Interview mit Daniel Studer von SBB Informatik

"Das Business kann rascher eingreifen"

Uhr | Aktualisiert
von Simon Zaugg

Daniel Studer ist stellvertretender Leiter Projekte im Solution Center Infrastruktur bei SBB Informatik. Er leitet ein BPM-Projekt, bei dem nicht nur versucht wird, das IT-System agil zu gestalten, sondern auch die Prozesse. Was das bedeutet, erklärt er im Interview.

Daniel Studer ist stellvertretender Leiter Projekte im Solution Center Infrastruktur bei der SBB Informatik. (Quelle: SBB Informatik)
Daniel Studer ist stellvertretender Leiter Projekte im Solution Center Infrastruktur bei der SBB Informatik. (Quelle: SBB Informatik)

Herr Studer, Sie arbeiten bei den SBB an einem Projekt zur Einführung eines agilen Prozessmanagements. Was muss man sich darunter vorstellen?

Es ist ein mehrjähriges Projekt, bei dem es darum geht, Businessprozesse im Bereich der Anlagenverfügbarkeit der Infrastruktur zu verbessern. Damit will man die steigende Komplexität im Businessalltag besser meistern können. Die SBB haben das am dichtesten befahrene Bahnnetz der Welt. Die gesamte Infrastruktur ist sehr komplex. Effizienter werden können wir nur, indem wir die Prozesse für die gesamte Infrastruktur im Störungs- und Eingriffsmanagement optimieren und agiler gestalten.

Können Sie uns das an einem konkreten Beispiel erläutern?

Wir haben beispielsweise die komplexe Organisations- und Regionenstruktur der SBB-Infrastruktur im System nicht mehr direkt abgebildet, sondern die einzelnen Organisationseinheiten komplett voneinander entkoppelt. Dadurch wird eine Administration von sich stetig ändernden Teams und Regionengrenzen auf ein Minimum reduziert. Das System weiss automatisch anhand eines Counters, welches Pikettteam bei einer Störung vor Ort aufgeboten werden muss. So wird nicht nur die Administration effizienter, sondern ein manueller Schritt durch das System automatisiert.

Was hat sich denn bei den Prozessen im Vergleich zu früher geändert?

Es ist wichtig zu verstehen, dass die Prozesse nicht nur auf einem Blatt Papier stehen, sondern wir sie auch mit einem System automatisiert haben. Das ermöglicht es, sie in regelmässigen Zyklen zu überprüfen und zu verbessern. Wir gewinnen dadurch im Vergleich zu früher Effizienz und können einen kleinen Teil zum Ziel der hohen Verfügbarkeit unserer Bahninfrastruktur und schliesslich einem zufriedenen Bahnkunden beitragen. Verändern wir Prozesse, können wir diese mit unserem Prozess Baukastenprinzip systemtechnisch rascher umsetzen. Ausserdem können wir die Prozesse im System viel besser mit Kennzahlen hinterlegen. Das erhöht die Transparenz deutlich.

Was waren rückblickend die bisher grössten Hürden?

Ein agiles Prozessmanagement einzuführen, bedeutet gleichzeitig einen Kulturwandel. Das ist ein grosser Aufwand, denn schliesslich hat man auch immer mit Menschen zu tun. Überspitzt gesagt, war man früher drei Monate im stillen Kämmerlein und hat danach ein Resultat abgeliefert. Nun findet ein regelmässiger Austausch zwischen den Beteiligten statt, bei dem man zeigen kann, wie weit man mit seinem Projekt ist, und ob es allenfalls etwas zu korrigieren gibt.

Inwiefern kann das Business von mehr Agilität profitieren?

Es ist besser eingebunden und kann rascher eingreifen, wenn ein System beziehungsweise die Prozessunterstützung nicht so funktioniert, wie man es sich vorgestellt hat. Zudem ist die Qualität der Systeme mit dem agilen Vorgehen deutlich besser geworden. Ob man damit am Ende auch Kosten spart, ist hingegen nicht abschliessend geklärt. Dazu haben wir noch zu wenig Erfahrungswerte bei der Entwicklung und dem Betreiben der Systeme.

Was denken Sie ganz allgemein, wenn IT-Manager heute von "Agilität" sprechen? Wie viel ist "heisse Luft"?

Ich meine, dass vieles heisse Luft sein kann. Man spricht oft von Begriffen wie Backlog oder Sprint, die aus dem agilen Framework Scrum stammen. Dies alleine hat aber nur begrenzt mit Agilität zu tun. Der wichtigste Schritt auf dem Weg zu mehr Agilität ist im Grunde das Commitment zum Kulturwandel. Man muss sich in einem Unternehmen einig sein. Sowohl die IT als auch das Business müssen sich zu den Werten, wie sie auch im agilen Manifest festgehalten sind, bekennen.

Gibt es auch zu viel Agilität?

Man muss bedenken, dass Agilität meist IT-getrieben ist. Ein Kulturwandel kann nicht von heute auf morgen passieren. In einigen Branchen geht es rascher, in anderen weniger. Zu viel Agilität braucht es vielleicht auch nicht. Um Brücken, Tunnel und Schienennetze zu bauen, brauchen wir bei den SBB sicherlich weniger Agilität als bei einem Prozess- oder IT-Projekt. Agilität hin oder her, letztlich muss das Resultat beziehungsweise das Projekt zum Erfolg führen und einen Mehrwert für das Business bringen.

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