In Kooperation mit: Die Ergonomen Usability AG

"Viele Entwickler sind weit von der Sichtweise des Benutzers entfernt"

Uhr | Aktualisiert
von Janine Aegerter

Leon V. Schumacher, Gründungspartner der IT-Consulting-Firma Baxian und ehemaliger Group-CIO von Novartis, erklärt, wie man mit Mock-ups oder Prototypen die Benutzerfreundlichkeit von Software erhöhen kann.

Leon Schumacher bietet bei Baxian spezialisiertes IT-Consulting zu den Themen IT-Transformation, IT-Security und SAP an. (Quelle: Baxian)
Leon Schumacher bietet bei Baxian spezialisiertes IT-Consulting zu den Themen IT-Transformation, IT-Security und SAP an. (Quelle: Baxian)

Herr Schumacher, wieso sollte Software benutzerorientiert sein?

Ist sie es nicht, ist der Nutzer unzufrieden, frustriert und gewöhnt sich nur schlecht an die Lösung. Hinzu kommt, dass Nutzer stets versuchen, sich das Leben einfacher zu machen. Es besteht daher eine grosse Wahrscheinlichkeit, dass Zusatzlösungen entstehen, um bestehende Probleme zu vereinfachen oder zu umgehen.

Ist die benutzerzentrierte Softwareentwicklung heute weit verbreitet?

Man hat erkannt, dass Usability das A und O der Softwareentwicklung ist. Das sieht man schon, wenn man den Erfolg des iPhones anschaut. Es brachte eine viel bessere Usability an den Markt und hat damit die ganze Mobilfunkindustrie auf den Kopf gestellt. Es gibt aber auch Ausnahmen, die mit einer weniger guten Usability Erfolg hatten. SAP ist ein gutes Beispiel dafür. Hier gab die integrierte Funktionalität den Ausschlag. Ich denke, solche Ausnahmen werden mit jedem Tag schwieriger, weil der User immer mehr gute Alternativen bekommt.

Ist Usability heute also wichtiger als früher?

Sie war früher genauso wichtig. Man hatte aber weniger Möglichkeiten. Heute entwickelt man eher agil, früher hat man sich am Wasserfall-Modell orientiert. Das Resultat hat folglich nicht immer den gesetzten Anforderungen entsprochen. Abgesehen davon gab es noch nicht so viele Hilfe-Tools wie heute.

Was hat sich denn im Vergleich zu früher konkret verändert?

Wenn man sich heute in der Branche umschaut, findet man immer noch traditionelle wie auch innovative Projekte. Es gibt Tools, die helfen, einen intelligenten Mock-up oder eine Visualisierung zu erstellen. Damit kann man dem User und dem Entwickler zeigen, wie das System letztlich aussehen sollte. In meiner früheren Funktion haben wir zum Beispiel auf Spezialisten wie die Ergonomen Usability AG und Tools wie iRise zurückgegriffen, um das Problem zu lösen. In einer sogenannten Landscape-Konsolidierung haben Entwickler umgekehrt die Möglichkeit, die Komplexität zu senken und einen voll funktionsfähigen, gestrafften Prototypen zu entwickeln, den die Nutzer dann gleich testen können.

Können Sie das an einem Beispiel veranschaulichen?

In einer früheren Funktion habe ich mit einem Team von 6 Personen in 3 Monaten die Komplexität von 20 SAP-Systemen um einen Faktor 100 senken können. Wir haben unter anderem die Anzahl Sales Order Types von 1600 auf 12 reduziert. Die Anzahl Sales Order Types ist ein guter Massstab für die Komplexität von SAP. Wir haben alle Funktionalitäten im Standard in einem voll funktionsfähigen Prototypen abgebildet und die Nutzer gebeten, diesen zu testen. Sie konnten ihr Feedback abgeben und der Prototyp wurde kurzfristig entsprechend angepasst.

Verkauft sich eine benutzerfreundliche Software besser als eine, die komplex aufgebaut ist?

Ja, ich meine schon. Solange Software die nötigen Funktionalitäten erfüllt, wird die Bedienbarkeit den Unterschied machen. Hätte es zu Zeiten von R/3 so etwas wie iSAP von Apple mit ähnlicher Funktionalität gegeben, wäre Letzteres sicher erfolgreicher gewesen.

Worauf muss man achten, wenn man benutzerorientiert entwickeln will?

Man muss seine Nutzergruppe kennen und diese abbilden. Wer eine Software für die Stahlindustrie entwickelt, muss mit seiner Software vor allem Männer zufrieden stellen. Bei Consumer-Software hingegen ist das anders. Zudem ist es wichtig, künftige Nutzer nicht mit Bergen von Prozessabläufen auf Papier zu überfordern. Ich setze mich immer wieder für Prototypen ein, die man schnell weiterentwickelt. Damit kann man die Produktivität steigern und die Kosten beachtlich senken.

Wie muss man seine Mitarbeiter und die Projektteams führen, wenn man benutzerorientiert entwickeln will?

Erstens muss man die Schnittstellen genau definieren. Zudem muss man Entwickler und Endnutzer zusammenbringen, damit sie miteinander kommunizieren können. Hier können wieder Teams wie die Ergonomen Usability helfen, wenn das nicht intern sichergestellt werden kann. Man kann den Anforderungskatalog nicht einfach den Entwicklern über die Mauer zuwerfen und sechs Monate später ein fertiges Produkt erwarten.

Ist es für Entwickler schwierig, sich in den Nutzer hineinzuversetzen?

Nun, viele Entwickler bleiben sehr weit von der Sichtweise des Nutzers entfernt. Dies ist ein altbekanntes Problem, für das immer noch keine Lösung gefunden ist. Ideal wäre, wenn ein Entwickler sowohl das Business wie auch die IT verstünde. Solche Leute sind aber leider dünn gesät. Das liegt wahrscheinlich daran, dass sich ein Entwickler nicht unbedingt für geschäftliche Abläufe interessiert. Ein Nicht-Entwickler hingegen versteht zwar das Business, interessiert sich aber nicht unbedingt dafür, wie Code geschrieben wird und funktioniert.