Selbstfahrende Autos

"Die entscheidenden Player sind noch nicht einmal in den Markt eingestiegen"

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von Christoph Grau und Frank Rinderknecht, Gründer und CEO von Rinspeed

Seit fast 40 Jahren entwirft Frank Rinderknecht mit seinem Unternehmen Rinspeed Konzeptautos für die Zukunft der ­Automobilität. Selbstfahrende Autos sind ihm daher vertraut. Im Gespräch erklärt der Schweizer Visionär, wie er sich die Zukunft des autonomen Fahrens vorstellt.

Frank Rinderknecht, Gründer und CEO von Rinspeed.
Frank Rinderknecht, Gründer und CEO von Rinspeed.

Noch vor einigen Jahren waren Sie mit Ihren Konzepten von selbstfahrenden Autos ein Visionär. Sind Sie ­überrascht, wie schnell die Wirklichkeit Sie eingeholt hat?

Frank Rinderknecht: In gewisser Weise fühle ich mich bestätigt. Überrascht bin ich von den Entwicklungen ganz und gar nicht, denn diese mussten früher oder später kommen. Unsere Aufgabe ist es, Trends zu setzen und ihnen nicht einfach nur zu folgen. Unser Credo lautet: «Wer hat’s erfunden?» Auch in den bisherigen Diskussionen zum autonomen Fahren kratzen wir noch an der Oberfläche. Die grössten Veränderungen stehen uns erst noch bevor.

Wie sehen diese Veränderungen Ihrer Meinung nach aus?

Das autonome Fahren wird zu einem völligen Paradigmenwechsel in der Mobilität führen. In der aktuellen Debatte wird immer noch das Argument des «Fahrspasses» genannt. Aber wo ist der Fahrspass auf der A1 zwischen Bern und Zürich? Ich sehe dort keinen. Meiner Meinung nach sind mindestens 95 Prozent der Mobilität lediglich Nutzmobilität. Man will möglichst in kurzer Zeit von A nach B kommen. Auch soll es billig, komfortabel und einfach sein. Wie dies passiert, ist eigentlich egal. Ob nun mit einem Taxi, Zug, Flugzeug oder Fahrrad. Wir werden Mobilität anders betrachten als heute, die emotionalen Komponenten werden sich verändern und verlagern.

Ist da der Privatbesitz von Autos überhaupt noch nötig?

Nach einer Kosten-Nutzen-Rechnung in urbanen Umfeldern eigentlich nicht mehr. Besonders bei der Alltagsmobilität wird das eigene Auto eine immer geringere Rolle spielen. Hier sind Sharing-Modelle viel attraktiver und für die meisten Nutzer sinnvoller.

Wie wird dies die Automobilhersteller treffen?

Meiner Einschätzung nach werden sie eher zu Zulieferern der grossen Mobilitätsanbieter werden. Ähnlich wie Foxconn es heute für die Elektronikbranche ist. Ein Auto zu bauen ist vergleichsweise einfach. Auch der Trend hin zur Elektromobilität beschleunigt dies, denn E-Motoren sind deutlich einfacher als Verbrenner. Ein Anbieter wie Uber könnte in Zukunft für seine Flotte mehrere tausend oder gar eine Million Autos in einer speziellen Ausführung bestellen. Den Unterschied macht dann nicht mehr das Auto, sondern der mit den Fahrzeugen angebotene Dienst.

Stichwort Uber: Welche Firmen werden Ihrer Einschätzung nach den Markt mittelfristig dominieren? Softwarefirmen wie Google investieren ja stark in den Bereich.

Ich glaube nicht, dass Softwarehersteller die wichtigsten Player werden. Ich kenne die Leute von Google sehr gut. Die wollen kein eigenes Auto bauen. Sie interessiert vor allem die Technik- und Softwareseite. Das autonome Fahren wird etwas für die ganz grossen Player sein, die Ansprüche sind äusserst komplex. Die Mobilitätsmarktbeherrscher werden allerdings die Firmen mit Erfahrung in der Logistikbranche werden. Diese sind aber noch nicht einmal in den Markt eingestiegen.

An welche Firmen denken Sie dabei?

Ich denke da an Firmen wie Amazon oder Alibaba. Die haben extrem viele Kompetenzen in der Beförderung von Gütern. Die Mobilität von Menschen ist im Prinzip auch nicht viel anders. Hinzu kommt noch, dass sie sehr viel über ihre Kunden wissen. Dieses Wissen wird in der Zukunft entscheidend sein. Der Kunde ist der Schlüssel zum Erfolg.

Woran erkennen Sie dies?

Nehmen Sie Google-Maps als Beispiel. Wenn man dort eine Route aussucht, dann bekommt man Vorschläge für verschiedene Verkehrsmittel wie Auto, Fahrrad, ÖV oder auch für den Fussweg. Auch wenn dieses Angebot meiner Ansicht nach noch in den Kinderschuhen steckt, so zeigt es doch, wohin es gehen wird. Die Zukunft wird sich dahingehend entwickeln, dass der Nutzer nur noch ein Ziel oder seine gewünschte Route eingibt. Beispielsweise will er am nächsten Tag um 18 Uhr in Bochum sein. Der Fahrdienstanbieter erledigt den Rest: von der Planung der einzelnen Verkehrsträger bis hin zur Unterkunft. In Zukunft muss alles als Dienst aus einem Guss angeboten werden. Einfachheit und Kundenerlebnis werden der Schlüssel für die Mobilität der Zukunft sein. Am Ende des Monats bekommt der Kunde dann eine Mobilitätsabrechnung und alles ist erledigt.

Wann glauben Sie werden die ersten vollständig autonomen Fahrzeuge in der Schweiz fahren?

Es wird schon noch eine Weile dauern. In fünf bis zehn Jahren sollte es auf jeden Fall machbar sein. Dies ist aber abhängig davon, wo und wie dies geschieht. Bis dahin werden wir auch noch die verschiedenen Zwischenschritte wie teilautonome Autos durchlaufen. Das werden wir alle noch erleben.

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