Offene Plattform für alle Leistungserbringer

Axsana-Geschäftsführer Samuel Eglin über seine Pläne

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Axsana wurde als Betriebsgesellschaft für die Einführung des elektronischen Patientendossiers (EPD) gegründet. Primäres Ziel ist der Aufbau einer Plattform für den Kanton Zürich. Kürzlich schloss sich auch der Kanton Bern dem Projekt an. Wie es dazu kam und wie das Projekt ­verläuft, erklärt Axsana-Geschäftsführer Samuel Eglin im Interview.

Axsana-Geschäftsführer Samuel Eglin. (Bild: zVg)
Axsana-Geschäftsführer Samuel Eglin. (Bild: zVg)

Wie kam es zur Gründung von Axsana?

Samuel Eglin: 2011 hat die Gesundheitsdirektion des Kantons Zürich das Thema E-Health aufgenommen. Schon damals zeichnete sich ab, dass eine gesetzliche Regulierung kommen wird. In den ersten knapp drei Jahren wurde versucht, die Leistungserbringer zusammenzuführen. Dies zunächst in Form einer Koordinationsgruppe. Diese hat sich überlegt, was auf den Kanton und die Leistungserbringer zukommt und was eine schlaue Vorgehensweise wäre. Sie kam zur Erkenntnis, dass es ein strukturiertes formelles Gefäss braucht, nicht nur eine lockere Koordinationsgruppe. Daher wurde der Verein ZAD, Zürich Affinity Domain, gegründet.

Welche Aufgaben hat der Verein?

Die erste Aufgabe des Vereins war es, einen Technikprovider für das elektronische Patientendossier zu suchen. Der Verein erarbeitete dazu eine WTO-Ausschreibung. Diese bestand aus zwei Teilen. Auf der einen Seite die Technik, soweit wir diese schon spezifizieren konnten. Auf der anderen Seite das Finanzierungs- oder Geschäftsmodell. Denn der Kanton Zürich setzte zwei Prämissen. Erstens wollte der Kanton nur eine einzige Stammgemeinschaft, und zweitens soll sich die Plattform in irgendeiner Form selbst finanzieren. Die öffentliche Hand erklärte sich bereit, den Start in Form einer Anschubfinanzierung zu unterstützen. Aber auf Dauer sollte es kein subventionsabhängiges System sein. Das führte dazu, dass wir nicht nur Technik suchten, sondern auch einen Technikprovider, der mit uns ein Geschäftsmodell erarbeitet.

Und wie kommt Axsana dann ins Spiel?

Damals war schon klar, dass es eine Anschubfinanzierung von der öffentlichen Hand und eine Organisation für die operative Umsetzung braucht. Der Verein als Organisationsform war dafür zu schwerfällig. Daher entschieden wir uns, eine Betriebsgesellschaft für die Umsetzung zu gründen. Diese Betriebsgesellschaft wurde vom Kanton Zürich und dem Verein der Leistungserbringer, der neu Trägerverein XAD heisst – steht für Cross Affinity Domain –, gegründet. So ist Axsana entstanden. Der Kanton hält nun die eine Hälfte der Aktien von Axsana und der Trägerverein XAD die andere.

Und was passiert, wenn weitere Verbände oder Kantone hinzukommen?

Das Aktienverhältnis bleibt paritätisch bestehen. Die Kantone und die Leistungserbringerverbände teilen sich je zur Hälfte die Aktien. Die Kantone werden für ihren Aktienteil im Herbst eine eigene Körperschaft gründen. Beim Trägerverein XAD gehören die Aktien dem Verein. Die Axsana AG hat also genau zwei Aktionäre, unabhängig davon, wer noch hinzukommt.

Sie hatten also von Anfang an die Ausweitung der Plattform auf andere Kantone im Auge?

Ja. Mit dem System für den Kanton Zürich haben wir schon eine gewisse Grösse erreicht. Wenn eine Stammgemeinschaft im Kanton Zürich funktioniert, dann können gut auch weitere Versorgungsregionen abgedeckt werden. Daher gaben wir uns auch von Anfang an die strategische Zielsetzung, dass wir für weitere Kantone und Regionen als Partner offenstehen. Denn bei der Stammgemeinschaft kann man sich eigentlich nicht differenzieren. Die rechtlichen Vorgaben sind sehr strikt. Daher ist es sinnvoll, die Organisation auszudehnen und positive Skaleneffekte zu erzielen. Daher kommt im Namen Axsana auch Zürich nicht mehr vor, es ist kein Zürcher Projekt.

Mit Bern stiess dann auch gleich ein sehr ­bedeutender Kanton dazu.

Ja, mit Bern ist ein grosser, wichtiger Kanton hinzugekommen. Wir haben von Anfang an gesagt, dass es keinen Sinn ergibt, redundant verschiedene Systeme zu entwickeln und damit Kosten zu verursachen. Dies ginge zulasten des Steuer- oder Prämienzahlers.

Wie ist es zu der Partnerschaft gekommen?

Wir sind mit vielen Kantonen im Gespräch. Die einen sind etwas passiver, die anderen aktiver. Bern war sehr aktiv und offen. Es werden voraussichtlich noch weitere Kantone folgen.

Welche Technologien und Dienste stellt Axsana ­bereit?

Vom Gesetzesauftrag her müssen wir das EPD und die Organisation Stammgemeinschaft bereitstellen. Im EPD braucht es im Wesentlichen einen Master Patient Index, quasi das Verzeichnis der Patienten, und das Health Professional Directory, ein Verzeichnis der Gesundheitsfachpersonen. Hinzu kommen Register für die Informationen zu den Patienten sowie Datenspeicher. Dies alles steht im Gesetz und muss entsprechend den technischen Zertifizierungsvorschriften umgesetzt werden. Hinzu kommen noch die Schnittstellen nach aussen.

Und wie kommen die Mehrwertdienste hinzu?

Auf der gleichen Plattform setzen wir einen B2B-Teil auf und entwickeln verschiedene Dienstleistungen, die mit dem EPD nur indirekt zu tun haben. Beispielsweise unterstützen wir Zuweisungsprozesse, auch wenn ein Patient noch kein EPD hat. In den nächsten Jahren wird dies die Mehrheit der Patienten sein. Wenn wir also nur den EPD-Teil realisieren würden, dann würden wir es für die Minderheit der Patienten machen. Daher bauen wir neben dem EPD die B2B-Services als separates Dienstleistungsangebot auf.

Die Leistungserbringer können dann wählen, was sie haben wollen?

Genau. Wir werden die für eine reibungslose Zusammenarbeit der Akteure notwendigen Dienstleistungen in einem Paket bündeln, das die «integrierte Versorgung» abdeckt. Dieses werden wir als Jahresabonnement den Leistungserbringern anbieten. Weiter können wir Zusatzoptionen anbieten. Dies kann die Auslagerung der Datenspeicher eines Leistungserbringers sein. Weitere Zusatzoptionen werden mit der Zeit hinzukommen. Wir sind in dem Sinne wie ein Smartphone, auf dem verschiedene Drittanbieter ihre Dienste als App anbieten können.

Wie wird es weitergehen? Demnächst steht ja die Zertifizierung an.

Wir haben bewusst den EPD-Teil von den Zusatzdiensten getrennt. Denn nur der EPD-Teil muss laut Gesetz zertifiziert werden. Den B2B-Teil und die damit verbundenen Dienstleistungen können wir unabhängig vom EPD realisieren. Die beiden Teile sind in der Plattformarchitektur getrennt.

Wie sieht Ihre weitere Roadmap aus?

Ziel ist es, dass wir bis Ende 2017 eine erste Version der Plattform mit einigen Diensten darauf haben. Im Bereich EPD wollen wir Anfang 2018 zertifizierungsbereit sein. Wie schnell dann die Zertifizierungsstelle des Bundes zur Verfügung steht, ist eine andere Frage. Wir wollen spätestens dann bereit sein, wenn der Bund es auch ist.

Was sind Ihre grössten Bedenken in der Zukunft?

Technisch ist vieles möglich. Es ist nur eine Frage des Aufwands. Schwieriger wird’s bei der Akzeptanz und Finanzierbarkeit. Besonders schwer kalkulierbar sind die Bereiche, die direkt die Patienten betreffen. Ich denke hier etwa an die Dossiereröffnung, wo die Identifizierung des Patienten mit einem gewissen Aufwand verbunden ist. Der Patient muss sich ausweisen, sein Einverständnis schriftlich bekunden und so weiter. Die ganzen Daten müssen irgendwo gesammelt werden. Dann braucht ein Patient noch eine elektronische Identität. Damit sind immer Kosten verbunden. Die Höhe dieser Kosten ist noch unklar. Diese Prozesse machen mir am meisten Sorgen, denn sie skalieren sehr schnell. Zürich und Bern haben zusammen etwa 2,5 Millionen Einwohner. Ob ein Dossiereröffnungsprozess nun 10 oder 20 Franken kostet, das ist ein grosser Unterschied. 10 Franken Differenz ergeben schnell einen hohen Millionenbetrag, allein für die Dossiereröffnungen. Es wird absolut entscheidend sein, die Prozesse möglichst schlank und kostengünstig zu halten. Vor diesem Problem stehen nicht nur wir, sondern jedes EPD-System. Dieses Risiko hat die Politik noch nicht richtig auf dem Radar, wie mir scheint.

Eine Onboarding-Gebühr würde aber wieder die Akzeptanz für das EPD senken.

Natürlich. Wir wollen so vielen Menschen wie möglich ein EPD geben. Gebühren würden hier nur potenzielle Patienten abschrecken. Das Problem ist noch nicht wirklich gelöst.

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