Digitale Verwaltung

Beginnen mit dem ersten Schritt

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von Patrick Brändli, Leiter Business Development, Application Solutions, Abraxas Informatik

Interne Vernetzung, externe Vernetzung, Automatisierung – so lässt sich der Weg zur digitalen Verwaltung in drei Schritten zusammenfassen. In der Theorie klingt das einfach. In der Praxis gilt es, gegenläufige Interessen in Einklang zu bringen und fehlende Puzzleteilchen zu finden. Auf den Weg machen kann man sich trotzdem.

Mit der Digitalisierung der Verwaltung werden unterschiedliche Ziele verfolgt. So soll einerseits die Effizienz in den Verwaltungen erhöht und andererseits das Kundenerlebnis der Bürgerinnen und Bürger wie auch der Wirtschaft beim Kontakt mit der Verwaltung verbessert werden. Manchmal gehen diese Interessen im Gleichschritt, manchmal nicht – und manchmal sind schlicht noch nicht alle Voraussetzungen erfüllt, um die gewünschte Lösung umzusetzen.

Die Ziele der Digitalisierung können auf unterschiedliche Weise erreicht werden. Effizienzsteigerungen lassen sich etwa dadurch erzielen, dass Prozessschritte automatisiert werden, durch das Entfernen von Medienbrüchen Prozessschritte wegfallen, oder dadurch, dass die Bürger einen Teil der Prozessschritte selbst erledigen. Gerade Letzteres gelingt in der Regel nur dann, wenn die Bürger respektive die Unternehmen ebenfalls von der neuen Lösung profitieren können (etwa durch Zeitersparnis, wegfallende Besuche bei der Verwaltung oder zeit- und ortsunabhängige Abwicklung).

Die Digitalisierung der Steuerverwaltung: viele Daten, viele Beteiligte, viel Potenzial

Ein gutes Anschauungsbeispiel für die schrittweise Digitalisierung von Verwaltungen liefern die kantonalen Steuerämter. Sie haben überdurchschnittlich viele Interaktionen mit Bürgern und Organisationen, sammeln und bearbeiten viele Daten und haben einen komplexen Auftrag mit zeitaufwendigen Prozessschritten. Entsprechend gross ist der potenzielle Effizienzgewinn durch die Digitalisierung.

  1. Das digitale Archiv
    Die Digitalisierung von Verwaltungsprozessen ist umso effektiver, je durchgängiger die Prozesse elektronisch abgebildet werden. Und da für viele Dokumente eine gesetzliche Aufbewahrungspflicht gilt, muss als Erstes die Möglichkeit geschaffen werden, elektronische Informationen in einem digitalen Archiv über viele Jahre rechtssicher aufzubewahren. Es ergibt auf lange Sicht keinen Sinn, die Daten für die elektronische Bearbeitung zwar zu digitalisieren, sie aber danach in physischen Archiven zu lagern. Hier hat etwa der Kanton Graubünden mit dem zentralen Ablageinformationssystem (AIS) eine wichtige Grundlage geschaffen. Das AIS dient neben dem Steueramt auch anderen Ämtern als digitales Archiv.

  2. Die Digitalisierung der Daten und Prozesse
    Die Digitalisierung der Daten hat in den Schweizer Steuerämtern dank der Möglichkeit, Steuererklärungen über das Internet einzureichen, schon vor Jahren Fahrt aufgenommen. Dennoch gibt es noch etliche Lücken: Nach wie vor werden viele Steuererklärungen auf Papier ausgefüllt, und auch bei elek­tronischen Steuererklärungen werden die Steuerbelege in der Regel zusammen mit der Freigabequittung per Post eingereicht.

    Beispiel 1: zentral Scannen, papierlos Veranlagen: Um diesem Problem zu begegnen und den Veranlagungsprozess komplett IT-gestützt zu bearbeiten, setzte die kantonale Steuerverwaltung des Kantons Graubünden per Anfang 2017 das Projekt «papierlose Veranlagung» um. Dabei werden die nicht elektronisch eingereichten Steuererklärungen inklusive Beilagen zentral gescannt und danach ausschliesslich elektronisch weiterberarbeitet. Die Gemeinden werden dadurch entlastet, weil sie die Steuerakten nicht mehr ablegen müssen und so mittelfristig auf die Archivräume verzichten können.

    Beispiel 2: Steuerbelege mit dem Smartphone erfassen: Im Kanton Wallis wurde dieser Prozess zu den Steuerpflichtigen hin verlängert. Mit der «Tell Tax»-App für das iPhone oder An­droid-Geräte können Steuerzahler Steuerbelege erfassen, kategorisieren und per Knopfdruck in die Online-Steuererklärung importieren. Das Steueramt profitiert dabei von elektronisch erfassten Steuerbelegen in der gewünschten Qualität, während gleichzeitig die Bürger davon profitieren, dass sie die Steuerbelege gleich bei Erhalt abfotografieren und verschlüsselt in einer sicheren Ablage in der Schweiz aufbewahren können. Das Steueramt selbst kann die Belege erst einsehen, wenn die Steuererklärung mittels elektronischer Einreichung übermittelt wurde.

  3. Die Automatisierung einzelner Prozessschritte
    Sind die Systeme durchgängig und stehen die Daten digital zur Verfügung, können durch die Automatisierung von Teilprozessen Effizienzgewinne erzielt werden. Dabei stehen Steuerämter in einem interessanten Spannungsfeld: In Zeiten knapper Finanzmittel stehen auch sie unter Spardruck. Das Dilemma: Hat man zu wenige Steuerkommissäre, sinken die Einnahmen und die Einsparungen verpuffen.

Triage SG – Veranlagungsunterstützung JP im Kantonalen Steueramt St. Gallen: Im September 2016 wurde die Triage SG für die steuerliche Veranlagung juristischer Personen im Kanton St. Gallen in Betrieb genommen. Die durchschnittliche Bearbeitungszeit der Steuererklärungen wird dadurch massiv verkürzt. Es wird davon ausgegangen, dass zu Beginn rund 10 Prozent der Fälle durch die Veranlagungsunterstützung erledigt werden können.

Das System setzt sich aus der elektronischen Veranlagungslösung (EVA) sowie dem Triage-Modul mit einem auf dem Ampelsystem basierenden Regelwerk zusammen. Vereinfacht gesagt werden die Steuererklärungen nach dem Eingang in grüne Fälle (es fand keine Regelverletzung statt) und in rote Fälle (es fand mindestens eine Regelverletzung statt) sortiert. Die roten Fälle werden im ordentlichen Veranlagungsprozess bearbeitet. Die grünen Fälle werden durch einen erfahrenen Steuerkommissär (Triageur) im Schnellverfahren geprüft. Wenn der grüne Fall veranlagt werden kann, wird die Veranlagung auf Knopfdruck erstellt und versendet. Zudem werden die Steuerbeträge automatisch an das Bezugsmodul zwecks Rechnungsstellung weitergeleitet. Wenn der Triageur zum Schluss kommt, dass die Jahresrechnung genauer überprüft werden muss, kann der Fall an den zuständigen Steuerkommissär zurückgewiesen werden.

Der Arbeitsprozess und die Systemabläufe des Triage-Moduls sind auf einfache Steuererklärungen ausgerichtet und ermöglichen dem Triageur, einen solchen Fall innerhalb von nur wenigen Minuten zu erledigen, respektive den vom System vorgeschlagenen Status zu bestätigen. Auf diese Weise erhofft sich das Kantonale Steueramt St. Gallen, die stetig steigende Zahl an Steuererklärungen zu bewältigen.

Viele kleine statt ein grosser Schritt

Der Prozess der Digitalisierung wird derzeit heiss diskutiert. Die beschriebenen Beispiele zeigen, dass es sich um einen inkrementellen Prozess handelt, der schon lange begonnen hat und noch lange weitergehen wird. Dabei gibt es diverse Hindernisse zu überwinden, die der vollständigen Durchgängigkeit digitaler Verwaltungsprozesse im Weg stehen. Ein Problem, das nach wie vor einer Lösung harrt, ist dabei die flächendeckende Verbreitung einer sicheren digitalen Identität. Hier stellt sich eine klassische «Huhn oder Ei»-Frage: Wird sich die digitale Identität erst dann verbreiten, wenn genügend Services dafür zur Verfügung stehen, oder gibt es erst dann mehr Services, wenn ein bestimmter Prozentsatz der Bevölkerung über eine digitale Identität verfügt? Es bleibt zu befürchten: Ohne politische Massnahmen wird es hier nur langsam vorangehen.

Tell Tax: Steuerbelege erfassen per Smartphone

«Tell Tax» ist eine Mobile-App zur Erfassung von Steuerbelegen mittels Smartphone. Steuerpflichtige können ihre Belege mit dem Smartphone fotografieren, kategorisieren, in einem sicheren Ordner verschlüsselt aufbewahren und direkt in die elektronische Steuererklärung importieren. Derzeit steht «Tell Tax» den Steuerzahlern des Kantons Wallis zur Verfügung.

(Source: Abraxas Informatik)

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