Social Media bei Hirslanden

"Unser Tun wird nicht mehr hinterfragt"

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von Christoph Grau

Seit April 2013 betreibt die Privatklinikgruppe Hirslanden gleich mehrere Auftritte in sozialen Netzwerken. Dies sind ausser Facebook und Twitter auch Kanäle wie Youtube, Linkedin, Xing und Blogs. Von Beginn an leitete Stefan Lienhard die Social-Media-Aktivitäten.

Stefan Lienhard, Projektleiter Digtal Media & Content Manager Hirslanden. (Quelle: Hirslanden)
Stefan Lienhard, Projektleiter Digtal Media & Content Manager Hirslanden. (Quelle: Hirslanden)

Sie haben vor rund zweieinhalb Jahren mit Social­Media begonnen. Wo stehen Sie heute?

Stefan Lienhard: Ich würde sagen, dass wir immer noch in den Kinderschuhen stecken. Aber wir haben schon grosse Fortschritte gemacht. Immer mehr Abteilungen lernen, welche Möglichkeiten ihnen die Social-Media-Kanäle bieten. Besonders die Personalabteilung macht sehr grossen Gebrauch von Social Media. Vor zwei Jahren wurden wir noch belächelt. Jetzt sehen aber viele Mitarbeitende und auch Entscheidungsträger ein, dass wir eine wichtige Arbeit machen. Unser Tun wird auch nicht mehr hinterfragt.

Wie sind Sie und die Klinikgruppe Hirslanden zum Thema Social Media gekommen?

Die Idee ging von meinem Chef Julien Buro aus. Er ist seit mehr als zehn Jahren Leiter des Marketings bei Hirslanden. Für mich war Social Media im beruflichen Einsatz etwas Neues. Mit einer Weiterbildung zum Social Media und Community Manager musste ich mich erst in die Materie einarbeiten. Interessanterweise hat die IT-Abteilung im ganzen Prozess kaum eine Rolle gespielt. Nur ganz zum Ende, nachdem das Konzept schon stand, haben sie sich kurz mit einigen technischen Aspekten auseinandergesetzt.

Welche Punkte waren für Sie bei der Implementierung von Social Media am wichtigsten?

Bei uns stand und steht der Mehrwert für die Patienten im Mittelpunkt. Sie sollten mehr Informationen bekommen und es sollten weitere Kommunikationskanäle aufgebaut werden. Wir wollten den Patienten befähigen, selbst aktiv werden zu können – ob nun durch den Bezug von Informationen oder durch die Teilnahme an Diskussionen. Auch sollte jede Stimme im Netz ernst genommen werden. Gerade der offene Austausch und die Transparenz sind uns wichtig. Die Patienten fordern dies aktiv ein. An erster Stelle steht für uns dabei die Sicherheit und dass der Datenschutz gewährleistet ist. Für eine sensible Branche wie das Gesundheitswesen ist Vertrauen zentral.

Gab es denn im Bereich Datenschutz schon Probleme?

Datenschutz ist ein sehr schwieriges Feld. Von unserer Seite sind wir sehr vorsichtig, dass keine Patienteninformationen öffentlich gemacht werden. Schwieriger ist es dabei oft bei den Patienten und Teilnehmern der Kanäle selber. Teilweise publizieren diese Informationen, die besser nicht öffentlich gemacht werden sollten. Wenn ich so etwas sehe, dann weise ich die Personen auch darauf hin. Teilweise ist ihnen überhaupt nicht bewusst, dass der Post öffentlich war. Wir müssen die Patienten also manchmal vor sich selber schützen.

Was waren die Hauptbedenken, die Ihnen entgegengestossen sind?

Mit der Einführung von Social Media musste die Blockade von Facebook auf den PCs aufgehoben werden. Hier gab es das Bedenken, dass die Mitarbeiter dann nur noch auf Facebook surfen und nicht mehr arbeiten. Dies ist aber nicht eingetreten. Auch wurde befürchtet, dass die Plattformen als Betätigungsfeld von politischen Kampagnen genutzt werden könnten. Unsere Community ist aber nicht so „böse“, wie in diesen Szenarien angenommen wurde.

Wie wollen Sie die Patienten noch weiter ermächtigen?

Wir haben festgestellt, dass die Differenz im Wissen zwischen Patient und Arzt immer geringer wird. Dadurch, dass viele Informationen einfach im Internet zugänglich sind, kommen viele Patienten äusserst gut informiert zum Arzt. Zwar sind sie noch lange nicht auf Augenhöhe, der Abstand ist aber deutlich kleiner geworden. Um dieser Entwicklung gerecht zu werden, wollen wir in der Sprache des Patienten kommunizieren. Der Patient möchte aktiv mitgestalten und dieser Entwicklung wollten wir Rechnung tragen. In diesem Zusammenhang möchte ich noch betonen, dass auch andere Branchen die gleichen Entwicklungen bereits durchlaufen haben. Die Spitäler hinken hier nur etwas hinterher.

Gibt es einen Altersunterschied bei Ihren Nutzern?

Tendenziell nutzen eher jüngere Leute das Internet und auch Social Media. Wir stellen aber fest, dass immer mehr ältere Personen auch sehr aktiv sind. So verallgemeinern kann man das nicht.

Können Sie etwas zur Zusammensetzung der Nutzergruppen sagen?

Über alle drei Facebook-Auftritte hinweg sind beispielsweise 60 Prozent unserer Community-Mitglieder über 40 Jahre alt. Bei den Jobs-Portalen liegt der Durchschnitt bei 15 und 30 Jahren. Die Besucher des Auftritts für Baby- und Schwangerschaft sind dem Thema geschuldet fast ausschliesslich weiblich und zwischen 25 und 40 Jahr alt.

In der Schweiz sind Sie bei den Spitälern ein Pionier im Bereich Social Media. Wo haben Sie Ihre Inspiration hergenommen?

Vor allem haben wir uns die Entwicklung in Deutschland und den USA angesehen. Die deutschen Spitäler sind im Bereich Social Media in der Grösse der Communities weiter als die Schweizer Spitäler. Die USA nehmen hier eindeutig eine Spitzenposition ein. Bei der Analyse habe ich zudem festgestellt, dass eher grössere Spitalverbünde Social Media intensiv nutzen.

Woran liegt das ihrer Meinung nach?

Fehlende Ressourcen sind hier der wichtigste Grund. Die Pflege von Social Media erfordert viel personellen Einsatz und kann nicht so einfach nebenbei gemacht werden. Ich glaube aber, dass die grossen Institutionen vorangehen und die kleineren Einrichtungen dann später folgen werden.

Wenden sich viele Personen mit Fragen an Sie?

Immer mehr. Neben internen Anfragen von Ärzten kommen immer häufiger auch externe Fragen an mich. Häufige Fragefelder sind Recruiting, Employer Branding, Social Media Guidelines und Fragen wie wir bestimmte Probleme gelöst haben. Sehr oft und gerne gebe ich auch Hilfestellung bei Argumenten für die Vorteile von Social Media. Zudem referiere ich seit kurzem in der Hochschule Luzern im Rahmen einer Social-Media-Weiterbildung über meine Erfahrungen. Auf unserer Webseite finden sich auch frei zugängliche Informationen und Leitfäden. Wir sind da sehr transparent.

Wie viele Ressourcen investieren Sie im Bereich Social Media?

Mein Pensum beträgt 100 Prozent. Dazu kommen seit April dieses Jahres 60 Prozent einer Redaktorin, die sich um das Storytelling und die Texte kümmert, beispielsweise für die Blogs. Der HR-Bereich hat noch einmal rund 20 Prozent Pensum für seine Kanäle bereitgestellt. Ich würde sagen, dass es für die Anzahl der Kanäle und die Mitarbeiterzahl relativ wenig ist. Bei uns sind rund 8700 Personen tätig. Dabei möchte ich aber noch sagen, dass die Ansprüche an die Qualität im Bereich Social Media unterschiedlich sind. Die Leser erwarten hier keine Hochglanzfotos und perfekte Beiträge. Diese würde eher abschrecken, da die Portale sonst als eine Reine Werbeplattform missverstanden werden würden. Dies wollen wir aber bewusst nicht sein, es widerspricht unserer Social-Media-Philosophie

Lässt sich der Erfolg von Social Media auch mit Zahlen untermauern?

Der Nachweis ist nur schwer möglich. Zwar fertigen wir regelmässig Reportings mit den Nutzerzahlen, Klicks und Aktivitäten an, der Effekt lässt sich aber nur schwer beziffern. Messbar ist hingegen der positive Einfluss auf den Bereich HR. Mein Ziel ist es, meinen Chefs eines Tages nachweisen zu können, dass wir durch unsere Aktivitäten mehr Patienten generiert haben. Das ist sicher ambitiös aber nicht utopisch.

Geht es Ihrer Meinung nach eher einen Trend in Richtung einer stärkeren Spezialisierung der Kanäle oder eher einer Zentralisierung?

Weniger Kanäle sind mehr. Wir haben uns bewusst auf die relevantesten Plattformen beschränkt und sind dort, wo sich unsere Zielgruppen aufhalten. Eine Trennung schien uns beispielsweise bei Facebook bei den Sprachregionen Deutsch- und Westschweiz sinnvoll. Wenn es zu viele Portale gibt, dann wird es für den Nutzer schnell unübersichtlich. Zudem ist es sehr schwer diese Kanäle alle mit Inhalten zu befüllen. Daher haben wir uns für einen zentralisierten Ansatz entschieden. Mit der Anfangsidee pro Klinik eine eigene Facebook-Seite zu bedienen, hätten wir uns verzettelt.

Ihren Ausführungen zu folge sind ihre Aktivitäten noch nicht am Ende?

So ist es. Wir beobachten die Entwicklungen und Trends sehr aufmerksam. Dabei müssen wir ständig an den Schrauben drehen und die Feinjustage vornehmen.

Welches sind die grössten Herausforderungen für Sie?

Die Schweizer sind bei Social Media im Gesundheitsbereich noch sehr zurückhaltend. Viele Aktivitäten gehen noch über Private Messages (PM) und nicht durch die öffentlichen Kanäle. Wenn man auf die USA schaut, dann sind die Personen dort viel offener und die Patienten beteiligen sich öffentlicher. Dabei scheint es auf den ersten Blick auf die Portale so, dass es bei uns nur wenig Interaktionen gibt. Im nicht öffentlichen Hintergrund erhalten wir aber immer mehr Mitteilungen.

Welche Art von Anfragen erhalten Sie am häufigsten? Können Sie uns einen kurzen Überblick geben?

Die meisten Anfragen sind eher banal. Häufig werden etwa Telefonnummern und Adressen angefragt. Auch kommen häufig Fragen zur Ausstattung der Spitäler und der Kantine oder auch zum Bewerbungsprozess im Feld HR. Ich schätze, dass drei Viertel der Anfragen zum Bereich Service und Support zählen. Die Auskünfte hole ich zumeist telefonisch ein und beantworte sie. Dadurch bin ich im Unternehmen inzwischen ausgezeichnet vernetzt. Medizinische Anfragen leite ich an unser Fachpersonal weiter.

Das hört sich alles nach sehr viel Arbeit an. Wie gehen Sie mit der Belastung um?

Ich bin persönlich natürlich sehr stark in unsere Social-­Media-Aktivitäten involviert. Eigentlich sehe ich es aber auch nicht als richtige Arbeit an, wenn ich am Wochenende auf dem Sofa kurz einen Tweet beantworte. Das sind nur ein paar Minuten. Auf lange Sicht muss ich aber vorsichtig sein. Ich sehe schon, dass ich zu einem Personenkreis gehöre, der Burn-out-gefährdet ist. Um das zu verhindern, treibe ich viel Sport, wandere gerne oder bin viel mit Freunden unterwegs. Wichtig ist vor allem auch die bewusste Offlinezeit.

Daher sehen Sie die bisherigen Erfahrungen als Erfolg?

Ich finde, dass das Projekt Social Media für Hirslanden eine grossartige Idee war. Ich bin auch dankbar für die Chance, dass ich mich persönlich in diese Richtung weiterentwickeln konnte. Natürlich habe ich viel Herzblut in das Projekt gesteckt. Ich würde sogar so weit gehen und sagen, dass ich wie ein Fussballer mein Hobby zum Beruf gemacht habe – so abgedroschen das auch klingen mag.

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