US-Sanktionen zeigen Wirkung

Huawei gehen die Chips aus – für die USA könnte das nach hinten losgehen

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von Pascal Scherrer, Watson.ch

Die verschärften Sanktionen der USA gegenüber Huawei zeigen Wirkung. Der Handy-Hersteller hat ein ernsthaftes Problem. Doch auf lange Sicht könnten die USA als Verlierer dastehen.

(Source: Huawei)
(Source: Huawei)

Huawei, mittlerweile der grösste Smartphone-Hersteller der Welt, leidet noch immer unter dem US-Bann. Nachdem das Wegfallen von US-Software den Handy-Riesen anscheinend nur kurzfristig gebremst hat, zogen die USA die Schraube im Mai 2020 weiter an: Ausländischen Firmen ist es nicht mehr erlaubt, Halbleiter an Huawei zu liefern, wenn der Prozess US-Soft- oder Hardware jeglicher Art beinhaltet. Tun sie es trotzdem, müssen sie mit Sanktionen rechnen. Damit wird es Huawei praktisch verunmöglicht, weiterhin konkurrenzfähige Chips herstellen zu lassen, denn die meisten Fertigungsstrassen rund um den Globus kommen nicht ohne US-Technologie aus. Selbst bei der Logistik untersagen die US-Sanktionen Lieferungen an Huawei, wenn für deren Verarbeitung US-Software zum Einsatz kommt.

Anfangs September 2019 präsentierte Richard Yu noch stolz den neusten Kirin-Prozessor an der IFA in Berlin. (Source: Netzmedien)

Damit hat die Trump-Regierung vor allem eines im Sinn: Huawei den Zugang zu leistungsfähigen Chips für Handys und 5G-Netzwerkausrüstung abzuschneiden. Dass das tatsächlich ein grosses Problem für Huawei ist, zeigt der Rückzug von Taiwan Semiconductor Manufacturing Co. (TSMC). Seit die USA die neuen Restriktionen bekannt gaben, hat der grösste Chip-Auftragsfertiger keine neuen Bestellungen mehr von Huawei angenommen – und das, obwohl Huawei einer der grössten Kunden von TSMC ist. Damit kann Huawei also auch Chips, die bereits vor dem US-Bann fertig entwickelt waren, nicht mehr weiter produzieren lassen.

Ab 15. September werden keine Chips mehr für Huawei produziert

Besonders bitter: Wegen der verschärften US-Gangart kann TSMC auch die eigenen Kirin-Chips von Huawei nicht mehr produzieren. Diese gehören zu den leistungsfähigsten der Branche und waren bisher das Herzstück der Huawei-Smartphones. Huawei-Mobile-Chef Richard Yu sagte gegenüber Reuters, dass die Produktion von Kirin-Chips am 15. September eingestellt werde.

Im Moment sieht es so aus, als könne die Huawei-Tochterfirma HiSilicon, welche die Kirin-Chips entwickelt, in naher Zukunft keine neuen Chips mehr entwerfen. Wie viele andere Chip-Entwickler ist auch HiSilicon auf US-Chip-Patente angewiesen, die nun nicht mehr zur Verfügung stehen. Laut Yu könnte 2020 somit das letzte Jahr werden, in denen Kirin-Highend-Chips zur Verfügung stehen.

Laut Yu sei die Situation sogar noch weit ernster, da nicht nur die Versorgung durch Chips, sondern auch anderer Komponenten gefährdet sei. Entsprechend rechnet Huawei damit, dass man 2020 weit weniger als die 240 Millionen Smartphones von 2019 absetzen wird. Damit dürfte Huawei wohl auch nur vorübergehend an der Spitze der Handy-Hersteller stehen.

Qualcomm als Ausweg?

Einen Ausweg aus der Chip-Misere ist für Huawei schwierig und hängt auch vom guten Willen der USA ab. TSMC könnte eine Ausnahmegenehmigung bei der US-Regierung beantragen, um weiterhin für Huawei produzieren zu dürfen. Es dürfte aber klar sein, dass die USA diese kaum bewilligen würden, immerhin sind es vor allem die hauseigenen Chips von Huawei, die der Trump-Regierung ein Dorn im Auge sind.

Grössere Chance könnte da Qualcomm haben. Das US-Unternehmen stellt die Snapdragon-Chips her, die in fast jedem anderen Android-Smartphone verbaut werden. Selbst chinesische Marken wie Oppo, Xiaomi oder OnePlus setzen grösstenteils auf Chips dieses Herstellers. Laut einem Bericht des "Wall Street Journals" vom Samstag soll Qualcomm bei der US-Regierung bereits einen Antrag für eine Ausnahmebewilligung eingereicht haben. Qualcomm will den Chinesen unter anderem die dringend benötigten Highend- und 5G-Chips verkaufen, ohne die zukünftige Huawei-Smartphones nicht mehr konkurrenzfähig wären.

Taiwanesischer Hersteller kann Nachfrage teilweise decken

Eine weitere Möglichkeit ist, dass Huawei vermehrt Chips des taiwanesischen Anbieters Mediatek verbaut. Im Einsteigerbereich sind bereits erste Modell mit Mediatek-Prozessoren erschienen. Mediatek-Chips galten lange nicht als so leistungsfähig wie Kirin- oder Snapdragon-Chips. In den letzten Jahren soll Mediatek aber vor allem im 4G-Segment gewaltig aufgeholt haben. In vielen Handy-Wachstumsmärkten wie Indien oder Brasilien ist 4G nach wie vor der tonangebende Standard. So setzt mittlerweile sogar Samsung im Einsteigerbereich auf Chips von Mediatek. Mit der Dimensity-Serie hat der Hersteller nun auch seine ersten 5G-Chips vorgestellt.

Trotzdem verliert Huawei hier an Konkurrenzfähigkeit, denn die neusten Chips von Mediatek werden im 7-nm-Verfahren hergestellt. Auch Huawei setzt beim Kirin 990 auf diesen Fertigungsprozess, wäre aber beim nachfolgenden Kirin 1000 zu 5 nm gewechselt. Während die Highend-Geräte der Konkurrenz also mit Prozessoren des besseren 5nm-Verfahrens erscheinen, muss Huawei wohl weiterhin auf 7nm setzen. Ebenfalls stellt sich die Frage, ob Mediatek in der Lage wäre, kurzfristig überhaupt die Massen an Chips zu produzieren, die Huawei benötigt.

Chinas Halbleiterindustrie ist noch nicht konkurrenzfähig

Natürlich gibt es da auch noch die einheimische Halbleiterindustrie, aber auch diese ist von den US-Sanktionen betroffen. Das führende Unternehmen in diesem Bereich ist Semiconductor Manufacturing International Corporation (SMIC). Dieses hat Anfang August bekannt gegeben, dass man sich vollumfänglich an die US-Vorgaben halten wolle. Für SMIC sicher ein harter Schlag, immerhin soll Huawei zehn Prozent des Umsatzes ausgemacht haben.

Der Kirin 990 ist auf US-Technologie angewiesen. (Source: Huawei)

Hier zeigt sich aber auch, wie sehr die chinesische Halbleiterindustrie noch immer von US-Technologie abhängig ist. Ohne Fertigungsequipment aus Amerika wäre SMIC nicht fähig, Chips herzustellen. Hinzu kommt, dass SMIC nur im 14nm-Verfahren produzieren kann Chips, die aktuell nur noch in günstigen Einsteigermodellen zum Einsatz kommen. Analysten schätzen, dass die chinesische Halbleiterindustrie einige Jahre hinter dem Branchenleader hinterherhinkt. Damit könnte SMIC selbst ohne US-Fertigungsstrassen keine Chips im 7nm- oder 5nm-Verfahren produzieren, die Huawei dringend benötigt.

Chinesischer Staat pumpt Milliarden in Entwicklung

Den Wissensrückstand hat auch der chinesische Staat erkannt und pumpt nun richtig viel Geld in die einheimische Halbleiterindustrie. Alleine SMIC soll rund zwei Milliarden Dollar erhalten, um den Ausstoss möglichst rasch vervielfachen zu können. Auch SMIC hat seine Investitionen angepasst. Durch Ausgaben neuer Aktien will man im besten Fall rund drei Milliarden Dollar einnehmen. Gleichzeitig zog sich SMIC von der New Yorker Börse zurück. Aktien des Unternehmens werden nun an der Hongkonger Börse gehandelt.

Das fehlende Know-How will China auch mit der Abwerbung von Fachkräften möglichst schnell wettmachen. Laut einem Bericht der Nikkei Asian Review sollen kürzlich bis zu 3000 Chip-Ingenieure Taiwan Richtung China verlassen haben. Diese Zahl wurde gemäss Nikkei vom Taiwan Institute of Economic Research bestätigt. Für die taiwanesische Halbleiterindustrie ist das ein herber Verlust, denn diese Zahl entspricht laut Behörden einem Zehntel der taiwanesischen Arbeitskräfte für Chipforschung und -entwicklung. China soll ausländische Fachkräfte unter anderem mit Gehältern locken, die dreimal so hoch seien wie bei den anderen Arbeitgebern.

Ziel: Made in China 2025

Geht es nach der chinesischen Regierung, soll China im Bereich diverser Technologiedienstleistungen spätestens 2025 möglichst unabhängig sein. Das Programm dazu nennt sich "Made in China 2025" und wurde bereits 2015 vorgestellt. Damals hiess es, man wolle 300 Milliarden Dollar zur Verfügung stellen, um Halbleiterindustrie, Pharmazie, IT, Robotik sowie Automobil- und Luftfahrindustrie möglichst vom Ausland unabhängig zu machen. China hatte damit natürlich auch ganz klar die USA im Auge. Durch die Initiative erhoffte man sich damals, bis 2025 70 Prozent der eingesetzten Chips unabhängig produzieren zu können. Die US-Sanktionen dürften diesen Zeitplan nun gehörig beschleunigen. Gleichzeitig könnten US-Firmen, die auf chinesische Fertigungsstrassen und auch Kunden angewiesen sind, in die Schusslinie des chinesischen Staates geraten. Prominentestes Beispiel ist hier natürlich Apple. Bereits im Mai soll die Kommunistische Partei erwägt haben, Apple auf eine Liste von unzuverlässigen Unternehmen zu setzen.

Apple kann auf China nicht verzichten: Weder als Auftragsfertiger noch als Absatzmarkt. (Source: Zhiyue Xu / Unsplash.com)

Man kommt fast nicht darum herum, eine gewisse Analogie zu einem der grössten Dramen der US-Geschichte zu ziehen: Pearl Harbor. Als die Japaner 1941 die USA angriffen, waren die US-Streitkräfte keine Grossmacht: Gemessen an der Schlagkraft befand man sich weltweit gesehen nicht einmal in den Top 10. Als der Krieg 1945 endete, war Japan am Boden und die USA zur Kriegsmacht aufgestiegen. Die US-Regierung hat Huawei einen schweren Schlag verpasst. Doch die Chinesen rappeln sich auf und haben nun die Hilfe ganz Chinas hinter sich. Trump muss aufpassen, dass die USA nicht plötzlich als Verlierer dastehen.

Dieser Beitrag ist zuerst auf Watson.ch erschienen.

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