Fachbeitrag

Die digitale Zukunft steht vor der Haustür

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von Nicolas Fulpius, Chief Digitalization Oficer, Swisscom Enterprise Customers

Digitale Transformation ist das Schlagwort der Stunde. Meist fallen im gleichen Atemzug Uber und Airbnb, die ganze Branchen umgekrempelt haben. Die viel zitierten Unternehmen entlocken den Lesern nur noch ein Gähnen. Digitalisierung ist nichts Neues, und nicht jedes Unternehmen, das erfolgreich die digitale Zukunft gestaltet, wird disruptiv sein. Doch wer die eigene Wertschöpfungskette aus der digitalen Brille betrachtet und jetzt loslegt, wird zu den Gewinnern gehören.

Nicolas Fulpius, Chief Digitalization Oficer, Swisscom Enterprise Customers. (Quelle: Swisscom )
Nicolas Fulpius, Chief Digitalization Oficer, Swisscom Enterprise Customers. (Quelle: Swisscom )

Die Digitalisierung ist in verschiedenen Wellen gekommen. Mit der ersten Welle hielten Personalcomputer Einzug in Wohnzimmer und Büros, ERP-Systeme steuerten die Produktion in Unternehmen. In der zweiten Welle läutete das Internet Mitte der 90er-Jahre die Dotcom-Ära ein. Google, Yahoo und Amazon wuchsen Flügel. 2007 kam das erste iPhone auf den Markt und stellte das Nutzerverhalten vollkommen auf den Kopf. Gerätehersteller wie Apple oder Samsung stiegen zu grossen Playern auf. Nun ist die dritte Welle da und sie wird alles erfassen, die gesamte Wirtschaft und Gesellschaft.

Was ist so neu? Viele Technologien wie Artificial Intelligence, Internet of Things, Virtual Reality oder Robotics entwachsen derzeit ihren Kinderschuhen und sind fast gleichzeitig marktreif. Die Komponenten wie Sensoren sind erschwinglich geworden und so entfalten sie in der Masse ein nie da gewesenes Disruptionspotenzial für alle Branchen. Im Kern steckt hinter der Digitalisierung nämlich etwas Einfaches. Es geht um die unzähligen Möglichkeiten, diese neuen Technologien in der Wertschöpfungskette einzusetzen – in der Art, wie wir arbeiten, in der Neudefinition von Geschäftsprozessen, anderen Kundenerlebnissen bis hin zu ganz neuen Geschäftsmodellen.

Es gibt keine Abkürzung auf der Reise in die digitale Zukunft

Und dabei müssen es eben nicht die bereits ausgedienten US-amerikanischen Player wie Uber & Co. sein. Digitalisierung passiert schon sehr erfolgreich vor unserer Haustür. Nehmen wir Ikea. Von der Planung bis zum Aftersales bietet das Möbelhaus digital gestützte Angebote, die auf die Kundenbedürfnisse abgestimmt sind, inklusive Virtual-Reality-Katalog und "Frag Anna", der digitalen Shoppingassistentin. Wer dennoch über den gros­sen Teich schauen will, der bekam Anfang Mai an der Konferenz "Techcrunch Disrupt" Inspirierendes geboten.

Viv, eine sprachgesteuerte und auf künstlicher Intelligenz beruhende Assistenz, erfunden von den Machern von Siri. Viv beantwortet mühelos auch komplexe Fragen. Viv ist mit diversen Internetservices verbunden und bestellt auf Wunsch Pizza Tonno, überweist Freunden Geld, bucht Flüge oder lässt der Freundin Blumen am Valentinstag zukommen. Was sich wie Science-Fiction anhört, ist längst Realität und wird auch bald die Schweiz erfassen. Was bedeutet das für lokale Floristen oder den Supermarkt im Quartier, wenn solche Plattformen ihnen demnächst Umsatz bringen?

Jedes Unternehmen muss sich fragen, wie die Chancen der Digitalisierung in das eigene Geschäftsmodell integriert werden können. Gesetz der Stunde ist es, seine Wertschöpfungsketten aus digitaler Perspektive kritisch zu hinterfragen. Wer glaubt, die Digitalisierung betreffe ihn nicht, handelt fahrlässig. Es gilt, sofort loszulegen. Digitalisierung ist harte Arbeit und es gibt keine Abkürzung auf dem Weg in die digitale Zukunft.

So legen Unternehmen Schritt für Schritt los:

1. Digitalisierung ist Chefsache

Die Digitalisierung muss Teil der Unternehmensstrategie werden und ist damit auf oberster Unternehmensebene anzusiedeln. Hier muss entschieden werden, welche Teile des Unternehmens sich für die digitale Transformation eignen und was mit welcher Priorität digitalisiert werden muss. Dabei geht es nicht um eine einmalige Betrachtung, sondern vielmehr darum, einen umfassenden Transformationspfad im Unternehmen zu etablieren.

2. Digitalisierung orchestrieren

Die digitale Transformation hat die Kraft, ein Unternehmen von Grund auf umzukrempeln. Wer vorne mitspielen will, gründet ein dediziertes Team, das direkt an die Geschäftsleitung berichtet. Der Chief Digitalization Officer orchestriert dabei alle Aktivitäten und Massnahmen und navigiert das Schnellboot mit fester Hand. Nach der Analyse von Geschäftsprozessen stellt sich die Frage, welche Teile und Bereiche des Unternehmens lassen sich und sollten digitalisiert werden? Welche Technologien eignen sich jeweils? Sensoren, Beacons, neue Plattformen, Cloud-Lösungen, Robotics und Augmented Reality – die Palette ist riesengross.

3. Daten als Goldgrube

Wer die eigenen Daten dank Big-Data-Technologien smart nutzt, kann entscheidungsrelevante Erkenntnisse aus unterschiedlich strukturierten Informationen gewinnen. Dies war noch vor drei bis fünf Jahren nur den ganz grossen Technologie-Playern vorbehalten. Die Sicherheit der Daten muss oberste Priorität haben, soll aber nicht von der Einführung neuer Technologien abschrecken. IT-Sicherheitsexperten beraten und unterstützen bei der Umsetzung.

4. Co-Creation: Vier Augen sehen mehr als zwei

Unternehmen, die ihre Geschäftsprozesse erfolgreich digitalisieren wollen, profitieren vom frühen Einbezug von Kunden und Partnern. Vielleicht weisen diese bereits digitale Prozesse auf, zu denen Schnittstellen geschaffen werden können. Oder sie bringen die zündende Idee, wie im Ökosystem neuer Mehrwert entstehen kann.

5. Digitale Kompetenzen fördern

Die Digitalisierung wird das Anforderungsprofil an Mitarbeitende langfristig stark verändern. Nur Unternehmen, die ihre Mitarbeitenden frühzeitig sensibilisieren und auf die Transformationsreise mitnehmen, bleiben wettbewerbsfähig. Es braucht auch ein Umdenken im Führungssystem. Vor allem in Unternehmensbereichen, die sich schnell und flexibel an die technischen Veränderungen anpassen, sind Agilität und Agieren in Netzwerken gefordert.

Die nächsten zwei bis drei Jahre werden darüber entscheiden, ob die Schweiz auch im digitalen Zeitalter eine der führenden Wirtschaftsnationen bleiben wird. Investitionen in Technologie sind kein Show-Stopper mehr – die Preise für Sensoren, Datenkommunikation und IT-Infrastruktur fallen massiv.

Wer den grössten unternehmerischen Nutzen erzielen will, muss experimentieren, Neues wagen und die Transformation ganzheitlich angehen.

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