Focus: HR

Was die Digitalisierung mit Schweizer HR-Abteilungen macht

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Die Digitalisierung krempelt das Personalwesen um. Wie Schweizer HR-Abteilungen diesen Wandel durchleben, hat Anne Jansen, Dozentin für Human Resource Management an der Fachhochschule Nordwestschweiz, untersucht. Im Interview spricht sie über ihre Befunde und darüber, welche digitalen Kompetenzen heutzutage besonders gefragt sind.

Anne Jansen, Dozentin für Human Resource Management an der Fachhochschule Nordwestschweiz. (Source: zVg)
Anne Jansen, Dozentin für Human Resource Management an der Fachhochschule Nordwestschweiz. (Source: zVg)

Sie haben eine Studie über "HR im digitalen Wandel" verfasst. Welche Befunde haben Sie überrascht?

Anne Jansen: In einer Onlinebefragung befragten wir mehr als 500 Abonnenten und Abonnentinnen der Fachzeitschrift "HR Today", die in unterschiedlichen Funktionen in HR-Abteilungen arbeiten. Besonders positiv überrascht hat uns, dass die grosse Mehrheit der HR-Fachleute die Digitalisierung als Chance betrachtet und nur 3 Prozent aller Befragten angeben, Angst davor zu haben, dass sie durch neue Technologien überflüssig werden. Je nach Berufsgruppe und Branche sind häufig doch viel stärkere Ängste und weniger positive Einstellungen zur Digitalisierung verbreitet. Interessant ist auch, dass die Befragten eher unschlüssig sind, wie sich die Qualifikationen im HR verändern werden. Während gut ein Drittel davon ausgeht, dass der Abstand zwischen hohen und niedrigen Qualifikationsanforderungen im HR zunehmen wird, geht ein weiteres Drittel vom Gegenteil aus. Wie sich dies tatsächlich verhalten wird, wird sich erst mit der Zeit zeigen, denn bei über der Hälfte ist die Integration von IT-Tools und die Automatisierung von Prozessen noch wenig weit fortgeschritten.

Wie erleben HR-Fachleute die digitale Transformation?

Die befragten Personen weisen grösstenteils eine sehr positive Einstellung zur Digitalisierung auf. Sie berichten über eine geringe Arbeitsplatzunsicherheit, hohes Wohlbefinden und sind zufrieden mit ihrer beruflichen Perspektive und mit der Art und Weise, wie sie ihre Fähigkeiten bei der Arbeit einsetzen können. Interessanterweise zeigt sich hier ein Effekt der Einstellung gegenüber Digitalisierung sowie den vorhandenen digitalen Kompetenzen und der digitalen Reife des eigenen Unternehmens – die sich positiv auf Zufriedenheit mit dem Beruf und das Wohlbefinden auszuwirken scheinen. Die grosse Mehrheit der Befragten geht nicht davon aus, dass es künftig weniger Kontakt mit Kunden und Kundinnen geben wird oder dass ihr Handlungsspielraum durch die Digitalisierung eingeschränkt wird.

Wie können HR-Abteilungen von der Digitalisierung profitieren?

Gerne hätten wir erfasst, welche Auswirkungen der Stand der Digitalisierung der HR-Abteilung auf Qualität und Kosteneinsparungen zeigt. Der Art der Befragung geschuldet, konnten wir nur erheben, welche Erwartungen diesbezüglich bei den Befragten bestehen. Die Hälfte erwartet Kosteneinsparungen durch digitale Technik und ist davon überzeugt, dass die Qualität der HR-Arbeit durch digitale Technik gesteigert werden kann. Potenzial liegt auch darin, gewisse Prozesse zu automatisieren, sodass Routinetätigkeiten wegfallen und der Mensch wieder stärker in den Mittelpunkt rücken kann.

Wo sehen Sie die Risiken der Digitalisierung im Personalwesen?

Als sehr wichtig erachten wir, dass Bewusstsein darüber herrscht, dass das Personalwesen auf zweifache Weise von der Digitalisierung betroffen ist. Zum einem ändern sich Arbeitsformen und Prozesse in der HR-Abteilung selbst – letztlich ist die ganze HR-Wertschöpfungskette betroffen – zum anderen ist das HR auch in seiner Funktion gefordert, andere Unternehmensbereiche und deren Mitarbeitende zu begleiten und für diese Veränderung fit zu machen. Schliesslich darf das HR aber auch keinesfalls nur noch auf automatisierte administrative Prozesse reduziert werden, sondern es braucht HR-Fachleute, die über Business- und Branchenkenntnisse verfügen und Veränderungen antizipieren und steuern können.

Was den digitalen Reifegrad der HR-Abteilungen in der Schweiz angeht, stellen Sie grosse Unterschiede fest. Wie erklären Sie sich das?

Unsere Ergebnisse zeigen, dass gut die Hälfte der Befragten von einem mittleren digitalen Reifegrad berichtet, während 30 Prozent den digitalen Reifegrad in ihrem Unternehmen als hoch und 18 Prozent als eher gering einschätzen. Dass der digitale Reifegrad der HR-Abteilungen in der Schweiz so unterschiedlich ausfällt, hat verschiedene Gründe. So findet sich hier ein Einfluss der Unternehmensgrösse – insbesondere Personen aus Unternehmen mit bis zu 10 Mitarbeitenden und mit über 500 Mitarbeitenden geben einen hohen Reifegrad an. Auch die Branche scheint einen Einfluss darauf zu haben, wie hoch der digitale Reifegrad der Unternehmen ist. In unserer Stichprobe weisen Unternehmen aus der Finanzindustrie und dem Bereich Information und Kommunikation einen eher hohen digitalen Reifegrad auf, während Organisationen des öffentlichen Sektors und der Gesundheitsbranche die Schlusslichter zu bilden scheinen. Gefragt hatten wir unter anderem nach dem Stellenwert der digitalen Transformation und der Priorität von digitalen Projekten. Somit spielt natürlich auch mit rein, wie wichtig die Digitalisierung des eigenen Unternehmens für das Bestehen auf dem Markt ist.

Was hindert manche HR-Fachleute daran, die Digitalisierung in ihren Abteilungen voranzutreiben?

Zunächst ist es wichtig für eine erfolgreiche Umsetzung, dass die Digitalisierung in der HR-Strategie verankert wird, damit Veränderungen zielgerichtet gesteuert werden können. Dies war immerhin bei über 50 Prozent der befragten HR-Fachleuten der Fall. Wenn eine stärkere Digitalisierung des HRs gewünscht wird, sollte dies auch in der Zielvereinbarung mit aufgenommen werden. In Unternehmen mit einem hohen digitalen Reifegrad ist die Digitalisierung auch in den Zielvereinbarungen der Führungskräfte und Mitarbeitenden verankert. Schliesslich spielen vor allem auch die digitalen Kompetenzen, die im HR vorhanden sind, eine entscheidende Rolle. Diese Kompetenzen entscheiden darüber, wieweit die Digitalisierung des HRs vorangeschritten ist.

Welche digitalen Kompetenzen sind im Personalwesen besonders gefragt?

In unserer Studie haben wir uns angeschaut, welche digitalen Kompetenzen im HR vertreten sind. Es fällt auf, dass doch immerhin jeweils ein gutes Drittel der Befragten angibt, dass ihr HR nur teilweise oder eher nicht über die für den digitalen Wandel als relevant geltenden Kompetenzen wie Prozessdenken, interdisziplinäre Arbeitsweise oder die sachkundige Anwendung von IT-Systemen verfügt. Die Kompetenz, grosse Datenmengen mit statistischen Methoden auszuwerten, ist nur im HR von 16 Prozent der Befragten vorhanden. Über die Hälfte der Befragten geht davon aus, dass es zukünftig höhere Qualifikationsanforderungen im HR geben wird. Mit der Frage, welche digitalen Kompetenzen im Personalwesen besonders gefragt sind, befasst sich eine aktuelle Studie aus unserem Institut von Jonas Konrad und Dörte Resch. Ihre Resultate weisen darauf hin, dass neben soliden Anwendungskenntnissen von HR-Systemen und Tools eine grundsätzliche Offenheit gegenüber neuen Themen rund um die Digitalisierung und die Bereitschaft, sich rasch in neue Produkte und Anwendungen einzuarbeiten, von zentraler Bedeutung sind. Viele, auch neuere HR-Funktionen sind an der Schnittstelle zur IT zu verorten, was sowohl eine verstärkte interdisziplinäre Zusammenarbeit als auch die Integration einer "IT-Denkweise" in die HR-Arbeit erfordert. Eine hohe Lernbereitschaft und die Kompetenz, neue Entwicklungen kritisch zu reflektieren, dürften hierzu wichtige Voraussetzung sein.

Was raten Sie Unternehmern, die über Fachkräftemangel klagen und kaum genügend Personal finden?

Um den Fachkräftemangel zu bekämpfen, raten wir Unternehmen verstärkt, auf die Bindung von älteren Fachkräften zu setzen – indem diese über das ordentliche Pensionierungsalter hinaus im Unternehmen verbleiben oder nach erfolgter Pensionierung für Arbeitseinsätze zurückgeholt werden. Damit dies gelingen kann, sollten Unternehmen ihre Mitarbeitenden unterstützen, ihre Beschäftigungsfähigkeit fördern und lebenslanges Lernen ermöglichen. Hier herrscht leider häufig noch das Vorurteil, dass ältere Beschäftigte weniger lernfähig sind. Ist ein Unternehmen dafür bekannt, dass es in den Kompetenz­erhalt und die -entwicklung seiner Belegschaft investiert, sollte sich dies auch generell auf die Arbeitgeberattraktivität auswirken und Bewerberinnen und Bewerber ansprechen.

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