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Wie Machine Learning Infektionen im Spital verhindern kann

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von Dr. Stefan Glüge, Forschungsgruppe Bio-Inspired Modeling & Learning Systems, ZHAW und Prof. Dr. Thomas Ott, Leitung Bio-Inspired Modeling & Learning Systems, Mitglied ZHAW Digital Health Lab, ZHAW

Healthcare-assoziierte Infektionen stellen Spitäler vor grosse Herausforderungen: Jedes Jahr stecken sich in der Schweiz 70 000 Menschen während eines Spitalaufenthalts an. Ein Projekt der ZHAW und des USZ zeigt auf, wie man mit maschinellem Lernen Keimübertragungsketten stoppen kann.

Infektiologen im Spital versuchen, die Übertragung von multiresistenten Erregern sowie von bakteriellen Wund- und Harnwegsinfektionen so gut wie möglich zu verhindern. Gerade auch die Coronapandemie zeigt, dass das Aufspüren und die Nachverfolgung von Übertragungsketten elementar für die Eindämmung von Infektionen ist. Ansteckungen im Spital müssen möglichst schnell und detailliert analysiert werden, um eine weitere Ausbreitung zu vermeiden. Oftmals nimmt allerdings die Untersuchung viel Zeit und personelle Ressourcen in Anspruch. Um die Ärzte zu unterstützen und Infektionen frühzeitig zu stoppen, hat die Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) in Zusammenarbeit mit dem Universitätsspital Zürich (USZ) und einem Start-up-Unternehmen eine prototypische Softwarelösung entwickelt, die Keimübertragungsketten automatisch erkennen kann.

Laufende Auswertung von spitalinternen Daten

Das auf einem Machine-Learning-Ansatz basierende System analysiert laufend diverse routinemässig am Universitätsspital Zürich erhobene Daten, wie etwa Patientenakten, Behandlungstermine, Schichtpläne des Pflege- und Reinigungspersonals sowie Laborauswertungen. Tritt eine Infektion auf, wird diese automatisch beobachtet und mit Infektionsfällen von anderen Patienten verglichen. Bei Übereinstimmungen eines Erregers werden mögliche Übertragungspunkte erkannt und die Fachpersonen sofort über wahrscheinliche Ansteckungen alarmiert. Die Rekonstruktion des Übertragungswegs erfolgt zeitnah und kann auch unbemerkte Infektionswege, wie etwa eine kontaminierte Dialysestation, aufdecken. Dies ermöglicht gezielte Präventionsmassnahmen und kann eine weitere Ausbreitung verhindern.

Fachwissen bleibt gefragt

Die entwickelte Software funktioniert im Zusammenspiel mit dem Fachwissen der Ärzte: Über die Gefährlichkeit des Keims sowie die zu treffenden Massnahmen zur Unterbrechung der Übertragungskette entscheiden die Mediziner. Nicht alle Bakterien sind gleich gefährlich. Besonders gefürchtet und deshalb prioritär behandelt werden multiresistente Erreger, wie etwa der Methicillin-resistente Staphylococcus aureus (MRSA). Als ergänzendes Tool soll die Software den Fachleuten eine effizientere Beurteilung ermöglichen und damit zur Bekämpfung der Infektion beitragen.

Digitalisierung als Chance

Von der schnellen Erkennung und dem automatischen Keimtracking versprechen sich die ZHAW und das USZ viel Potenzial. Die Software ist zwar noch nicht regulär im Einsatz, zeigt aber die Möglichkeiten für Verbesserungen im medizinischen Alltag auf. Die Flut an Daten, die bereits zum jetzigen Zeitpunkt in den Spitälern gesammelt wird, könnte künftig für eine verbesserte Patientensicherheit genutzt werden. Das gemeinsame, interdisziplinäre Projekt zeigt, wie die Digitalisierung im Gesundheitswesen mit Fachwissen aus den Bereichen Medizin und Technologie unsere Versorgung nachhaltig verbessern kann. Gleichzeitig zeigt es einmal mehr auf, dass gerade auch für den Abbau nichttechnologischer Hürden die disziplinenübergreifende Zusammenarbeit ein Schlüsselfaktor für die Digitalisierung im Gesundheitsbereich spielen kann.

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