Nachgefragt bei Jean-Marc Hensch und Peter Schilliger

Revidiertes Geldspielgesetz – das sind die Argumente der Befürworter und Gegner

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Das revidierte Geldspielgesetz scheidet hierzulande die Geister. Die Befürworter wollen dem illegalen Online-Glücksspiel in der Schweiz einen Riegel schieben, von Zensur sprechen die Gegner. Im Interview mit der Redaktion nehmen die Kontrahenten Stellung und erklären ihre Positionen.

(Source: Pixabay / fielperson / CC0 Creative Commons)
(Source: Pixabay / fielperson / CC0 Creative Commons)

Warum unterstützt der Swico das Referendum gegen das ­revidierte Geldspielgesetz?

Jean-Marc Hensch: Wir stehen ein gegen Netzsperren. Es ist die logische Fortsetzung unserer bisherigen Opposition in dieser Sache. Das Geldspielgesetz ist ja per se kein ICT-Thema, aber aufgrund des dadurch drohenden Dammbruchs bezüglich Netzsperren müssen wir dagegen kämpfen. Wir erhalten auch aus unserem Mitgliederkreis und der ganzen Branche Signale, dass es sehr wichtig sei, dieses Gesetz zu Fall zu bringen, da es sich diametral gegen die Digitalisierung der Schweiz richtet. Käme es durch, müsste man damit rechnen, dass auch andere Branchen versuchen, die Schweiz mittels Netzsperren vom globalen Internet abzukoppeln, um ihre finanziellen Interessen zu schützen.

Jean-Marc Hensch, Geschäftsführer Swico. (Source: zVg)

Welche Auswirkungen befürchten Sie für die Internetbranche, wenn das Gesetz in der aktuellen Form in Kraft tritt?

Netzsperren gefährden die Sicherheit des Internets, da damit Internetprovider technisch betrachtet gezwungen werden, Datenpakete (= die Browser­eingabe des Nutzers) zu fälschen beziehungsweise zu verfälschen. Auf diese Weise werden die Technologien zur Erkennungen von (kriminellen) Fälschungen im Internet geschwächt und damit der Kampf gegen Internetkriminalität gefährdet, den in der Schweiz insbesondere Melani und Switch betreiben. Auch ist ein Overblocking unbeteiligter Websites unvermeidbar. Oft teilen bei Hostingprovidern hunderte, komplett unabhängige Websites eine IP-Adresse oder unter einer Domain sind Dutzende, komplett unabhängiger Websites abrufbar. Besonders ins Gewicht fallen auch die Reputationsschäden, die den Firmen widerfahren, wenn ihre Site zu Unrecht gesperrt wird: (potenzielle) Kunden und Besucher denken sofort, dass hier etwas nicht stimmt und meiden das Angebot danach.

Was sagen Sie zum Argument eines der Befürworter, Karl Vogler (CSP, Obwalden) in der NZZ, dass Netzsperren «das einzige Mittel seien, um zu verhindern, dass jährlich 250 Millionen Franken an Anbieter flössen, die hierzulande keine Steuern und Abgaben entrichteten und sich nicht an die hiesigen Auflagen zum Schutz von suchtgefährdeten Spielern hielten»?

Das Gegenteil ist der Fall: Netzsperren sind dazu ein komplett untaugliches Mittel, da sie einfach, kostenlos und ohne besondere Kenntnisse umgangen werden können. Überdies ist in modernen Browsern die Option zur Umgehung von Netzsperren bereits vorinstalliert.

Was wäre Ihr Vorschlag für ein Geldspielgesetz ohne Netzsperren?

Gerne verweise ich auf den Kompromissvorschlag der Rechtskommission des Nationalrates vom 13. Januar 2017: Dabei sollte zuerst die Marktentwicklung von nicht zugelassenen Onlineangeboten verfolgt und evaluiert werden. Sollte der Bundesrat fünf Jahre nach Inkrafttreten des Gesetzes feststellen, dass weitergehende Massnahmen erforderlich sind, so wäre er ermächtigt worden, geeignete technische Massnahmen zu beschliessen, die jedoch verhältnismässig sind und die Meinungs- und Informationsfreiheit respektieren müssen.

Durch welche rechtliche Handhabe könnten ausländische Online-Casinos oder auch andere ausländische E-Commerce-Anbieter hierzulande in die Pflicht genommen werden, um etwa Steuern oder Abgaben zu entrichten?

Mittels Integration des internationalen Online-Casinospiel-Angebots in den Schweizer Markt und dementsprechende Regulierung. Dies führt zu einer klaren Erhöhung der Einnahmen für die Kantone und AHV/IV. Das Monopol der Kantone (Swisslos, Loterie Romande) und der Lotteriefonds wird von einer Liberalisierung der Online-Casinospiele nicht tangiert.

Peter Schilliger, FDP-Nationalrat. (Source: Bruno Eberli Fotograf SBf)

Was halten Sie davon, dass das Referendum gegen das ­revidierte Geldspielgesetz ergriffen wurde?

Peter Schilliger: Gegen jedes Bundesgesetz kann das Referendum ergriffen werden. Das ist ein wichtiges demokratisches Recht, das den Einbezug des Volkes ermöglicht. Interessant scheint mir jedoch, dass ein Teil der Referendumsführer von den ausländischen Online-Casinos unterstützt wird, die weiterhin aktiv in der Schweiz illegale Angebote betreiben.

Was sagen Sie zum Argument der Gegner, dass mit dem revidierten Geldspielgesetz ein Damm breche und auch andere Branchen (Taxi, Hotellerie etc.) eine Abschottung des Schweizer Marktes vor unliebsamer Konkurrenz im Internet durch ausländische Anbieter fordern?

Ausländische Onlineanbieter von Casinospielen und Sportwetten sind seit vielen Jahren illegal in der Schweiz tätig. Nach einer Studie der Uni Bern, die von der Verwaltung in Auftrag gegeben wurde, ziehen diese Anbieter jedes Jahr rund 250 Millionen Franken aus der Schweiz ins Ausland ab, Tendenz stark steigend. Sie bieten kaum Schutz vor Spielsucht und sie bezahlen in der Schweiz weder Steuern noch leisten sie Abgaben an die AHV, den Sport und die Kultur. Mit anderen Worten: es geht hier nicht um die Abschottung des Marktes, sondern um die Sperrung von illegalen Angeboten.

Netzsperren gefährden die Sicherheit des Internets, behaupten die Gegner, zudem seien Netzsperren untauglich im Kampf gegen illegale Online-Casinos, da die Sperren einfach umgangen werden können. Warum haben Sie trotzdem für das revidierte Geldspielgesetz gestimmt?

Ich will, dass das Geld, das in der Schweiz bei Geldspielen verloren wird, in der Schweiz bleibt und nicht ins Ausland abfliesst. Die Schweizer Spielbanken und die Lotteriegesellschaften Swisslos und Loterie Romande leisten hohe Abgaben an die AHV, an den Sport und die Kultur. Dieses bewährte System muss unbedingt erhalten werden. Ich glaube nicht, dass durch die Sperrung des Zugangs zu einigen ausländischen Onlineanbietern die Sicherheit des Internets auf dem Spiel steht. Es trifft zu, dass die Sperren umgangen werden können. Das heisst aber noch lange nicht, dass sie untauglich sind. Es bedarf eines gewissen Aufwands für die Umgehung, und die Spieler, die auf die ausländischen Seiten zugreifen wollen, werden darüber informiert, dass es sich um ein in der Schweiz nicht bewilligtes und nicht kontrolliertes Angebot handelt. Dass illegale Geldspielanbieter geschützt werden sollen, muss man thematisieren. Denn wer einen Barbetrieb ohne Betriebsbewilligung eröffnet, muss diesen auch schliessen – der Betrieb wird gesperrt! Auch dieser Betreiber kann dieses Verbot umgehen und im Nachbargebäude wieder aktiv werden. Wo ist in diesem Vergleich ein Unterschied zwischen realer und digitaler Welt?

Als Liberaler stehen Sie und Ihre Partei für eine freiheitliche Wirtschaftspolitik und offene, freie Märkte. Dennoch haben Sie und Ihre Fraktion dem revidierten Geldspielgesetz grossmehrheitlich zugestimmt. Wie lassen sich das revidierte Geldspielgesetz und die damit verbundenen Netzsperren mit liberalen Werten vereinen?

Das Geldspiel ist kein gewöhnliches freies Produkt, denn mit ihm sind Gefahren wie Spielsucht und Geldwäscherei verbunden. Geldspiel ist deshalb hoch reguliert und von unserer Verfassung von der Wirtschaftsfreiheit ausgenommen. Es ist durchaus gerechtfertigt, dass in einem solchen speziellen Fall der Zugang zu illegalen Angeboten verhindert wird. Es ist auch richtig, wenn in anderen illegalen Bereichen Netzsperren bestehen, so zum Beispiel bei der Kinderpornografie oder bei Terrorismus.

Zustände wie in Nordkorea oder in China befürchten die Gegner. Sie sprechen von Internetzensur. Inwiefern können Sie diese Ängste vor den Auswirkungen auf die Freiheit im Internet nachvollziehen?

Von Zensur zu sprechen ist falsch. Der freie Zugang zu Meinungen und Informationen politischer oder religiöser Natur etc. wird von den Sperren nicht tangiert. Zudem werden die gesperrten Sites veröffentlicht und die Inhaber können gegen die Sperre Beschwerde erheben. Ohne Sperren, die heute in vielen europäischen Ländern Standard sind, ist ein Schutz vor Spielsucht nicht garantiert, und zudem fliesst potenzielles Steuersubstrat ins Ausland ab.

Darum geht es

National- und Ständerat haben in der Herbstsession am 29. September 2017 das revidierte Geldspielgesetz verabschiedet. Dabei erlaubt das Parlament mit dem neuen Geldspielgesetz nur einheimischen Casinos, ihre Spiele auch online durchzuführen. Ausländische Online-Casinoanbieter werden mit einer ­Internetsperre belegt und sollen so von der Schweiz aus nicht mehr aufgerufen werden können.

Jungfreisinnige, Junge GLP und Junge SVP bekämpfen das Gesetz gemeinsam und haben am 10. Oktober 2017 das Referendum dagegen ergriffen. Bis zum Ende der Referendumsfrist am 18. Januar 2018 müssen sie 50000 Unterschriften sammeln, damit die Vorlage vors Volk kommt. Der Wirtschaftsverband Swico unterstützt das Referendum.

Die Argumente der Gegner:

Die Sperrung von ausländischen Internetseiten zum Schutz einheimischer Marktteilnehmer sei wirtschaftlich unvernünftig, argumentieren die Gegner des ­revidierten Gesetzes. Die Netzsperren stellten einen schweren Eingriff in die Wirtschafts- und Informationsfreiheit dar.

Mit dem Entscheid für Netzsperren schaffe das Par­lament einen gefährlichen Präzedenzfall, der weiteren Eingriffen in die Freiheit des Internets Tür und Tor ­öffne und all jenen Bestrebungen als gutes Beispiel dient, unliebsame Konkurrenz im Internet einfach auszusperren. Dabei liege eine sinnvolle Lösung auf der Hand: Das ausländische Onlineangebot soll in­tegriert und die entsprechenden Unternehmen reguliert und besteuert werden. Damit sichere sich der Staat wichtige Einnahmen für Kantone, Jugend, Sport und AHV/IV.

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