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So geht SBB Informatik mit dem IT-Fachkräftemangel in der Schweiz um

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Der Fachkräftemangel in der Schweizer IT-Branche ist gross und Arbeiten müssen teilweise ins Ausland verlegt werden. Wie SBB Informatik mit dem Mangel umgeht und welche Rolle Weiterbildungen dabei spielen, erklärt Stefano Trentini, Leiter Software Engineering bei SBB Informatik.

Stefano Trentini, Leiter Software Engineering bei SBB Informatik. (Source: zVg)
Stefano Trentini, Leiter Software Engineering bei SBB Informatik. (Source: zVg)

SBB Informatik hat einen Software-Auftrag an T-Systems Deutschland vergeben, unter anderem wegen des Fachkräftemangels in der Schweizer IT-Branche. Welche Fachkräfte und Fähigkeiten vermisst SBB Informatik auf dem Schweizer Arbeitsmarkt im IT-Bereich?

Stefano Trentini: Generell kann man sagen, dass alle IT-Kompetenzen rar sind. Besonders gross ist der Mangel an Fachleuten im Bereich neuer Technologien im Java-Umfeld, wie Kafka, Angular, Spring Boot, Docker / OpenShift. Auch in den Spezialgebieten wie IT-Security, Applikationsintegration, Test Driven Development, Continuous Integration und Continuous Deployment sind die Spezialisten dünn gesät.

Und diese Spezialisten finden Sie in der Schweiz nicht?

Bei der SBB Informatik haben wir sehr komplexe fachliche Anforderungen und wir bewegen uns im Bereich der Spitzentechnologien. Deshalb sind wir auf die besten Fachleute angewiesen, die sich mit den neusten Entwicklungen auskennen. Um die Leistungsfähigkeit unserer IT über die nächsten Jahre sicherzustellen, beauftragen wir externe Partner. Mit entsprechenden Rahmenverträgen sind wir in der Lage, gezielt solche Aufgaben zu vergeben, die wir im Schweizer Arbeitsmarkt nicht abdecken können. Die SBB Informatik kann damit ihren Handlungsspielraum erweitern, Risiken minimieren und das optimale Kosten-/Nutzenverhältnis herstellen, wovon letztlich die SBB Kunden profitieren.

Wieso fehlt es gerade an diesen Fachkräften?

Durch die Digitalisierung ist der Bedarf in allen IT-Gebieten schneller gewachsen als der Markt ausbilden kann. Im Bereich der neusten Technologien spitzt sich die Situation umso mehr zu. Das führt dann dazu, dass Arbeitgeber einen hohen Aufwand betreiben, um die dringend benötigten Spezialisten zu gewinnen. Oft jagen sie sich sogar gegenseitig die besten Leute ab.

Wie geht SBB Informatik mit dem Fachkräftemangel im IT-Bereich um?

Wir investieren in die Aus- und Weiterbildung unserer Mitarbeitenden. In den letzten Jahren haben wir die Anzahl der IT-Auszubildenden mehr als verdreifacht. Und wir bieten sehr attraktive Arbeitsbedingungen. Mit unserer agilen Arbeitsweise treffen wir auch die Bedürfnisse selbständiger, gut ausgebildeter Fachleute. Weil wir unseren Mitarbeitenden schweizweit die interessantesten IT-Projekte anbieten können, ist die Fluktuation auch sehr gering. Das alles reicht aber leider nicht. Durch Nearshoring greifen wir auf einen weiteren Spezialisten-Markt zu und können gleichzeitig die Leistungserbringung besser aufteilen beziehungsweise skalieren. Weil wir vornehmlich Commodity-Leistungen shoren, bleiben die anspruchsvolleren und im Normalfall spannenderen Tätigkeiten in der Schweiz, was der SBB-IT im «war for talents» zugutekommt. 

Welche Massnahmen im Bereich der Weiterbildung von Mitarbeitern hat SBB Informatik getroffen, um dem Mangel an IT-Skills entgegenzuwirken?

Wie gesagt investieren wir viel in die Aus- und Weiterbildung unserer Mitarbeitenden. Wir unterstützen einerseits finanziell und andererseits mit Zeit, die wir zur Verfügung stellen. Zudem können unsere Mitarbeitenden einen Teil ihrer Arbeitszeit für innovative Projekte einsetzen. Da werden viele grossartige Ideen von morgen geboren. Gerade in den Bereichen Virtual und Augmented Reality, IoT oder Big Data entstehen so sehr innovative Lösungsansätze, die wir wiederum mit gezielten Finanzspritzen weiterentwickeln.

Wie haben sich diese Weiterbildungsmassnahmen bisher bewährt?

Unsere Mitarbeitenden schätzen die zahlreichen Möglichkeiten, das zeigt sich unter anderem in der tiefen Fluktuation. Und es widerspiegelt sich in unserer Attraktivität als Arbeitgeberin. Im Universum Ranking belegen wir unter den IT-Studierenden in der Schweiz aktuell den 5. Platz.

Wie schätzen Sie die zukünftige Verfügbarkeit von IT-Fachkräften auf dem Schweizer Arbeitsmarkt ein?

Der Mangel ist so gross, dass es leider keine kurzfristige Besserung geben wird. Ich rechne eher mit einer Verschärfung. Rezessionen und Krisen werden die Entwicklung nur vorübergehend bremsen. Hier hat die Schweiz eine grosse Chance und beste Voraussetzungen, ihre Wettbewerbsfähigkeit zu verbessern. Dazu gehört auch, ausländische Expertise geschickt in die eigene Projektarbeit zu integrieren. Diese Service-Integration ist eine Kompetenz, die zunehmend gefragt ist. Es wäre falsch, durch Protektionismus hier eine Chance zu verpassen.

Was müsste sich ändern, damit die Aussichten besser werden?

In der Gesellschaft und in den Ausbildungsstätten muss sich das leider oft verstaubte Image des Informatikers verändern. Der bleiche Nerd im Keller vor seinem PC entspricht nicht mehr der Realität. Heute sind Informatiker kommunikativ gefordert und haben eine hohe Sozialkompetenz. Sie arbeiten in sehr diversen, interdisziplinären Teams und stehen mit den Benutzern ihrer Anwendungen im regen Austausch. Und ganz wichtig wäre auch, dass der IT-Beruf endlich bei den Frauen an Attraktivität gewinnt. Typische weibliche Fähigkeiten, wie Empathie und Kommunikationsskills, sind ganz besonders gefragt und werden immer wichtiger. Mit der Möglichkeit zur Teilzeitarbeit und zu flexiblen Arbeitszeiten ist der Beruf zudem für Eltern besonders attraktiv. Bei der SBB haben wir beispielsweise ein spezielles Programm, das Müttern nach der Baby-Pause den Wiedereinstieg erleichtert.

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