"Der Chef bewirbt sich bei den Arbeitnehmern – nicht umgekehrt"
Die Verkehrsbetriebe Zürich (VBZ) stellen jedes Jahr rund 200 Personen ein. Rekrutiert werden diese mit Jobvideos, die über Social Media verbreitet werden. Jörg Buckmann, Leiter Personalmanagement VBZ, und Matthias Mäder, Geschäftsführer von Prospective Media Services, berichten.
Herr Buckmann, wie kam es eigentlich dazu, dass die VBZ für die Personalrekrutierung auf Videos und Social Media setzen?
Jörg Buckmann: Vor zweieinhalb Jahren wurde uns bewusst, dass wir unseren Auftritt radikal umstellen und uns viel besser auf die Kunden, sprich Bewerber, ausrichten müssen. So ist "Wir bewerben uns" mit den Jobvideos als Herzstück entstanden. Vor einem Jahr haben wir unsere Videos in ein Online- Stelleninserat eingebettet. Dieses schweizweit einzigartige interaktive Stelleninserat haben Matthias und ich übrigens bei einem Mittagessen skizziert – auf einer Papierserviette. Dann machten wir uns an die Umsetzung.
Das klingt einfach.
Buckmann: Das war es nicht, auch wenn alles sehr schnell ging. Wir zogen Social Media nicht als klassisches IT-Projekt auf. Eine Pilotphase oder Marktstudie gab es nicht. Wir versuchten es einfach. Externe Partner haben uns dabei unterstützt.
Matthias Mäder: Wir von Prospective Media Services sind dafür verantwortlich, dass die Stelleninserate mediengerecht ausgeliefert werden. Die VBZ können diese in einem Tool erfassen. Das bereitet die Daten auf und verteilt sie auf den relevanten Plattformen.
Buckmann: Für die Videos haben wir die TV-Journalistin Florina Saladin engagiert. Ein Video kostet rund 3000 Franken. Dank Social Media konnten wir die Print-Inserate reduzieren. Die Personalrekrutierung ist so günstiger geworden.
Was genau zeigen die Videos?
Buckmann: In den Videos bewirbt sich der Chef bei den Arbeitnehmern – nicht umgekehrt. Er zeigt den Arbeitsplatz, die Aufgaben und gibt etwas Persönliches von sich preis.
War viel Überzeugungsarbeit notwendig, um die Geschäftsleitung davon zu begeistern?
Buckmann: Die Geschäftsleitung sah den Nutzen sofort. Es war aber eine Herausforderung, die Vorgesetzten zu motivieren. Verständlich, denn sie stehen ja auch vor der Kamera. Nur zwei wollten nicht mitmachen. Wir respektieren das. Die Videos wurden mit der nächsthöheren Führungskraft gedreht. Ohne die Einwilligung der Vorgesetzten geht kein Video online.
Die Clips werden über Social Media verbreitet. Welche Dienste nutzen die VBZ?
Buckmann: Facebook, Kununu und Xing. Dort wollen wir potenzielle Arbeitnehmer so direkt wie möglich ansprechen – mit einem Mix aus Emotionen und Informationen. Wir können so die VBZ als modernes Unternehmen positionieren und mit Nutzern in den Dialog treten.
Warum gerade diese drei Kanäle?
Buckmann: Wir haben beobachtet, wo sich unsere Kunden tummeln. Xing bot sich natürlich an, aber auch Facebook und Kununu sind relevant. Auf Kununu informieren sich weit über 10 000 unserer potenziellen Arbeitnehmer über die VBZ. Wir sind mit einem Unternehmensprofil präsent und erlauben uns, Beiträge zu kommentieren. Dies kommt gut an.
Ist viel Moderation notwendig?
Buckmann: Wir moderieren nur dann, wenn es wirklich nötig ist. Unsere Social-Media-Aktivitäten werden von einem Dreier-Team betreut und 365 Tage im Jahr beobachtet.
Was ist mit Twitter? Die VBZ haben ja diverse Accounts, doch Tweets gibt es keine.
Buckmann: Es ist möglich, dass wir auf Twitter aktiv werden. Dann aber unternehmensweit und nicht nur im Personalwesen. Momentan überlegen wir uns, welche Inhalte wir da verbreiten könnten.
Wenn Sie es nicht machen, macht es die Community: @vbztweet twittert regelmässig und hat bereits über 1100 Follower.
Buckmann: Oh ja, das haben wir bemerkt. Das ist äusserst spannend. Wir sind uns sicher, dass das Konto von einem Mitarbeiter betrieben wird. Von wem genau, wissen wir nicht. Auf jeden Fall macht die Person einen guten Job, ist humorvoll und hat Niveau.
Bloss auf Social Media zu setzen, zieht aber wohl kaum genügend Personal an.
Buckmann: Es reicht tatsächlich nicht, nur Videos über soziale Medien zu streuen. Die Kampagne wurde darum in diverse Kanäle eingebettet. Wir arbeiteten zudem mit der Werbeagentur Ruf Lanz zusammen. Auch Jobplattformen wurden miteinbezogen.
Mäder: Bevor ein Unternehmen im Personalwesen auf Social Media setzen kann, muss es die «Basics» meistern. Karriere-Website und Stelleninserate müssen attraktiv sein. Und die HR-Abteilung muss sich mit sozialen Medien beschäftigen. Nur wenn sie diese verstehen, kann so ein Projekt Erfolg haben.
Auf was muss im heutigen Personalmarkt geachtet werden?
Mäder: Das Personalwesen hat Stelleninserate jahrelang als PDF ins Netz gestellt und dann gehofft, dass sich jemand meldet. Kamen Bewerbungen, hatte man einen guten Job gemacht. Kam nichts, war der Markt schuld. Diese Wahrnehmung ist falsch. Gerade heute, wo es so einfach ist, über soziale Netzwerke zu kommunizieren. Für die Unternehmen ist das eine grosse Chance. Sie müssen lernen, mit Social Media umzugehen.
Buckmann: Gewisse Stellen lassen sich immer schwerer besetzen, unter anderem die IT. Aber auch gute Ingenieure sind nicht einfach zu finden. Oft ist es auch schwierig, Personen mit einer guten Berufsausbildung zu rekrutieren. Der Konkurrenzkampf hat sich verschärft. Allein im Raum Zürich gibt es eine Handvoll Unternehmen, die ähnliche Stellen anbieten wie wir.
Mäder: Was heute zählt, sind Instant-Kommunikation, Schnelligkeit und Glaubwürdigkeit. Unternehmen müssen dies lernen, und Social Media eignen sich dafür ideal. Soziale Netzwerke sind übrigens auch ein hervorragendes Mittel, um latent suchende Personen anzusprechen. Diese werden ja immer wichtiger.
TREND REPORT – ONLINE-RECRUITING SCHWEIZ 2012
Wer sich näher mit dem Thema befassen will, kann den «Trend Report – Online-Recruiting Schweiz 2012» von Prospective Media Services unter http://trendreport.prospective.ch beziehen.