsatz geeignet ist und wann die Systemevaluation als ergebnislos angesehen werden muss.

Bleibt noch die Frage offen, was den Entscheidungsprozess für ein CMS beeinflusst?

Zum einen gibt es da die Finanzen, die realistisch kalkuliert werden müssen. Dabei sollte nicht nur auf die Lizenzkosten (inkl. Upgrades) geschaut werden, sondern es müssen auch die jährlichen Wartungskosten, die Implementierung, Schulungen, Hardware, laufender Support und Kosten für Management, Betreuung und Optimierung einkalkuliert werden.

Daneben spielen natürlich Hersteller-bezogene Faktoren, sowie technische und funktionale Anforderungen eine gewichtige Rolle. Auch die Zusammenarbeit mit dem Hersteller im Auswahlprozess sollte in die Gewichtung mit einfliessen. Denn: funktioniert das Zusammenspiel bereits vor Vertragsabschluss schlecht, ist danach erst recht mit Problemen zu rechnen.

Ist ein Open Source CMS automatisch billiger?

Auch diese Frage muss jedes Unternehmen individuell für sich beantworten. Die Erfahrung zeigt, dass Lizenzkosten bei Betrachtung der „Total Cost of Ownership“ nur von nachgelagerter Bedeutung sind. Vor allem der Aufwand für Implementierung und Customizing spielen in CMS-Projekten typischerweise eine bedeutende Rolle und sollten deshalb unbedingt und so genau wie möglich in die Kostenberechnung mit einfliessen.

Sofern das Initialbudget kein absolutes Ausschlusskriterium darstellt, sind häufig andere Aspekte in der Entscheidung für oder gegen Open Source von höherer Relevanz, so zum Beispiel:

  • die benötigte Integrationstiefe und Kontrolle über das System (Verfügbarkeit Source Code)
  • das Bedürfnis nach "Neutralität" und Hersteller-Unabhängigkeit
  • die Verfügbarkeit von entsprechendem Know-how im Unternehmen
  • das Vertrauen in die jeweiligen Communities der Open Source Systeme

Pragmatische Handhabung im Alltag

Der sinnvolle und zweckgerichtete Einsatz im Alltag entscheidet letztlich über die langfristige Zufriedenheit mit einem CMS-System. Wichtig ist es darauf zu achten, dass das System nicht schleichend für Zwecke umgebaut wird, für die es gar nicht geschaffen wurde. Auch der Markt sollte von einem Unternehmen periodisch weiterhin beobachtet werden, um wichtige Entwicklungen beurteilen zu können. Weiterhin ist die enge Zusammenarbeit mit dem Hersteller entscheidend, um wichtige Entwicklungsanforderungen zeitnah zu platzieren und über dessen Planungen im Bilde zu bleiben.

Eine aktive Teilnahme an Produkt-Communities ist ebenso von grossem Vorteil, sowohl in Communities des jeweiligen Herstellers als auch in unabhängigen Foren. Weiterhin finden sich auch im weiten Feld der Social-Media-Kanäle zahlreiche Anknüpfungspunkte für Erfahrungsaustausch und nötigenfalls auch zum öffentlichen Adressieren von "chronischen Problemen" mit dem Hersteller.

Letztlich sollte ein Unternehmen auch den Markt für 3rd Party-Tools rund um das eigene Produkt daraufhin beobachten, ob entsprechend brauchbare Add-ons für bestehende Bedürfnisse existieren.

Auswahl und langfristige Betreuung eines Content Management Systems sind somit herausfordernde und ressourcen-intensive Aufgaben, die sich jedoch aufgrund einer deutlich höheren Lösungsqualität und Benutzerzufriedenheit mehr als bezahlt machen.