Urteil aus Deutschland

Facebook muss Konten an Hinterbliebene übergeben

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Der deutsche Bundesgerichtshof hat ein wegweisendes Urteil zum Umgang mit digitalen Hinterlassenschaften gefällt. Im konkreten Fall muss Facebook ein Konto einer verstorbenen Tochter an die Eltern aushändigen. Das soziale Netzwerk wehrte sich mit Datenschutzbedenken dagegen.

(Source: xporter769 / iStock.com)
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Was passiert mit einem Facebook-Profil nach dem Tod des Eigentümers? Sind digitale Hinterlassenschaften gleich zu behandeln wie analoge? Vor diesen Fragen stand das zweithöchste deutsche Gericht, der Bundesgerichtshof.

Die Vorgeschichte

Konkret behandelte das Gericht einen Fall eines 15-jährigen Mädchens, das aus ungeklärten Umständen von einer U-Bahn erfasst und getötet wurde. Es könnte sich um Suizid gehandelt haben. Um herauszufinden, ob das Mädchen eventuell über Facebook gemobbt wurde, wollten die Eltern das Facebook-Profil des Mädchens einsehen. Sie hatten auch die nötigen Login-Daten. Jedoch wurde das Profil von einem anderen Nutzer in den sogenannten "Gedenkzustand" versetzt, was einen Zugriff auf die Daten verhinderte.

Die Eltern beantragen bei Facebook, den Gedenkzustand zu deaktivieren. Facebook weigerte sich mit der Begründung, dass es die Daten der anderen Nutzer, etwa Chatteilnehmer, schützen müsse. So ging der Streit vor die deutschen Gerichte. Ein Gericht entschied für die Eltern, ein anderes dagegen.

Eltern erhalten Zugang auf Konto

Der Bundesgerichtshof folge am Donnerstag der Ansicht der Eltern, wie der Spiegel berichtet. Das Gericht entschied, dass das Nutzerkonto auch bei sozialen Netzwerken an die Erben übergeht. Damit erhalten die Erben einen uneingeschränkten Zugang auf das Konto. Das Gericht setzte die digitalen Hinterlassenschaften denen analoger gleich.

Die Datenschutzbedenken von Facebook beurteilte das Gericht folgendermassen: "Zu Lebzeiten muss mit einem Missbrauch des Zugangs durch Dritte oder mit der Zugangsgewährung seitens des Kontoberechtigten gerechnet werden und bei dessen Tod mit der Vererbung des Vertragsverhältnisses", schreibt das Gericht in einer Mitteilung.

EU-DSGVO nicht betroffen

Auch kollidierte die Vererbung nicht mit der neuen EU-DSGVO. Das Gericht führte einen entsprechend Prüfung durch, wie der Mitteilung weiter zu entnehmen ist. "Datenschutzrechtliche Belange der Erblasserin sind nicht betroffen, da die Verordnung nur lebende Personen schützt", schreibt das Gericht.

Das Urteil ist rechtskräftig. Facebook kann jedoch noch zum deutschen Bundesverfassungsgericht ziehen und später vor den europäischen Gerichtshof für Menschenrechte. Laut dem Kölner Stadt-Anzeiger ist noch nicht klar, wie sich Facebook entscheiden wird.

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